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Ein Mann steht im Kabeltunnel des Netzbetreibers 50Hertz.

© TSP/Thomas Loy

Neue Stromautobahnen für die Energiewende: Netzbetreiber 50Hertz plant die tiefsten Tunnel Berlins

Weil Berlin mehr grünen Strom braucht, wird das Hochspannungsnetz unterhalb der Stadt ausgebaut. Das kostet bis zu drei Milliarden Euro, ist aber unverzichtbar, sagen die Experten.

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Die Kabel fühlen sich kühl an, kein Surren oder Knistern stört die Ruhe. Und doch fließt in ihrem Kupferkern Hochspannungsstrom, der im direkten Kontakt sofort tödlich wäre. Deshalb lassen die Ingenieure des Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz selten Besucher in ihre Katakomben hinabsteigen. Vor anderthalb Jahren war das belgische Königspaar da, erzählt eine Mitarbeiterin. Der sei schwer beeindruckt gewesen. 50Hertz gehört zum belgischen Netzbetreiber Elia Group.

Am Montagmorgen stellte 50Hertz in circa 20 Meter Tiefe unterhalb des Umspannwerks Eldenaer Straße in Friedrichshain seine neuen Tunnelbauprojekte vor. Hier verzweigen sich sechs 25 Zentimeter dicke Stromkabel. Eine Kabeltrasse mit 380 Kilovolt Stromspannung führt durch einen runden Tunnel von drei Metern Durchmesser nach Osten zum Umspannwerk Marzahn, die andere zum Umspannwerk Mitte in der Bissingzeile. Zusammen bilden sie ein wichtiges Teilstück der sogenannten Kabeldiagonale, der Hauptschlagader des Berliner Stromnetzes.

Diese Hauptschlagader soll in den kommenden Jahren ausgebaut und durch weitere Abzweige besser ans Umland angebunden werden, um noch mehr grünen Strom nach Berlin zu leiten und zugleich die Widerstandsfähigkeit des Netzes zu verbessern.

Zwei bis drei Milliarden Euro könnten die Berliner Ausbauprojekte kosten, sagte 50Hertz-Geschäftsführer Stefan Kapferer. Das hänge vor allem von den Trassen ab, deren Verlauf noch festgelegt werden muss.

„Der Stromverbrauch wird in Berlin tendenziell weiter steigen“, sagte Kapferer, er rechnet mit einer Verdreifachung. Das sei mit einer Kabeldiagonale alleine nicht mehr zu leisten. „Mit den drei neuen, unterirdisch verlaufenden Leitungen stärken wir die Infrastruktur, ohne den urbanen Raum übermäßig zu beeinträchtigen.“

Die neuen Tunnel sollen in 25 bis 40 Meter Tiefe verlaufen, damit sie nicht mit U-Bahntunneln oder sonstigen Untergrund-Bauwerken kollidieren, und erstrecken sich über rund 44 Kilometer in Berlin und Brandenburg.

Stefan Kapferer ist Vorsitzender der Geschäftsführung des Übertragungsnetzbetreibers 50Hertz.

© dpa/Christophe Gateau

Im Bau befindet sich bereits die Tunneltrasse zwischen dem Umspannwerk Mitte und der Rudolf-Wissell-Brücke, damit soll ein bereits in den 1970er-Jahren verlegtes Erdkabel ersetzt werden. Ende Juni könnten die Bohrarbeiten beendet sein.

An der Wissell-Brücke geht es per Freileitung weiter zum Umspannwerk am Kraftwerk Reuter, dort ist eine weitere Tunneltrasse zum Umspannwerk Teufelsbruch im Norden von Spandau geplant. Diese sechs Kilometer lange Trasse wird die Havel unterqueren.

40 Meter tief verläuft der neue Kabeltunnel

An drei Stellen werden Schächte mit bis zu 40 Metern Tiefe gebaut, vor dort arbeiten sich dann Bohrmaschinen durch den Untergrund. Diese Trasse ist von der Planung her schon weit fortgeschritten. Mit dem Bau soll 2030 begonnen werden. Auch hier wird ein bestehendes Erdkabel ersetzt und die Stromkapazität um 40 Prozent erhöht.

Der kleinste U-Bahn-Zug Berlins. Mit seiner Hilfe werden die Kabel überwacht.

© TSP/Thomas Loy

Freileitungen wären billiger, sagte Kapferer, aber in einer dicht besiedelten Metropole wie Berlin nur „schwer vorstellbar“. Erdkabel kämen auch nicht mehr infrage, wegen des starken Magnetfeldes und möglicher Störungen anderer Leitungen.

Für zwei Abzweige von der Kabeldiagonale werden noch die optimalen Trassenführungen gesucht. Die „Kabelvertikale Nord“ beginnt am Kraftwerk Reuter und führt zunächst nach Tegel, wo ein neues Umspannwerk geplant ist, von dort geht es weiter Richtung Nordosten unterhalb von Pankow zum Umspannwerk Malchow. Die Vertikale Nord soll rund 20 Kilometer lang werden.

So sieht es in der Kabine des U-Bahn-Zugs aus.

© Tsp / Thomas Loy

Das Pendant im Süden führt vom Umspannwerk Mitte nach Großbeeren südlich von Berlin, dort erreicht sie nach rund 14 Kilometern das bestehende Hochspannungsnetz rund um Berlin. Auf der Strecke ist ein weiteres Umspannwerk am Heizkraftwerk Lichterfelde geplant.

Platz für zwei neue Umspannwerke gesucht

Die Bauarbeiten für die Vertikalen sind in den 2030er-Jahren geplant, ab 2036 soll das neue Hochspannungsnetz in Betrieb genommen werden. Parallel werden die Umspannwerke gebaut, da brauche man aber die Unterstützung der Politik, wenn es um geeignete Flächen geht, sagte Kapferer. Ohne Kabeltrassen und Umspannwerke könnten neue Industriebetriebe und andere Großkunden nicht angeschlossen werden.

Für Leitern und anderes Zubehör gibt es einen Werkstattwagen.

© Tsp / Thomas Loy

Die Hochspannungskabel im Untergrund werden intensiv überwacht, mit Kameras und Sensoren. Außerdem gibt es eine winzige U-Bahn, die bemannt oder unbemannt im Schneckentempo von zehn Stundenkilometern durch die Tunnel fährt und eine direkte Sichtkontrolle ermöglicht.

Dabei geht es vor allem um Brandschutz, denn die Leitungen können sich bei einer hohen Stromdurchleitung stark erhitzen. „Die langsamste U-Bahn der Stadt“, kommentierte Sven Riedl, Fachgebietsleiter Kabelanlagen bei 50Hertz.

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