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Demonstrationen am Frauentag: 28 Festnahmen bei Protesten in Kreuzberg – Video zeigt Schläge der Polizei
Am 8. März gingen vor allem linke Initiativen für Frauenrechte und Gleichberechtigung auf die Straße. Es blieb weitgehend friedlich. Auf einigen Demonstrationen kam es jedoch zu Ausschreitungen.
- Antonia Bohländer
- Marius Gerards
- Ken Münster
Stand:
Am Internationalen Frauentag, der in Berlin auch ein Feiertag war, wurde bei sonnigem Wetter auf den Straßen für Gleichberechtigung und andere Forderungen demonstriert. Tausende waren unterwegs auf diversen Kundgebungen und Demonstrationszügen.
Wie die Polizei auf der Plattform X am späten Samstagabend mitteilte, war eine „weitestgehend friedliche“ Bilanz zu ziehen. Dennoch sei es am späten Nachmittag und Abend vereinzelt zu Ausschreitungen gekommen, insbesondere auf Demos, auf denen propalästinensische Aktivisten anwesend waren.
Insgesamt sollen im Laufe des zwölf Männer und 16 Frauen vorübergehend festgenommen worden sein, dazu kommen 33 Strafermittlungsverfahren. Insgesamt wurden sieben Polizeibeamte verletzt, die alle im Dienst bleiben konnten.
Im Blick der Polizei stand vor allem eine Demonstration zum „Internationalen feministischen Kampftag“, die am Nachmittag mit rund 3000 Personen am Oranienplatz in Kreuzberg startete. Dort soll es zu mehreren Straftaten gekommen sein. Wie die Polizei am Sonntag mitteilte, wurden bereits kurz nach Beginn aus einem propalästinensischen Block heraus israelfeindliche sowie strafbare und eindeutig polizeifeindliche Sprechchöre skandiert.
Im weiteren Verlauf nahmen Einsatzkräfte wiederholt Teilnehmende fest, woraufhin die Beamten sich laut Polizei mit gewalttätigen Widerstandshandlungen, Landfriedensbrüchen, versuchten Gefangenenbefreiungen und tätlichen Angriffen konfrontiert sahen. Polizisten seien mit gezielten Faustschlägen, Tritten, Flaschenwürfen sowie unter Einsatz von Fahnenstangen angegriffen worden, daraufhin hätten sie wiederholt körperlichen Zwang gegen Demonstrierende angewendet und Reizgas versprüht.
Über den Lautsprecherwagen sollen im Laufe der Demonstration Beamte mit polizeifeindlichen Sprechchören beleidigt worden sein, die Einsatzleitung der Polizei forderte daraufhin die Versammlungsleitung wiederholt dazu auf, mäßigend auf die Anwesenden einzuwirken. Nachdem zwei Frauen in der Wiener Straße wegen strafbarer Parolen festgenommen worden, kam es an der dortigen Feuerwache zu einem Tumult.
Einsatzkräfte hatten die Frauen nach Rücksprache mit der Feuerwehr in die dortige Fahrzeughalle gebracht, um ihre Personalien festzustellen. Mehr als 100 Personen sollen daraufhin die anwesenden Einsatzkräfte massiv bedrängt und versucht haben, zum Gebäude zu gelangen. Polizisten wendeten daraufhin Faustschläge, Tritte und Pfefferspray ein. Wenig später löste die Versammlungsleitung die Demonstration, an der in der Spitze 3700 Menschen teilgenommen haben, auf.
Mehrere Videos von Festnahmen sorgten am Sonntag in den sozialen Medien für Aufregung. Unter anderem teilte das US-amerikanische Online-Medium „Drop Site News“ auf der Plattform X ein Video, auf dem zu sehen ist, wie am Rande der Versammlung mindestens zwei Polizisten gewalttätig gehen Demonstrierende vorgehen.
Das Video zeigt, wie Beamte die Demo-Teilnehmer zurückdrängen, mindestens zwei Polizisten schlagen mehrfach und gut erkennbar ins Gesicht eines Demonstranten und treffen einen anderen mit der Faust am Hinterkopf. Augenscheinlich versuchten die Einsatzkräfte die Masse zurückzudrängen. Auf Nachfrage des Tagesspiegels teilte die Polizei mit, das Video sei bekannt und werde geprüft.
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Weil Teile der linken und linksradikalen Szene zerstritten sind, etwa über den Nahost-Konflikt zwischen Israel und Palästina, waren sie am Frauentag auf unterschiedlichen Veranstaltungen unterwegs. Die Polizei kündigte in der Vorbereitung auf die Versammlungslage am Samstag an, vor allem die linksradikalen Demonstrationen mit Bezug zu Palästina begleiten zu wollen.
Propalästinensische Aktivisten greifen Journalisten an
In einem Café in der Adalbertstraße kam es am Nachmittag laut Polizei zu einem Angriff auf einen Videojournalisten sowie einen Gewerkschaftsvertreter. Auch die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) berichtete auf X über den Vorfall. Demnach soll der Journalist zunächst von einer Frau gefragt worden sein, ob er für den Axel-Springer-Verlag arbeitet.
Im Anschluss sollen weitere Frauen auf ihn zugekommen sein und ihn aufgefordert haben, das Café zu verlassen. Der Journalist soll laut Polizei zum Selbstschutz seine Kamera hochgehalten haben, woraufhin ihn eine der Frauen festgehalten und mit der Faust gegen die Brust geschlagen haben soll.
Laut dju sollen die Angreifenden erkennbar aus dem propalästinensischen Spektrum stammen und in dem Café unter anderem „Zionisten sind Faschisten“ gerufen haben. Die Polizei soll Videomaterial aus dem Café sichergestellt haben. Laut „Bild“ soll es sich bei dem angegriffenen Journalisten um Yalcin Askin vom „Jüdischen Forum für Demokratie und Antisemitismus“ handeln. „Ich wurde als Zionist, Rassist und Islam-Feind beschimpft“, zitiert die Zeitung Askin. „Es war sehr feindselig.“
Laut Polizei soll es auf der bereits erwähnten Demonstration zum „Internationalen feministischen Kampftag“ einen Übergriff auf ein Filmteam gegeben haben, bei dem eine unbekannte Angreiferin eine Flüssigkeit auf den Oberkörper sowie die Filmausrüstung eines Journalisten schüttete. Die Ausrüstung soll dabei beschädigt und womöglich teilweise zerstört worden sein.
Der Berliner Landessprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Benjamin Jendro, forderte aufgrund der Ausschreitungen am Samstagabend, Änderungen im Versammlungsfreiheitsgesetz. Lücken, die Extremisten immer wieder ausnutzen, müssten geschlossen werden, teilte er am Sonntag mit. Auch die Versammlungen am Frauentag seien wieder „mit diesem unsäglichen Israel-Hass auf unseren Straßen besudelt“ worden, tätliche Angriffe gegen die Polizeibeamten könne die Politik nicht als normale Tageslage abtun, so die Mitteilung.
Veranstalter zählen bei Demonstration zum Frauentag 25.000 Teilnehmende
Eine der größten Demonstrationen – gemessen an der angemeldeten Zahl von 10.000 Menschen – veranstalteten Gewerkschaften sowie linke, feministische und stadtpolitische Gruppen, darunter auch die „Omas gegen rechts“. Sie startete um 12.30 Uhr am Oranienplatz in Kreuzberg als „Feministische Demo zum Internationalen Frauentag“, Ziel war das Rote Rathaus in Mitte.
Kurz vor 14 Uhr setzte sich der Zug in Bewegung. Zu diesem Zeitpunkt zählte die Polizei rund 9000 Teilnehmende. Am späteren Nachmittag war vom „unteren fünfstelligen Bereich“ die Rede. Die Organisatoren sprachen von 25.000 Teilnehmern.
Zu Beginn der Demo, die feministische Forderungen und Kämpfe in den Mittelpunkt stellte, hieß es in einer Ansage: „Unsere Demonstration ist offen für alle Geschlechter. Trans-Frauen sind Frauen. Personen, die das anders sehen, sind auf unserer Demo nicht willkommen. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit hat auf unserer Demo keinen Platz. Darunter fallen unter anderem: Rassismus, Antisemitismus, Trans- und Queerfeindlichkeit.“ Zudem wurde darum gebeten, auf Nationalfahnen und nationale Symbole zu verzichten.

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Teilnehmerin Tabea (26) sagte zu ihrer Motivation: „Ich bin heute hier, weil der internationale feministische Kampftag gerade in Anbetracht der neuen Regierung in Deutschland mit Merz als Kanzler umso notwendiger ist. Gerade auf dieser gewerkschaftlichen Demo ist es wichtig, dass wir uns feministisch und antimilitaristisch zusammenschließen.“
Christa (80) trug ein Transparent mit der Forderung „Hebt den Paragrafen 218 auf“, ein Statement für die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Sie sagte: „Ich bin auf der Demo, weil ich ein Mensch bin und irgendjemand sich leistet, den Frauen weniger Lohn zu zahlen, den Frauen das Recht abzusprechen, über ihren eigenen Körper zu verfügen.“ Und sie fügte hinzu: „Es ist unglaublich, was sich diese Gesellschaft leistet! Seit 1949 steht im Grundgesetz, dass die Frauen gleichberechtigt sind. Die verstoßen ständig gegen die eigenen Paragrafen.“

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Und Jonas (22) betonte: „Ich finde es besonders wichtig, heute auch als Mann auf der Straße zu sein und für die Rechte von Frauen einzutreten. Es ist wichtig, sich gegen diese patriarchale Gesellschaftsstruktur positionieren. Unter den Strukturen leiden Personen aller Geschlechter.“

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In den Abschlussreden am Roten Rathaus forderten die Redner der verschiedenen Organisationen u.a. die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen und die Enteignung von Wohnungsunternehmen.
Auch am Kreuzberger Mariannenplatz startete am Mittag ein Aufzug: die Fahrraddemo „The Purple Ride“, organisiert von einem queerfeministischen Kollektiv. Dazu versammelten sich die Teilnehmerinnen am Platz und im angrenzenden Park.
Zu ihrer Motivation sagte Julika (24): „Mir geht es vor allem um Sichtbarkeit und darum, auf Ungleichheiten aufmerksam zu machen. Auf die systematische Diskriminierung von nicht männlichen Personen.“ Und die Teilnehmerin Lea (42) sagte: „Wir können uns endlich mal unseren Platz nehmen auf der Straße – und wir können so laut sein als weiblich gelesene Personen. Und deswegen bin ich hier. Für die Gleichberechtigung aller Geschlechter, was in unserem Land leider immer noch nicht der Fall ist.“
Polizei mit 800 Einsatzkräften präsent
Laut eigenen Angaben war die Polizei bei den verschiedenen Demos mit insgesamt rund 800 Einsatzkräften präsent. Die Verkehrsinformationszentrale warnte via X vor Sperrungen und Verkehrseinschränkungen.
Am S-Bahnhof Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg gab es am Nachmittag eine kleinere Demo mit 3000 Teilnehmern, die sich unter anderem gegen Antisemitismus stellte.
Am Sonntag sollte es zudem eine größere Demonstration geben, die um 17 Uhr am Brandenburger Tor mehr Unterstützung für die Ukraine fordert und sich gegen Russland und den vor drei Jahren begonnenen Krieg richtet. (mit dpa)
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