
© Michael Unger, Die OffeneBlende e.V.
Islamophobie, Kriegsangst, Nahostkonflikt: Was die muslimische Community vor der Wahl bewegt
In der Pankower Khadija-Moschee beantworteten Politiker die Fragen von Muslimen. Tausende verfolgten die Debatte im Livestream. Die AfD war nicht eingeladen.
Stand:
Wenige Tage vor der Bundestagswahl haben sich Bundestagskandidaten mehrerer Parteien in der Berliner Khadija-Moschee den Fragen der muslimischen Community gestellt. Bei der Veranstaltung am Mittwochabend ging es um die Bedürfnisse der muslimischen Gemeinde in Deutschland, aber auch um internationale Politik, den Nahostkonflikt und den Krieg in der Ukraine.
Die Veranstaltung war von einer der männlichen Sparten des Verbands Ahmadiyya Muslim Jamaat (AMJ) organisiert worden. Rund 50 männliche Muslime kamen zur Debatte in die Heinersdorfer Moschee, weitere drei- bis viertausend Zuschauer verfolgten sie laut Organisator Faraz Ahmad via Livestream.
Zunächst wurden Fragen zu konkreten Bedürfnissen der muslimischen Community in Deutschland gestellt. Wie sie zu einem Bundesbeauftragten für muslimisches Leben stünden, wurden anwesenden Politikerinnen und Politiker gefragt.
Diskriminierung und Rassismus
Während Andreas Schaumayer, FDP-Direktkandidat in Mitte, betonte, dass seine Partei eher Beauftragte und Behörden abschaffen wolle, sprach sich Bundestagsvizepräsidentin und religionspolitische Sprecherin der Linke Petra Pau für diesen Vorschlag aus. Sie ergänzte, dass sie sich darüber hinaus eine Demokratiebeauftragte des Deutschen Bundestages wünsche. An dieser Stelle verwies sie auf einen „Höchststand von fast 1500 muslimfeindlichen Straftaten“, was aus der Statistik der Straftaten des Jahres 2024 hervorgehe.
Moderator Ahmad verwies auf eine Studie der Bertelsmann Stiftung, die 2019 feststellte, dass jeder zweite Deutsche Angst vor dem Islam habe. Die stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Serpil Midyatli betonte, dass es Aufgabe des Staates sei, „strukturelle Diskriminierung und Rassismus“ zu bekämpfen. Die Schöneberger CDU-Politikerin Katharina Senge sprach sich für die intensive Förderung von Begegnungsformaten aus.
Zuspruch für BSW-Kritik an Israel
Auch der Nahostkonflikt spielte eine zentrale Rolle. Auf die Frage, wie sie die Anerkennung eines unabhängigen palästinensischen Staates voranbringen wollen, antworteten fast alle Kandidaten mit dem Ziel einer Zweistaatenlösung. Bis auf den BSW-Spitzenkandidaten in Sachsen-Anhalt Michael Lüders: Dieser verwies auf einen palästinensischen Staat „in den 1967 eroberten Gebieten“ und kritisierte die deutsche Unterstützung Israels. Dafür erntete er im Livestream viel Zuspruch.

© Saskia Kabelitz
Gefragt nach ihrer Sorge vor einem dritten Weltkrieg sagte Petra Pau, dass sie die Sorge wahrnehme. Sie sehe es als Aufgabe der Politik, „Alternativen zur weiteren Eskalation nicht nur zu denken, sondern miteinander zu erstreiten“. Schaumayer von der FDP nannte die Demokratie das wirksamste Mittel gegen Kriege, denn „Demokratien führen keinen Krieg gegeneinander“.
Michael Lüders vom BSW sagte, er sehe eine reale Kriegsgefahr. Hanna Steinmüller, Grünen-Direktkandidatin in Mitte, meinte, sie gebe die „Hoffnung auf eine friedliche Welt“ nicht auf. CDU-Politikerin Senge betonte an dieser Stelle die Relevanz der deutschen Verteidigungsfähigkeit. Deutschland sei unter der Regierung von Olaf Scholz keine Kriegspartei geworden, sagte Midyatli von der SPD. Es müsse Aufgabe Deutschlands sein, die Ukraine weiter zu unterstützen und darauf hinzuwirken, den Krieg zu beenden.
Die AfD war nicht eingeladen
Und wie stehen die Anwesenden zu einer Zusammenarbeit mit der AfD? Diese schlossen alle aus – bis auf BSW-Politiker Lüders, „weil wir nicht wissen, wie sich die politische Entwicklung weiter gestaltet.“ Außerdem gehe er davon aus, dass dieser Ausschluss am ehesten von der CDU gebrochen werde. Dem widersprach Senge von der CDU vehement.
Die AfD war zur Veranstaltung nicht eingeladen. Man habe befürchtet, erklärte Organisator Ahmad, dass sonst andere Parteien abgesagt hätten. Zudem fahre die AfD einen „radikalen Kurs“ gegen den Verband AMJ. So habe man sich gegen eine Einladung entschieden, trotz des Verband-Mottos: „Liebe für alle, Hass für keinen“.
Vor der Diskussion zitierte der Imam Sheraz Ahmad Rana eine Stelle aus dem Koran, die er im Anschluss ins Deutsche übersetzte. Inhaltlich bezog sich die Passage unter anderem auf die Verpflichtung von Muslimen, wohlüberlegt die Treuhandschaft denjenigen zu übergeben, die dieser würdig sind. Am Ende leitete der Imam ein stilles Gebet, das mit dem Wort „Amen“ beendet wurde.
Die Veranstaltung in Heinersdorf war nicht die einzige ihrer Art: AMJ habe deutschlandweit Politiker in Moscheegemeinden geladen, sagte Faraz Ahmad. Das Ziel sei eine hundertprozentige Wahlbeteiligung der Wahlberechtigten. Eigenen Angaben zufolge hat AMJ 50.000 Mitglieder und ist somit einer der größten Verbände organisierter Musliminnen und Muslime in Deutschland. Die Pankower Khadija-Moschee wurde 2008 eröffnet und war damit die erste Moschee im Berliner Osten.
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