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© Dominik Lenze

Gegen Waffen für Israel: Kundgebung am Berliner Hauptbahnhof bleibt friedlich

Amnesty und andere Organisationen forderten einen Stopp von Waffen-Exporten an Israel. Intifada-Rufe gab es nicht, im Fokus der Kritik standen Israel und die Bundesregierung.

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3000 Menschen versammelten sich laut Veranstalter am Freitagabend vor dem Berliner Hauptbahnhof, um „Für einen gerechten Frieden in Palästina und Israel“ zu demonstrieren. Aufgerufen hatte dazu ein Bündnis aus rund 30 Organisationen, das Opfern auf beiden Seiten des komplexen Konflikts in Nahost gerecht werden will.

„Wir verurteilen alle Kriegsverbrechen in diesem Krieg, sowohl die der Hamas und anderer bewaffneter palästinensischer Gruppen, als auch die der israelischen Regierung“, heißt es in dem Aufruf zur Kundgebung. Ebenso werden die zivilen Opfer sowohl unter Israelis als auch unter Palästinenser:innen thematisiert.

Gefordert werden der Schutz der Zivilbevölkerung und ein Stopp von Waffenexporten. Zudem wird in dem Aufruf kritisiert, dass die Bundesregierung „zu Recht die Kriegsverbrechen der Hamas verurteilt“, doch „Kriegsverbrechen der israelischen Regierung und der Armee“ nicht als solche benenne. Aufgerufen haben unter anderem Amnesty International Deutschland, medico und Ärzte der Welt. Amnesty übt seit Jahren scharfe Kritik an Israel und wirft dem Staat „Apartheid“ vor.

Ebenfalls aufgerufen hat die Deutsch-Palästinensische Gesellschaft (DPG). Der Verein fordert die „Beendigung der israelischen Besatzung“ und hat in Stellungnahmen heftige Kritik am Vorgehen Israels geübt.

Kritik an der Hamas und keine verbotenen Slogans

Einiges an dieser Kundgebung lief anders als bei den jüngsten Versammlungen, auf denen es zu israelfeindlichen Ausfällen und Ausschreitungen mit der Polizei kam: Niemand stimmte Slogans wie „Babymörder Israel“ oder das verbotene „From the River to the Sea“ an. Die Versammlung war durchweg friedlich. Selbst die Hamas wurde in einem Redebeitrag ausdrücklich kritisiert.

Doch der Fokus der Kritik lag auch hier auf Israels Vorgehen in Gaza und Libanon, der Unterstützung durch die deutsche Regierung und die Repression propalästinensischer Demonstrationen durch die Polizei. Die Kundgebung sei „ein Zeichen dafür dass wir die israelische Kriegsführung in Palästina und im Libanon verurteilen“, sagte Amnesty-Referentin Katja Müller-Fahlbusch, aber auch „ein Zeichen dafür, dass jedes Leben gleich wichtig ist“. Auch die „deutsche Politik der Einseitigkeit“ lehne man ab, sagte sie, gefolgt von Applaus.

Auch Aktivisten aus dem radikalen Teil der Palästina-Protestszene Berlins waren vor Ort, jedoch nicht als Redner auf der Kundgebungsbühne: Ramsy Kilani (Linke) von der trotzkistischen Gruppe „Sozialismus von unten“ verteilte Werbung am Rande der Versammlung.

Auf manchen Transparenten waren szenetypische Slogans zu lesen wie „Free Palestine from german guilt”. Manche Teilnehmer dieser Kundgebung hatten auch schon an den eskalativen Demonstrationen um den 7. Oktober teilgenommen. Ebenfalls war der Kreisverband der Linken Neukölln vor Ort. Auch der Kreisverband der Linken Neukölln war vor Ort. Die Neuköllner CDU fordert, den Kreisverband vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen.

Auch Deborah Feldman steht auf der Bühne

„Die fehlende Empathie, die palästinensischen Leben entgegengebracht wird, macht uns fassungslos“, sagte Julia Duchrow, Generalsekretärin von Amnesty International Deutschland. Vor allem kritisierte sie die Parteinahme Deutschlands für Israel: „Schluss mit Doppelstandards und zweierlei Maß“, sagte Duchrow.

„Wir sind zum allerersten Mal dabei“, sagte Nazih Musharbash, Präsident der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft. Er bedankte sich bei den Veranstaltern für die Möglichkeit, „friedlich zu demonstrieren“ und ohne „Trittbrettfahrer, die unserer Sache geschadet haben.“

Er kritisierte die aus seiner Sicht „kaum vorhandene Empathie“ mit Palästinensern in Deutschland. Als Olaf Scholz nach dem 7. Oktober Palästinenser dazu aufgerufen habe, sich vom Hamas-Terror zu distanzieren, fand er dies „zutiefst beleidigend und verletzend“: Die überwiegende Mehrheit der Palästinenser stehe der Hamas nicht nahe und hege keinen Antisemitismus. „Hat er denn alle Deutschen (...) jemals aufgefordert, sich von dem NSU oder der Diskriminierung in Deutschland zu distanzieren? Nein!“

Die DPG kritisiere, so Musharbash, Israels Kriegsführung. „Israelkritik ist nicht Judenkritik und folglich nicht antisemitisch“, sagte er. Die Palästinenser hätten sich „ihre Besatzer nicht ausgesucht“, sie wurden „auch von Deutschland infolge des Holocausts“ aufgezwungen.

Die Schriftstellerin Deborah Feldman („Unorthodox“), die ebenfalls als Rednerin auf der Bühne stand, verwies auf historische Verbindungen zwischen rechtsradikalen Juden und Deutschen am Anfang des 20. Jahrhunderts. Aus ihrer Sicht bestehe diese Verbindung fort: „Die rechtsradikale Regierung in Israel bekommt jedwede Unterstützung von der gesamten deutschen Parteienlandschaft“, sagt sie dem Tagesspiegel. Auch die AfD hege den Traum eines „Ethno-Nationalstaats“.

Gegen 20 Uhr war die Kundgebung beendet. Die Berliner Polizei hat derzeit noch keine Auskunft über die von ihr geschätzte Teilnehmerzahl. Die Demonstration sei aber friedlich verlaufen.

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