zum Hauptinhalt
Ein Fahrer fährt in einem Taxi, das auch über Uber und Bolt gebucht werden kann.

© dpa/Sebastian Gollnow

Update

Frau am Steuer, Frau auf der Sitzbank: So sollen Taxis und Fahrdienste in Berlin sicherer werden

In der Taxi- und Mietwagenbranche dominieren Männer. Eine Frau steuert dagegen: mit lila Logo und 30 Fahrerinnen. Auch die großen Plattformen arbeiten an Angeboten für Frauen.

Stand:

In Berlin sitzt in einem Taxi oder in einem der taxiähnlichen Fahrdienste – den sogenannten Mietwagenbetrieben – so gut wie nie eine Frau hinterm Steuer. Je nachdem, wen man schätzen lässt, sind 85 bis 97 Prozent der Fahrer:innen in der Stadt Männer.

Wenn man als Frau einen Wagen haben will, in dem kein Mann sitzt? Glückssache. Es sei denn, man bestellt bei Nadin Güner.

Nadin Güner, 39 Jahre, Chefin des Fahrdienstes G-Cars.

© Simon Schwarz

Eine Straße in Kreuzberg. Güner fährt mit ihrem Toyota Corolla mit Hybridantrieb vor. Auf der Fahrerinnentür steht in lila Lettern „G-Cars“ geschrieben. „Das G steht für Girls“, sagt Güner und hält fürs Foto lässig den Ellenbogen aus dem Fenster. Auf ihrem Rücksitz dürfen nur Frauen Platz nehmen. Kein Ehepartner, kein schwuler Freund: Frauen only. Und die werden bei G-Cars auch nur von Frauen kutschiert.

Die 39-Jährige ist mit ihrer Firma im April an den Start gegangen. Sie habe kein Problem, weibliches Personal zu finden, sagt sie. In ihrem Postfach landeten ständig Bewerbungen, „ich komme nicht hinterher“. Güner beschäftigt rund 30 Fahrerinnen. Die arbeiten im Schichtbetrieb, fast alle auf Minijobbasis oder in Teilzeit. Angefangen hat sie mit zwei Autos. Bald sollen es acht sein.

Sie entscheidet, wen sie mitnimmt

Als Betreiberin einer sogenannten „Mietwagenfirma mit angestellten Fahrer:innen“ macht sich die Unternehmerin eines zunutze: Im Gegensatz zu einem Taxiunternehmen darf ihr Gewerbe auch Aufträge ablehnen. Taxen gehören in Deutschland offiziell zum öffentlichen Nahverkehr. Für sie gilt die Beförderungspflicht. Mietwagenbetriebe können sich die Kundschaft aussuchen. (Dafür zahlt ein Taxi einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent – Mietwagenbetriebe zahlen die vollen 19 Prozent.)

Das bedeutet: Wenn eine Frau bei Güner anheuert, kann sie sich sicher sein, dass sie nur Frauen befördern muss. „Die Kundin bestellt eine Fahrt per Smartphone, dann ruft eine Mitarbeiterin an und checkt, ob da wirklich eine Frau am Hörer ist“, sagt Güner.

Die Kundin bestellt eine Fahrt per Smartphone, dann ruft eine Mitarbeiterin an und checkt, ob da wirklich eine Frau am Hörer ist.

Nadin Güner, Chefin von G-Cars

Denn nicht nur Frauen auf der Rückbank fühlen sich manchmal unwohl, wenn sie mit einem fremden Mann alleine im Auto sitzen. Alkoholisierte und/oder aufdringliche Fahrgäste können auch für eine Frau am Steuer unangenehm bis gefährlich werden.

Ein Auto eines Fahrdienstes hält am Berliner Hauptbahnhof.

© imago/Jürgen Ritter

Ist das der Grund, warum sie G-Cars gegründet hat? Ihr Umfeld habe schlechte Erfahrungen gemacht, erzählt Güner, von Details möchte sie nicht berichten. „Ich habe zwei Töchter, eine ist 17 und viel unterwegs. Da kam mir die Idee.“ Doch, sagt sie mehrfach, männliche Fahrer wolle sie nicht vorverurteilen.

Ein gutes Image haben die nicht. Das hängt mit einer Reihe schaurig-spektakulärer Fälle in der Hauptstadt zusammen.

  • 2022 fährt ein 43-jähriger Uber-Fahrer eine 16-jährige Teenagerin nach einem Sommerfest in Zehlendorf nach Hause. Kurz bevor sie ihr Ziel, das brandenburgische Teltow, erreichen, hält der Mann und vergewaltigt das Mädchen auf der Rückbank.
  • Im selben Jahr fährt ein 30-jähriger Fahrer eine 22-Jährige. Auf der A100 greift er in ihr Dekolletee und in den Schritt. Die Frau sitzt auf dem Beifahrersitz. Als sie an ihrem Ziel ankommen, kann die Frau den Angreifer wegschubsen und aussteigen.
  • 2024 befördert ein 34-jähriger Bolt-Fahrer eine 20-jährige Schwedin. Sie schläft während der Fahrt auf dem Rücksitz. Der Fahrer hält, schießt Fotos von ihr, dann zieht er der jungen Frau den Slip herunter und vergewaltigt sie.

Inzwischen wurden alle drei Männer für ihre Taten verurteilt.

In ihrer Statistik unterscheidet die Polizei nicht, ob sich ein Fall in einem Taxi oder in einem anderen Fahrdienst ereignet hat. Auch dürften die von der Behörde erfassten Fälle nicht das ganze Ausmaß widerspiegeln: Opfer von Sexualdelikten bringen eine Tat häufig nicht zur Anzeige, viele Verfahren versanden. Zudem spielen sich Situationen oft unterhalb der Strafbarkeit ab.

Es gibt zu viele Männer auf dem Markt

Uber und Bolt haben, wohl auch in Reaktion auf solche Missbrauchsfälle, mehrere Sicherheitsfeatures eingeführt. In der Bolt-App können Fahrgäste unter anderem einen Vorfall melden. Es gibt zudem einen Notfallknopf und man kann die Fahrt per Live-Tracking an eine Vertrauensperson schicken. In der Uber-App finden sich ähnliche Möglichkeiten. Sprecher:innen beider Unternehmen teilen mit, sie prüften jeden gemeldeten Fall. Uber empfiehlt Kund:innen und Fahrer:innen zudem in Richtlinien, wie sie sich bei einer Fahrt respektvoll verhalten können. Man solle etwa nicht flirten oder anstößige Bilder zeigen, auch nichts zum Aussehen sagen.

Ein Mietwagen mit Uber-Werbung auf der Budapester Straße in Charlottenburg.

© IMAGO/Schoening

Auf den einschlägigen Plattformen wie Uber und Bolt ist Nadin Güners Firma bewusst nicht gelistet. G-Cars hat eine extra Bestell-App. „Ich will mir meine eigene Marke aufbauen“, sagt Güner. Mit den Plattformen arbeitet sie aus einem weiteren Grund nicht zusammen. Würde sie das tun, müsste sie pro vermittelter Fahrt eine Provision von bis zu 25 Prozent an die Konzerne zahlen.

Dass die Plattformen irgendwann nachziehen, war nur eine Frage der Zeit. Uber hat am Donnerstag dieser Woche ein neues Angebot für seine weiblichen Kundinnen vorgestellt. Damit holt der Konzern das Pariser Modell nach Berlin. Dort können sich Frauen seit November auf der Uber-App und auch auf jener von Bolt ein Fahrzeug mit Frau am Steuer bestellen.

Die Konzerne stehen in Frankreich jedoch vor der gleichen Herausforderung wie hierzulande: In Paris gibt es nach wie vor zu wenige Fahrerinnen in der Branche. So müssen Fahrgäste auf ein „Frauen-Taxi“ länger warten. Auf Anfrage teilt eine Sprecherin von Bolt mit, in der deutschen Hauptstadt gibt es die Funktion in der Bolt-App deshalb noch nicht. Dieses Feature „setzt eine ausreichend große Zahl aktiver Fahrerinnen voraus. Diese Voraussetzung ist derzeit in Berlin noch nicht erfüllt“, schreibt sie.

Ein Sprecher der Firma Freenow, die per App ausschließlich Taxen vermittelt, warnt gar davor: „Wir kennen dieses Feature, sehen es jedoch mit Blick auf den damit verbundenen möglichen Missbrauch sehr kritisch. So kann es sein, dass gerade männliche Fahrgäste sich als weiblich ausgeben oder als Frau auf der Plattform registrieren, um dann bewusst eine Fahrt mit einer Fahrerin zu buchen.“

Anfangs hatte Uber in Paris versucht, Fahrerinnen für die Plattform zu gewinnen, indem es die Vermittlungsprovision für deren Fahrten senkte. Die Frauen konnten mehr Netto vom gezahlten Fahrpreis behalten. Auch in Deutschland versucht Uber, den Beruf für Frauen interessanter zu machen, organisiert zum Beispiel Events, bei denen sich Frauen in der Branche vernetzen können.

Das hat ein tollkühner Unternehmer vor

Aykut Atli geht noch einen Schritt weiter. Der Berliner will eine Plattform aufbauen, auf der Frauen ausschließlich Frauen buchen können. Der Name: Femride. Der Launch seiner Plattform steht laut ihm kurz bevor. Die Idee dahinter ist dieselbe wie bei der Konkurrenz. Über ein digitales Matching-System werden auf Atlis Plattform Fahrgast und Fahrdienst zusammengebracht.

Atli weiß, dass Frauen seltener gründen, weniger risikofreudig sind, schlechter an Kapital kommen und es derzeit schwierig ist, an Fahrgenehmigungen über die Landesbehörde zu gelangen. Seine Idee: Er muss Frauen beim Gründen ihrer eigenen Fahrdienste unterstützen. Anschließend will er den Fahrerinnen weniger Provision in Rechnung stellen, wie Uber in Paris. „Wir unterbieten die Konkurrenz, dann haben die Subunternehmen einen Anreiz, Femride zu benutzen, und sie werden mehr Frauen einstellen.“

Der Mann glaubt daran, gegen die Platzhirsche Uber und Bolt bestehen zu können. „Ich will 1000 Arbeitsplätze schaffen in den kommenden fünf Jahren.“ Als Erstes wolle er in Berlin starten, danach seien Köln, München und Hamburg an der Reihe.

Preiskampf im Taxi- und Mietwagengeschäft

Nadin Güner und er betreten mit ihren Geschäftsideen einen Markt, der kaum härter sein könnte. In der Stadt streiten bereits vier Plattformen um die Vorherrschaft, führen einen unerbittlichen Preiskampf im Mietwagensektor. Im Gegensatz zu Taxen, denen Behörden örtliche Preise auferlegen, ist die Preisfindung in diesem Gewerbe frei. Erschwerend hinzu kommt, dass nicht alle Fahrdienste fair kämpfen. In der Vergangenheit flogen etliche Betrüger:innen auf. Oft sparten sie an Steuern und Sozialabgaben.

Zu stark von diesen Spottpreisen darf Güners Angebot nicht abweichen. Schon einmal hat die Unternehmerin ihre Preise gesenkt. Derzeit berechnet sie ihren Kundinnen 2,50 Euro pro Kilometer zuzüglich Umsatzsteuer. Vom Alexanderplatz zum Potsdamer Platz kostet eine Tour demnach unter zehn Euro. Die Auslastung der Wagen muss also schon sehr hoch sein, damit sich das rentiert.

Güner hat in ihrem Leben nie Taxi gefahren. Vor der Gründung arbeitete sie in der Immobilienbranche. Heute setzt sich die Chefin auch gern selbst ans Steuer. „Ich lerne so viele unterschiedliche Menschen kennen, die Mädels, die uns buchen, sind sehr dankbar.“

Aykut Atli sagt, Männer auzuschließen, sei nicht das Ziel von geschlechtergetrennter Mobilität. Es sei gerade umgekehrt: Wer sich heute scheut, Taxi zu fahren, und morgen, dank dieser Angebote, mit einem Fahrdienst unterwegs sein kann, ist freier, meint er.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })