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Zwei Pisten, viele Ideen. So sah ein 2013 diskutierter Bebauungsentwurf des Senats für den Flughafen Tempelhof aus.

© Senatsverwaltung

Hoch hinaus in Tempelhof: Wie Berlins Ex-Flughafen die Fantasie beflügelt

Ein Berg, ein See, eine Bibliothek – das Tempelhofer Feld regt seit Jahren die Vorstellungskraft an. Nun will die SPD einen neuen Anlauf nehmen, es zu bebauen.

Schon lange dröhnen keine Flugzeugmotoren mehr zwischen Volkspark Hasenheide und Ringbahn. Dafür vielleicht bald die Presslufthammer? Wenn es nach dem Willen von SPD, CDU und FDP geht, könnten dort, wo einst Jets über das Rollfeld donnerten, schon bald die Bagger rollen.

Die Ära des Flughafens Berlin-Tempelhof ging am 30. Oktober 2008 zu Ende. Seitdem ringt die Stadt mit sich und der etwa 300 Hektar großen Freifläche. Was soll damit geschehen?

In einem Volksentscheid vor sieben Jahren sprachen sich zwei Drittel der Berliner gegen eine Bebauung des Tempelhofer Feldes aus. Das ehemalige Flughafengelände sollte ein urbaner Freiraum bleiben – zum Picknicken, Kiteboarden, Joggen. Festgehalten wurde das im Tempelhof-Gesetz 2014.

Doch Politiker, Stadtplaner und Bürgerinitiativen rütteln gern daran. CDU und FDP fordern bereits seit 2018 ein neues Referendum. Angesichts der wachsenden Wohnungsnot und bevorstehenden Abgeordnetenhauswahlen nimmt nun auch die SPD das Thema wieder auf: „Die SPD steht dem Wohnungsbau auf ausgewählten Randflächen des Tempelhofer Feldes offen gegenüber“, heißt es im Entwurf für das Parteiprogramm, über den die Genossen beim Landesparteitag am 24. April abstimmen wollen.

Auf einer Klausur des SPD-Landesvorstands am 30. Januar war das Thema wieder auf den Tisch gekommen: Das Tempelhofer Feld solle als grüne Lunge in der Stadt mit Freiflächen zur Erholung und Bewegung erhalten werden, doch Wohnungsbau auf „ausgewählten Randflächen“ möglich sein, heißt es in einem Entwurf für das Parteiprogramm.

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Die Entscheidung darüber obliege jedoch letztlich den Berlinern, aber die SPD sei für einen zweiten Volksentscheid offen. „Sollte es eine Mehrheit für eine Randbebauung mit Wohnungen und sozialer Infrastruktur geben, ist es für uns zwingend, dass die Flächen nur für Wohnungsbau durch die landeseigenen Wohnungsunternehmen und Genossenschaften genutzt werden“, steht außerdem in dem SPD-Entwurf.

Randbebauung – ein Vorschlag, der geradezu bodenständig wirkt, blickt man auf die großen Ideen zurück, die in den vergangenen 13 Jahren zur Debatte standen. Hier ein Überblick über die interessantesten Ideen.

Paradies für Bergziegen und Skifahrer

Ein Eintausender mitten in Berlin – Bergziegen grasen am Hang, Wanderer erklimmen den Gipfel, im Winter sausen Skifahrer abwärts. Das war die Vision des Architekten Jakob Tigges. Er und sein Team reichten 2009 bei der Senatsverwaltung den Vorschlag ein, auf dem ehemaligen Flugfeld ein künstliches Bergmassiv zu errichten.

"The Berg" nannte der Architekt Jakob Tigges seinen Vorschlag für das einstige Flughafengelände.
"The Berg" nannte der Architekt Jakob Tigges seinen Vorschlag für das einstige Flughafengelände.

© REUTERS/Jakob Tigges and Malte Kloes

„The Berg“ mit zwei Gipfeln, der höhere von beiden, der „Rosinengipfel“, sollte 1071 Meter in den Himmel ragen, das Flughafengebäude zur Talstation für eine Seilbahn werden. „Nicht realisierbar“ urteilte die Jury der Senatsverwaltung. Doch dem Team von „The Berg“ war es nie darum gegangen, die wahnwitzige Idee umzusetzen. Die Kampagne war vielmehr ein humoristischer Protest gegen Engstirnigkeit und Ideenlosigkeit bei der Gestaltung der Fläche.

Die Wasserlöcher

Also gut, wenn schon kein Berg, wie wäre es dann mit einem See? Diesen Vorschlag brachte 2010 die „Initiative Tempelhofer See“ ins Spiel. Die Idee: Das ehemalige Flughafengelände wird in ein Gewässer verwandelt, mit einer Fläche von 180 Hektar und einer Wassertiefe von sechs Metern. In der Mitte thront die Tempelhofer Insel mit einer Windkraftanlage als Symbol für die Energiepolitik der Zukunft.

Berliner Wasserwege. Im Osten des stillgelegten Flughafens sollten Wasserbecken entstehen - bis ein Baustopp kam.
Berliner Wasserwege. Im Osten des stillgelegten Flughafens sollten Wasserbecken entstehen - bis ein Baustopp kam.

© promo

Diese große Vision teilte die Senatsverwaltung nicht, für ein künstliches Gewässer konnte sie sich aber erwärmen: Man entwarf Pläne für ein Wasserbecken auf dem Feld – 500 Meter lang, bis zu 120 Meter breit, 3,1 Hektar groß. Wohlgemerkt: Nicht zum Baden! 11 Millionen Euro waren veranschlagt. In wenigen Wochen beginnen die Bauarbeiten, hieß es im Herbst 2013, bald rollen die Bagger. Doch dann rollte: nichts. Der Umweltverband BUND klagte, das Verwaltungsgericht kippte die Senatspläne – wegen Verstößen gegen das Planungsrecht.

Der Bildungstempel

Der Ruf nach stärkerer Bürgerbeteiligung wurde lauter, die 2011 gegründete Initiative „100 Prozent Tempelhofer Feld“ brachte das Volksbegehren an den Start. Der damalige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit verfolgte zeitgleich einen eigenen Plan: den Bau einer neuen Zentralen Landesbibliothek auf dem Tempelhofer Feld. Kostenpunkt: 300 Millionen Euro. Das Projekt war umstritten, die Senatsverwaltung lobte dennoch einen Wettbewerb aus, Ende 2013 wurden zwei Gewinner-Entwürfe gekürt: Gläserne Kiste versus großes Schiff. Gebaut wurde keins von beidem. Der erfolgreiche Volksentscheid 2014 durchkreuzte die Pläne.

2014 existierten bereits ausgefeilte Pläne für eine Wohnbebauung, die der Bevölkerung vorgestellt wurden.
2014 existierten bereits ausgefeilte Pläne für eine Wohnbebauung, die der Bevölkerung vorgestellt wurden.

© Marc Tirl/dpa

Das Containerdorf für Geflüchtete

Im November 2015 beschloss das Abgeordnetenhaus, am Rand des Feldes die größte Flüchtlingsunterkunft Deutschlands zu bauen. Befristet bis 2019 sollten 7000 Geflüchtete dort unterkommen. Anfang 2016 änderte man dafür das Tempelhof-Gesetz. Dann kam das Mammutprojekt doch nicht. Stattdessen lebten zeitweise 1700 Geflüchtete in den ehemaligen Flugzeughangars, es entstand ein Containerdorf für bis zu 3000 Menschen. Wie vorgesehen, wurden sie drei Jahre später geräumt.

Spielwiese für Fantastereien

2016 war die Bevölkerung aufgerufen, Vorschläge einzureichen. Vom kleinen Eiswagen bis zur riesigen Trampolin-Anlage war alles dabei: Ein Zentrum für elektronische Musik, eine Öko-Sauna, ein Lasergame-Center in den Katakomben. Reinhard Naumann, SPD-Bezirksbürgermeister von Charlottenburg-Wilmersdorf, schlug das Feld als Standort für das neue Hertha-Stadion vor.

Der Klassiker: Wohnungsbau

Wie wäre es einfach mit Wohnungsbau? Das rufen wahlweise CDU, FDP oder SPD dazwischen. So ließ Kai Wegner, CDU- Spitzenkandidat bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus, verlauten, man könne 6000 Wohnungen für etwa 20 000 Menschen am südwestlichen Feldrand bauen. Und die FDP initiierte Anfang Oktober 2020 das Volksbegehren „Baut auf diese Stadt“ für den Bau von mindestens 12 000 Wohnungen auf dem Feld – derzeit ist die Unterschriftensammlung wegen der Pandemieentwicklung unterbrochen.

Für jeden etwas dabei

Dass sich auf dem Tempelhofer Feld Natur, Freizeit und Wohnen vereinen ließen, wollten Studierende aus Amsterdam beweisen. Gemeinsam mit dem Stadtplaner Martin Aarts besuchten sie vergangenes Jahr das Gelände – und waren sich einig: „Man muss hier was machen!“ Ihre Ideen: Das Feld kreisförmig mit Bäumen einrahmen. Eine Hälfte bebauen, die andere als Park gestalten. Einen Wasserspeicher errichten. Das Gelände bewalden. Unendliche Möglichkeiten. Alles geht, nichts passiert.

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