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Rübermachen: Berliner können in Polen Pyrotechnik kaufen, was die Brandenburger irritiert.

© Georg Ismar

„Bleibt doch einfach alle mit dem Arsch zu Hause“: Berliner dürfen trotz Lockdown in Polen Böller kaufen – Brandenburger nicht

Ein Schlupfloch in den Corona-Regeln macht’s möglich: Berliner decken sich im Nachbarland mit Pyrotechnik ein - zum Unmut der Brandenburger.

Während anderswo am Montag und Dienstag Menschen Schlange standen, waren es in Frankfurt an der Oder vor allem Autos. Die letzten Tage vor dem bundesweiten Lockdown nutzten die Deutschen überall in der Bundesrepublik, um sich mit Weihnachtsgeschenken einzudecken. In der brandenburgischen Grenzstadt wurde unterdessen offenbar schon weitergedacht: nicht nur Weihnachten, sondern vor allem der Jahreswechsel standen im Fokus der Einkaufstouristen, die sich vor dem Lockdown im staubedingten Schneckentempo auf den Weg über die Stadtbrücke ins polnische Slubice machten, der Nachbarstadt von Frankfurt (Oder).

Während nach den neuen Beschlüssen der Bundesregierung der Verkauf von Feuerwerkskörpern im Jahr 2020 in Deutschland erstmals verboten ist, kann man in Polen ganzjährig Pyrotechnik erwerben. Und so strömten Berliner und Brandenburger Anfang der Woche in Scharen nach Polen. „Der ganze Parkplatz war voll, die Leute standen vor dem Laden lange Schlange“, sagte eine Verkäuferin im „Pyromarkt“ in Slubice. Auch vor Tankstellen und beim Zigarettenverkauf wurde ein großer Andrang registriert.

Nun stellt sich heraus: zumindest die Berliner hätten sich gar nicht beeilen müssen, den sie dürfen weiter zum Einkaufen unsere östlichen Nachbarn besuchen. Während das Land Brandenburg mit Beginn des harten Lockdowns am Mittwoch den sogenannten „kleinen Grenzverkehr“ zwischen Polen und Deutschland durch eine zehntägige Quarantänepflicht weitgehend einschränkte, gibt es in der aktuellen Berliner Infektionsschutzverordnung eine folgenschwere Lücke.

Zwar gilt Polen als Risikogebiet des Robert Koch-Institutes, aber die Quarantänepflicht ist nach Paragraph 22 der Berliner Covid-Eindämmungsverordnung für all jene aufgehoben, die sich weniger als 24 Stunden in einem Nachbarstaat aufhalten. Da das Einkaufen in Polen bekanntlich auch in wenigen Stunden erledigt sein kann, buhlen die Läden dort jetzt vor allem um Berliner Besucher.

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Dass Brandenburger nur noch als Berufspendler, Schüler, Studierende oder wegen eines Familienbesuch die Grenze ohne Quarantänepflicht überqueren dürfen, Berliner sich aber ohne Folgen mit Pyrotechnik oder billigen Zigaretten und Benzin auf den Märkten in Polen eindecken können, sorgt für großen Unmut in der Mark.

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Unverständnis macht sich unter anderem in den Kommentarspalten eines Facebook-Posts des „Polenmarkts Hohenwutzen“ breit, mit dem um Kundschaft aus Berlin geworben wird. Der Markt wird mehrmals täglich von Shuttle-Bussen aus der Hauptstadt angefahren. Da schreibt ein User „Warum dürfen die Berliner in Polen uneingeschränkt Einreisen und wir Brandenburger nicht. Sind die Berliner was Besseres als wir Brandenburger? Nichts gegen Berliner, aber das finde ich ungerecht” und ein anderer: „Es wird doch immer bekloppter.“

Den Kontrast dazu bilden einige Berliner, die jetzt offenbar ihre große Chance wittern, bis Silvester doch noch an Feuerwerkskörper zu gelangen: „Oha, da gibt’s Böller für Silvester“, schreibt ein Facebook-Nutzer. Tatsächlich ist die Einfuhr von Pyrotechnik nur nach bestimmten Richtlinien erlaubt. Die entsprechenden Produkte müssen mit dem sogenannten „CE-Zeichen“ gekennzeichnet sein und dürfen lediglich der Klasse F1 (Tischfeuerwerk) und F2 (Silvesterfeuerwerk) angehören. Die Kategorien F3 und F4 (Mittel- und Großfeuerwerk) fallen unter das Sprengstoffgesetz und erfordern eine besondere Erlaubnis.

„Dann können die Berliner den Brandenburgern Zigaretten mitbringen“

In den letzten Jahren wurden insbesondere in den Wochen vor Silvester immer wieder große Mengen verbotener Pyrotechnik vom deutschen Zoll sichergestellt. Trotz des reduzierten Reiseverkehrs im Dezember 2020 werde man natürlich auch dieses Jahr präsent sein und die Einfuhr von Feuerwerkskörpern in die Bundesrepublik entsprechend kontrollieren, sagt die Pressesprecherin des Zollamtes Frankfurt (Oder) Astrid Pinz.

Verwundert über die Berliner Ausnahmereglung zeigen sich nicht nur diverse Facebook-User, sondern auch die Stadt Frankfurt (Oder). „Wir sind in hohem Maße irritiert, dass Berliner weiter problemlos in Polen einkaufen gehen, während wir hier in Brandenburg andere Regeln haben“, sagte der Sprecher der Stadt Uwe Meier. Vor allem aus Gründen des Infektionsschutzes halte es die Grenzstadt für problematisch, dass Berliner den weiten Weg zum Einkaufen kommen, sagte Meier.

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Die Senatsinnenverwaltung der Hauptstadt verwies auf Anfrage auf das Haus der Gesundheitssenatorin. Dieses war für eine Rückfrage zu den Quarantäne-Ausnahmen zunächst nicht erreichbar. Die Grünen, die sich nicht nur für ein Verkaufsverbot, sondern auch ein Zündverbot von privatem Feuerwerk einsetzen, wollen das Thema im Senat ansprechen.

Auf Facebook reagiert unterdessen Pragmatismus: „Dann können die Berliner den Brandenburgern Zigaretten mitbringen“, schlägt jemand vor, während sich eine Frau sichtlich genervt zeigt von der Diskussion: „Bleibt doch einfach alle mitn Arsch zuhause“. (mit dpa)

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