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 Lena Trunk (links) und Bettina Nauendorf vom Yaam-Vorstand.

© Robert Klages

Exklusiv

Streit um Fassaden-Werbung und die wohl schmalste Galerie der Welt: „Yaam-Club“ in Berlin stellt sich neu auf

Der neue Mietvertrag bringt Probleme mit sich, Geld für eine Sanierung wird benötigt. Warum man auf dem Gelände für afrikanische Kultur trotzdem zuversichtlich ist und Künstler bereits neue Projekte planen. Streit gibt es um Werbung auf der Fassade.

Stand:

Drei Frauen und ein Kind sitzen in einer schattigen Ecke hinter den Imbissbuden des „YAAM – Young African Art Market“ in Berlin-Friedrichshain, gebeugt um etwas, das aussieht wie eine kleine Vase. Sie kichern, lachen dann laut, fallen zurück in die Liegestühle und sehen zufrieden aus. Das ist doch nicht etwa eine „Bong“, eine Wasserpfeife zum Konsum vom Marihuana? Legal wäre das ja neuerdings. Aber nein, es handelt sich um eine Kaffeezeremonie.

Nachdem das Yaam einen neuen Mietvertrag mit dem Bezirk unterschrieben hat, bauen viele Händlerinnen und Künstler auf dem Gelände ihre Stände aus. Von den Geldsorgen hinter den bunten Kulissen lassen sie sich dabei erstmal nicht irritieren.

Habet Dahab Ogbamichael veranstaltet Kaffee-Zeremonien auf dem Yaam-Gelände.

© Robert Klages

Habet Dahab Ogbamichael erhebt sich. Sie bietet die teilweise vierstündigen Zeremonien an. So etwas wie „Coffee To Go“ und kurze Espressi kommen bei ihr nicht in die Tasse. „Dieser hastige Konsum wiederspricht der Tradition.“ Italien habe sich den Kaffee während des Kolonialismus kulturell angeeignet und ins Absurde geführt, den schnellen Genuss vermarktet, ein ganz anderes Getränk daraus gemacht.

Ogbamichael stammt aus Eritrea und bietet original äthiopische Kaffeerituale an. „Buna“, sagt sie, als würde sie etwas ausspucken. Es ist das Wort für Bohne. In zahlreichen afrikanischen Ländern würde man „Bunas“, kleine Hütten, an jeder Straßenecke finden. Feuer und Kaffee machen seien in ihrem Heimatland oftmals noch immer reine Angelegenheiten für Frauen. Sie verdreht die Augen.

Kaffee bedeutet für Ogbamichael Beisammensein. Bei ihrem Ritual gibt es drei Runden und es wird Weihrauch angezündet, auch Kinder trinken Kaffee, der süßer ist und mit weniger Koffein. Eine Frau und ihr Sohn aus Friedrichshain sind von der Zeremonie begeistert, sie kommen öfter, sprechen mit Ogbamichael offen über ihre Sorgen.

Eine Frau und ihr Sohn bei der Kaffee-Zeremonie im Yaam.

© Robert Klages

Das Yaam hat im März seinen ersten festen Mietvertrag mit dem Bezirksamt unterschrieben. Nach fünf Umzügen in den letzten 30 Jahren will der Ort für (nicht nur) afrikanische Kultur, Essen, Musik und Kunst an der Schillingbrücke 3 endlich Fuß fassen.

Nachdem der Standort zuletzt etwas infrage gestanden war, gilt der neue Vertrag nun für immerhin 30 Jahre. So können längerfristige Planungen gemacht werden und auf dem 8000 Quadratmeter großen Gelände lassen sich neue Mieter:innen nieder.

30
Jahre dauert der neue Mietvertrag zwischen Yaam und Bezirk.

Wie zum Beispiel die „Nordafrikanische Ecke“. Neben Kaffee aus Ägypten wird Streetfood aus Tunesien angeboten von Mehdi Sahraoni. „Ich freue mich, hier einen Stand zu haben und den Bereich davor jetzt gemütlich ausbauen zu können. Ohne Sorge, dass es bald vorbei seien könnte mit dem Yaam“, sagt er und lacht hinter seiner Sonnenbrille.

Kein Platz für Hass, Sexismus, Rassismus, Faschismus, Homophobie und Antisemitismus

So das Motto des Yaams, steht auch auf den Bierbechern.

Auch die alteingesessenen Mieter:innen freuen sind und bieten Essen, Kleidung und Musik aus beispielsweise Jamaika, Ghana oder Nigeria an. Bereits am Nachmittag ist das Gelände mit vereinzelten Gästen gefüllt, die Bar am „Strand“ öffnet, einem weitläufigen zweiten Teil des Areals mit Sand und Liegestühlen an der Spree.

Die neue "Nordafrikanische Ecke" mit Kaffee aus Ägypten und Essen Tunesien von Mehdi Sahraoni

© Robert Klages

Doch ganz so leicht ist das mit dem neuen Mietvertrag nicht. Auf der Spitze eines kleinen Hügels steht ein Bauwagen. Klopf klopf. Zwei Frauen öffnen eine Luke und schauen heraus: Lena Trunk und Bettina Nauendorf vom Vorstand des „Kult e.V.“, der den Yaam-Club betreibt.

Der Haken am Mietvertrag sei, dass die Sanierung der Halle durch den Verein bezahlt werden muss, erklärt Trunk. Ab Oktober soll die Uferwand der Halle erneuert werden. Aber zunächst möchte der Verein ein Gutachten einholen. Sie hoffen, weniger bezahlen zu müssen als die sieben Millionen Euro, auf die ein Gutachten kommt, das vom Senat beauftrag worden war. So viel könne der Verein niemals aufbringen. Trunk schüttelt den Kopf.

Streetfood aus Tunesien von Mehdi Sahraoni.

© Robert Klages

Fraglich sei zunächst noch, in welchem Ausmaß die Wand saniert werden müsse, so Trunk weiter. Die Pläne für die Halle, die 1908 gebaut wurde und unter Denkmalschutz steht, gebe es nicht mehr, aber eigentlich sei das Fundament für ein mehrstöckiges Haus errichtet worden. Trunk und Nauendorf schließen den Bauwagen ab und setzen sich auf eine Bierbank neben der Halle, die eigentlich das Herzstück des Yaam ist.

Nach 22 Uhr muss es ruhig sein

Seit 2020 ist diese aus Sicherheitsgründen für die Öffentlichkeit gesperrt. Der Verein hofft, dass sie bald wieder öffnen kann, auch während der Sanierungsarbeiten. Denn sonst können nur im Sommer auf dem Außengelände Einnahmen generiert werden. Die Halle sei wichtig für den Winter, sagt Nauendorf. Für Veranstaltungen mit Eintritt.

Blick auf das Yaam von der Schillingbrücke.

© Robert Klages

Früher spielten hier bekannte Bands wie Julian Marley zum Beispiel, einer der Söhne der Reggea-Legende Bob Marley. Derzeit wird die Halle als Lager und für Ateliers genutzt.

Auf dem Außenbereich muss nach 22 Uhr Ruhe herrschen. Manchmal klingelt das Telefon um 22.05 Uhr, ein Nachbar beschwert sich, der eine einzige Wohnung inmitten der Hotels bewohnt, die um das Yaam stehen. „Wir nehmen natürlich Rücksicht“, sagt Trunk. Man sei in gutem Kontakt mit den Nachbar:innen und auch den Ämtern. Aber klar sei auch, dass sich ein Ende um 22 Uhr auf die Einnahmen auswirke.

Es wird wohl nur über öffentliche Mittel gehen

Lena Trunk vom Yaam-Club überlegt, wie die Sanierung finanziert werden könnte.

„Wenn wir die Halle nicht haben, wird es daher schwierig für das Yaam“, weiß auch Nauendorf. Der Bezirk sage, er habe kein Geld, um die Sanierung der Uferwand zu finanzieren, und die Stadt betone, dass es sich um ein bezirkliches Grundstück handele.

Als gemeinnütziger Verein kann das Yaam keine Spenden von privaten Investoren oder ähnliches entgegennehmen. „Es wird wohl nur über öffentliche Mittel gehen.“ Trunk zuckt mit den Schultern. Die Lotto-Stiftung zum Beispiel. Kontakt habe man aber noch nicht.

Die Halle muss vorerst noch geschlossen bleiben. 

© Robert Klages

Einnahmen durch Werbung sind möglich für das Yaam, führen aber innerhalb des Vereins zu kontroversen Diskussionen. Seit Anfang des Jahres wird auf der Yaam-Fassade für ein Mischgetränk eines bayrischen Unternehmens geworben. Zwar in bunten Farben, die zum Club passen, allerdings sind viele damit nicht einverstanden. Großkonzerne sollen sich das Yaam und seine Kultur nicht zu eigen machen.

Streit um Werbung an der Fassade

„Es ist auch nur temporär“, betont Nauendorf. Im August soll die Werbung wieder übermal werden und man suche nach neuen, anderen Werbepartner:innen. Keine globalen Unternehmen, sondern politische Organisationen zum Beispiel, könne man sich vorstellen, mit einem politischen Statement auf der Fassade, groß und fett. Aber das Yaam weiß, dass es ohne Werbung grundsätzlich schwierig werden dürfte. Wer Interesse hat, möge sich melden: info@yaam.de

Marek Schovanek zeigt sein Atelier auf dem Yaam.

© Robert Klages

Bei der Gastro gibt es bereits eine neue Kooperation mit dem SO36. Der Traditionsclub aus Kreuzberg kümmert sich ab sofort um die Getränke auf dem Yaam-Gelände und zahlt dafür Miete. „Zwei Urgesteine aus dem Kiez, die für dieselben Werte stehen“, freuen sich Trunk und Nauendorf.

Sie zeigen einen Bierbecher, auf dem die Werte in Englisch aufgelistet sind: „Kein Platz für Hass, Sexismus, Rassismus, Faschismus, Homophobie und Antisemitismus.“ Am 13. Juli feiert das Yaam Dreißigjähriges Bestehen, dem Geburtstag des verstorbenen Gründers Ortwin Rau.

Der Künstler Marek Schovanek will die "West Side Gallery" auf dem Yaam wiederbeleben.

© Robert Klages

Mehr Besucher:innen für den Nachmittag erhofft sich das Yaam durch Ausstellungen und vor allem die Wiedereröffnung der „West Side Gallery“. Der auf dem Areal arbeitende, international bekannte Künstler Marek Schovanek öffnet eine hohe und sehr schmale Tür, dahinter befindet sich ein enger Gang: 50 Meter lang, 3.50 Meter hoch und 54 Zentimeter breit.

Ganz schön eng - aber Platz für Kunst.

© Robert Klages

Die wohl schmalste Galerie der Welt, in der Kunst-Betrachtung zum körperlichen Erlebnis werden soll. „In den großen Kunst-Museen soll man Abstand halten von den Kunstwerken“, sagt Schovanek aufgeregt. „Hier ist das gar nicht möglich.“

Der schmale Pfad zwischen Halle und einem verbliebenen Abschnitt des älteren Teils der ehemaligen Berliner Mauer ist derzeit verwachsen. Lichter an der Decke lassen erahnen, dass hier früher ausgestellt wurde. Schovanek arbeitet an der Wiedereröffnung.

Zudem möchte er die „Spreeriviera“ gründen, ein Ausstellungsprogramm für internationale Künstler:innen. Jetzt, mit dem neuen Mietvertrag für 30 Jahre, sei das alles vielleicht schon bald möglich.

Schovanek arbeitet schon länger auf dem Yaam, er zeigt riesige und schwere Stoßzähne aus Holz in einem Einkaufswagen, die er für Ausstellungen in Berlin, Südkorea und Prag angefertigt hat. „Das Yaam ist für uns eine Oase“, strahlt er. „So etwas gibt es kaum noch, solche Orte werden seit den 90ern geschlossen oder verdrängt.“

Strand direkt an der Spree.

© Robert Klages

Das hat Schovanek selbst erfahren. Als er aus seiner Heimat Kanada nach Berlin kam, arbeitete er im Tacheles, einem mehrstöckigen Atelierhaus in Berlin-Mitte, nach der Wende von Künstler:innen besetzt, 2012 geräumt und in den letzten Jahren umgebaut zu einem Luxuskomplex mit Büros, einem privaten Museum und Einkaufspassage.

So soll es dem Yaam nicht ergehen, zumindest nicht in den nächsten 30 Jahren, da sind sich auf dem Gelände alle einig. Hinter den bunten Kulissen und der Partystimmung türmt sich daher ein Haufen Arbeit für die Verantwortlichen.

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