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Eine Tram über den Ku’damm?: Berliner Straßenbahn-Bündnis will das Schienennetz verdoppeln
Das Bündnis „Pro Straßenbahn“ fordert 286 Kilometer neue Strecken in allen Bezirken der Stadt. In den vergangenen Jahren wurden nur wenige Abschnitte tatsächlich fertig. Ist das „Zielnetz“ nur eine Vision?
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Bei der Berliner Straßenbahn sieht die Realität so aus: 2021 wurden 2,7 Kilometer neue Strecke fertig, 2023 noch einmal 2,2 Kilometer. Davor war lange Jahre Pause – und mindestens in den kommenden fünf Jahren wird nichts fertig werden. Angesichts dieser Zahlen sind die 286 Kilometer neuen Strecken, die das Bündnis „Pro Straßenbahn“ fordert, sehr mutig. Eine Vision?
Am Montag stellte das Bündnis aus 17 Partnern das Zielnetz für 2050 vor. Dabei sind die Fahrgastverbände Igeb und Pro Bahn, der Bund, aber auch engagierte Verkehrspolitiker von SPD, Grünen und Linkspartei. Gegenüber dem vor sechs Jahren vorgestellten Plan kamen noch einmal 20 Kilometer hinzu, zum Beispiel über den Kurfürstendamm und die Clayallee bis Zehlendorf. Aktuell fahren in Berlin auf 199 Kilometern Züge. Das Netz würde sich also mehr als verdoppeln und wäre immer noch kürzer als in den besten Zeiten. 1930 waren es 634 Kilometer.
Lästereien wie die des früheren Bundeskanzlers Helmut Schmidt („Wer Visionen hat, sollte zum Arzt“), lässt Sybille Uken von der SPD an sich abprallen. „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, sagte die Verkehrspolitikerin bei der Präsentation. Zudem sei die Definition eines Zielnetzes wichtig zur langfristigen Trassensicherung. Der derzeitige Neubau der Brücke Buckower Chaussee über die Dresdner Bahn ohne Berücksichtigung einer einst vom Senat selbst geplanten Straßenbahn unterstreiche den Bedarf für ein verbindliches Zielnetz.
Uken gehört zum Fachausschuss Mobilität der Berliner SPD, quasi eine Art innerparteilicher Opposition zum U-Bahn-Kurs der Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey. Die hatte sich als Regierende Bürgermeisterin massiv für die U-Bahn eingesetzt. Die Straßenbahn sei ein modernes und schnelles Verkehrsmittel, die Ökobilanz viel besser als bei der U-Bahn, widerspricht Uken.
Als größter Vorteil der Straßenbahn werden immer die niedrigen Kosten genannt. Früher ging es immer um den Baupreis, mittlerweile wird auch mit den Betriebskosten argumentiert, Stichwort Personalmangel. Gegenüber dem Bus seien zwei Drittel weniger Fahrer erforderlich, sagte Tilo Schütz vom Bund für Umwelt und Naturschutz. In diesem Jahr hat sich die Personalkrise bei der BVG dramatisch verschärft, U-Bahnen und Busse fahren seltener.
Anwohner protestieren gegen die Tram durch die Falckensteinstraße
Berlin verschleudere Steuergelder, wenn auf stark frequentierten Strecken Busse fahren statt Straßenbahnen. Und beim Bau sei die Tram unschlagbar günstig. Die vier Kilometer U-Bahn zur Spandauer Heerstraße kosten ebenso viel wie ein komplettes Straßenbahnnetz für Spandau mit 28 Kilometern Länge, sagte Schütz.

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Laut Verkehrsverwaltung sind aktuell acht neue Abschnitte in Planung, die genannten möglichen Fertigstellungstermine variieren zwischen 2029 und 2031. Dazu gehören Trassen durch die Leipziger Straße zum Kulturforum, von Johannisthal nach Gropiusstadt und vom Bahnhof Jungfernheide nach Spandau und zur Urban Tech Republic auf dem ehemaligen Flugfeld Tegel.
Als realistischste nächste Eröffnung gilt die Verlängerung der M10 vom U-Bahnhof Turmstraße nach Jungfernheide. Zuletzt war der früheste Fertigstellungstermin auf 2029 verschoben worden.
Das waren die letzten Schritte in Berlin: Im Sommer informierte die Verkehrsverwaltung die Anwohner, wie die stark frequentierte Straßenbahnlinie M10 durch Kreuzberg und Neukölln zum Hermannplatz verlängert werden kann, nämlich durch den Görlitzer Park. Bislang endet die M10 am U-Bahnhof Warschauer Straße, diskutiert wird seit vielen Jahren. Mittlerweile formieren sich Anwohner zum Protest. Die Argumente: Die Zahl der Parkplätze sinkt, einige Bäume müssten gefällt werden.
Wie sehr Anwohner Projekte bremsen können, ist am Ostkreuz zu sehen. Seit gut 20 Jahren planen BVG und Verkehrsverwaltung an der Anbindung des wichtigen Bahnhofs herum. Zwei Planfeststellungsverfahren sind bereits gescheitert, derzeit läuft das dritte.
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