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Clan-Chef Issa Rammo im Foyer des Abgeordnetenhauses

© Instagram/Fisar Remmo

Update

Clan-Boss im Parlament: CDU-Politiker lädt Issa Rammo ins Abgeordnetenhaus – nun gibt es Streit

Aufregung im Berliner Landesparlament: Das Oberhaupt der berüchtigten Großfamilie war zu Gast – auf Einladung eines CDU-Abgeordneten. Der will davon nichts gewusst haben. Ein Sohn der Familie widerspricht.

Stand:

Sein Sohn Firas postete am Donnerstag mehrere Fotos auf Instagram: Darauf zu sehen ist ein fröhlich lächelnder Issa Rammo im Foyer des Berliner Abgeordnetenhauses und auf den Zuschauerrängen des Plenarsaals. Das Oberhaupt einer berüchtigten deutsch-arabischen Großfamilie aus Berlin weilte im sogenannten „Hohen Haus“ des Landes Berlin – ausgerechnet auf Einladung eines Abgeordneten der CDU. Also der Partei, die sich dem entschiedenen Kampf gegen Clankriminalität verschrieben hat.

Unter Abgeordneten herrschte Aufregung, einige waren empört. Rammo war auf Einladung des Abgeordneten Christian Zander aus Tempelhof-Schöneberg zu Besuch im Parlament, doch Zander will nicht gewusst haben, wer da zu Besuch kommt. Firas Rammo widersprach der Darstellung, die Opposition kritisierte die CDU scharf.

„Ich habe keine Mitglieder der Familie Rammo eingeladen und würde dies auch niemals tun“, sagte Zander am Donnerstag. Die Personen seien ihm weder persönlich noch visuell bekannt. „Hätte ich von der Teilnahme eines Mitgliedes des Rammo-Clans gewusst, dann wäre diese Gruppe von mir ausgeladen worden.“

Eine Teilnehmerliste war mir nicht bekannt.

Christian Zander, CDU

Mitglieder der in der Gründung befindlichen „Arabischen Gemeinde in Deutschland“ hätten ihn gebeten, ihnen eine Führung durchs Abgeordnetenhaus zu ermöglichen. Anlass seien die aktuellen Entwicklungen in Syrien und die Unterstützung eines demokratischen Neuanfanges in dem Land.

„Diese Führung wurde so organisiert wie hunderte weiterer Führungen jedes Jahr“, sagte Zander. „Eine Einzelanmeldung erfolgte nicht, die Teilnehmer wurden durch die Gemeinde selbst organisiert. Eine Teilnehmerliste war mir nicht bekannt“, erklärte der CDU-Politiker weiter.

Clan-Spross Firas Rammo widersprach. „Christian Zander wusste ganz wohl, dass mein Vater Issa Rammo ist. Er hat sich mit seinem Namen persönlich vorgestellt“, sagte er dem Tagesspiegel. „Mein Vater hatte kein Interesse, mit dem CDU-Politiker auf einem Foto zu sein, um kein Aufsehen zu erregen. Aber der Politiker bestand darauf“, berichtete Firas Rammo.

Sohn des Familienoberhaupts widerspricht der CDU

„Mein Vater hat ihm gesagt, ein gemeinsames Bild wird für großes Aufsehen sorgen. Und dass mein Vater mit dem Politiker gemeinsame Freunde hat, ist auch kein Geheimnis.“ Firas Rammo widersprach auch Zanders Darstellung, der Besuch stehe im Zusammenhang mit Syrien. Vielmehr handle es sich um Menschen aus Saudi-Arabien, die in Berlin lebten und das Parlament und die Regeln kennenlernen wollten.

Christian Zander ist in der CDU-Fraktion Sprecher für Gesundheit und Pflege.

© CDU-Fraktion Berlin

Zander widersprach dem energisch. „Ich hatte nie etwas mit den Remmos zu tun und will auch in Zukunft mit Clanstrukturen nichts zu tun haben, sondern sie bekämpfen“, sagte Zander dem Tagesspiegel am Abend. „Eine bekannte Strategie von Clans ist es, durch solche hinterhältigen Aktionen Aufmerksamkeit zu erhaschen. Das gilt auch für die Unwahrheiten, die über mich verbreitet werden.“

Grüne glauben der CDU kein Wort

Vasili Franco, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, wünschte der CDU einen Lernprozess. „Ich bin doch stark verwundert, dass die CDU das wohl bekannteste Gesicht eines nachweislich im Fokus der Ermittlungsbehörden stehenden Clans nicht erkennt“, sagte Franco.

Vasili Franco ist Sprecher für Innenpolitik in der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Abgeordnetenhaus Berlin.

© Vincent Villwock / Grüne Fraktion Berlin

Wenn man zu einem fachlichen Austausch einlade, sollte man als Politiker zumindest wissen, wer einem gegenübersitzt. „Die CDU wird den Fall sicher aufarbeiten und hoffentlich den Vorfall zum Anlass nehmen, sich in zukünftigen Debatten über die sogenannte Clankriminalität etwas mehr mit den Details der in Berlin agierenden Strukturen auseinanderzusetzen“, sagte Franco.

Gewerkschaft spricht von „Super-Gau für die CDU“

Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sprach von einem „Super-Gau für die CDU“. Gute Politik müsse bürgernah sein. „Da lässt sich auch nicht komplett ausschließen, dass eine der schillerndsten Clan-Gestalten mal eben durch das Abgeordnetenhaus stolziert“, sagte GdP-Sprecher Benjamin Jendro.

„Issa Rammo ist ein freier Mann. Wer ihn kennt, weiß natürlich, wie er zum demokratischen Rechtsstaat steht und dass es ihm mehr um sich und das Demonstrieren eigener Macht geht“, erklärte der GdP-Sprecher. Der Auftritt im Parlament sei perfekt für Rammos Marketing. „Vielleicht sollte man dann auch bei Gruppeneinladungen ins Abgeordnetenhaus vorab eine Namensliste machen, wie es bei vielen Veranstaltungen längst Usus ist.“

Remmo oder Rammo – was ist richtig?

Die Remmos stammen aus dem Libanon, kamen in den Achtzigern nach Berlin. Eine einheitliche Transkription aus dem Arabischen blieb aus: Remmo, Rammo, Remo. In Kriminalistik, Medien und Politik fungieren die Remmos gewissermaßen als Modell für „Clan-Kriminalität“, die vom Bundeskriminalamt als regelmäßiges Begehen von Straftaten durch Verwandte in „ethnisch abgeschotteten Subkulturen“ bezeichnet wird.

Männer, seltener Frauen aus der Großfamilie Rammo fallen seit Jahren mit spektakulären Straftaten auf. 2018 hatte die Staatsanwaltschaft 77 Immobilien von Angehörigen des berüchtigten Rammo-Clans beschlagnahmt. Ausgangspunkt war eine Tat im Jahr 2014. In Mariendorf wurde eine Sparkasse gesprengt, ein Mitglied des Rammo-Clans dafür verurteilt. Von den 10 Millionen Euro Beute und Einnahmen aus anderen Diebstählen und Drogengeschäften seit 2008 sollen sich zuvor mittellose Angehörige der Großfamilie mit Immobilien eingedeckt haben.

Clan-Villa, Goldmünze, Sachsen-Geschmeide

Rechtskräftig geurteilt wurde erst in zwei der 77 Fälle, darunter zur bekannten Clan-Villa in Neukölln. Die Familie musste das Anwesen in Buckow Anfang 2024 räumen. Dazu steht eine Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichtes an, ob der Staat ohne bewiesene Straftat wie Geldwäsche Vermögen wegnehmen darf.

Im März 2017 brachen Maskierte in Berlins Bodemuseum ein, stahlen eine Goldmünze im Wert von 3,75 Millionen Euro. Verurteilt wurden dafür auch drei Rammos.

Im Mai 2019 verschwand ein Gold-Kunstwerk aus einer Berliner Schule, zuvor sahen Zeugen einen Rammo am Tatort. Verurteilt wurde ein Freund der Großfamilie, das gestohlene Gold ist weg. Im November 2019 brachen Männer in das Grüne Gewölbe in Dresden ein. Sie stahlen das berühmte Sachsen-Geschmeide, nur einen Teil des Sachsen-Schatzes gaben die dafür Angeklagten im Laufe des Prozesses zurück. Verurteilt: fünf Rammos.

Im Februar 2021 überfielen fünf Männer einen Geldtransporter am Berliner Ku’damm, fast 650.000 Euro Beute. Gestanden hat ein Rammo. Im August 2021 bohrten Männer durch den Boden einer Wohnung in Norderstedt bei Hamburg: Darunter befindet sich eine Bank, aus der die Täter elf Millionen Euro aus Schließfächern stahlen. Tatverdächtig: ein Remmo.

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