
© Katharina Kalinke
Mehrere Hundert Menschen am Brandenburger Tor: Jugendorganisationen protestieren in Berlin gegen den Merz-Gesetzentwurf
Die Union möchte schärfere Migrationsgesetze durchbringen – auch mit Stimmen der AfD. Jusos, Grüne Jugend und zivilgesellschaftliche Organisationen demonstrieren am Vorabend.
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Mehrere Hundert Menschen haben sich am Dienstagabend vor dem Brandenburger Tor in Berlin versammelt. Die Veranstalter sprachen von 800 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Eine Tagesspiegel-Reporterin schätzte die Zahl auf rund die Hälfte. Die Polizei zählte 240 Demonstrantinnen und Demonstranten, wie ein Sprecher nach Demo-Ende dem Tagesspiegel sagte. Laut Polizei gab es zunächst keine Zwischenfälle.
Zu der spontanen Kundgebung ab 19 Uhr auf dem Pariser Platz hatte ein Bündnis aus „Zusammen gegen rechts“, #wirsinddiebrandmauer, Jusos, Grüne Jugend, Linksjugend und weiteren Organisationen aufgerufen. Unter dem Motto „Keine Zusammenarbeit mit Faschisten – Demokratie retten“ protestierten sie gegen die geplante Abstimmung von Anträgen der Union für eine scharfe Migrationspolitik.

© Katharina Kalinke
„Unser Bündnis hat sich heute spontan zusammengetan“, sagte Leonard Wolf, Sprecher des Juso-Bundesvorsitzenden und des Bundesvorstandes, „wir jungen Menschen wollen zeigen, dass wir für die Demokratie einstehen.“
„Wir sind die Brandmauer“
Die Protestierenden appellierten an CDU und FDP, sich auf ihre demokratischen Grundwerte zu besinnen, und – ebenso wie SPD, Grüne und Linke – sich „nicht von den Rechten treiben zu lassen“.
„Wir sehen einen Rechtsruck, der sich durch fast alle Parteien zieht, auch durch Parteien der Mitte“, sagte Limes Schäfer, Mitglied des Linksjugend-Bundesvorstands.
Nur drei Parteien stünden fest auf demokratischen Grundpfeilern, hieß es vonseiten dem Bündnis „Zusammen gegen rechts“. Zwischen Redebeiträgen skandierte die Menge: „Wir sind die Brandmauer“.
Die Stimmung war gut: Die Indie-Rock-Band Madsen spielte Stücke wie „Du schriebst Geschichte“ und „Faust hoch“, auch Sängerin Faravaz und Mondmann performten auf der Bühne. Fridays for Future hielt auf der Kundgebung ebenfalls eine Rede.
Junge Menschen blicken mit Sorge in die Zukunft
„Wir sehen, dass die Brandmauer einreißt, das bereitet uns Sorge“, sagte Carolin Moser, 18 Jahre. Sie und ihre Mitstreiter absolvieren gerade ein Freiwilliges Soziales Jahr. „Auch wenn CDU und AfD inhaltliche Überschneidungen haben, ist das ein Dammbruch.“
„Mir bereitet Sorge, dass der Antrag reelle Chancen hat, durchzugehen“, sagte der 18-jährige Linus Bering.
„Ich bin beeindruckt, wie schnell der Faschismus voranschreitet“, sagte Tim Meißner, 19 Jahre alt. „Ich dachte, frühestens zur nächsten Wahl 2027 – und auf einmal ist es heute schon so weit.“ Er fügte hinzu: „Faschismus macht keinen Sinn, ich dachte, das sollte Common Sense sein.“
„Ein Angriff auf unser Grundrecht auf Asyl“
„Ich bin überwältigt, wie viele Menschen gekommen sind“, sagte Magdalena Hess von „Zusammen gegen rechts“. Besonders zufrieden sei Hess über die „Verbindung von Parlament und Straße, um klar zu zeigen, dass es auch Parteien gibt, die sich gegen rechts positionieren.“ Bis letzte Woche habe sie noch geglaubt, dass Merz ein Demokrat sei, und ein Gesetzentwurf, wie ihn die CDU vorgelegt hat, außerhalb der demokratischen Grenzen liege.
Der Antrag sei „unglaublich symptomatisch“ für die aktuelle politische Situation, sagte Hess, „das ist ein Angriff auf unser Grundrecht auf Asyl, das als Lehre aus dem Nationalsozialismus entstanden ist“.
„Wahlkampfgetöse in den Hintergrund getreten“
„Ich glaube, viele Leute haben erst heute verstanden, dass die CDU mit Faschisten paktieren möchte“, sagte Jakob Blasel, Bundesvorstand der Grünen Jugend. Umso wichtiger sei nun ein klares Bekenntnis der demokratischen Mehrheitsgesellschaft.
Nur wenige Stunden vor der Kundgebung sei die Idee einer gemeinschaftlichen Demonstration entstanden, hieß es. Entsprechend improvisiert waren Lautsprecher und Bühne. „Das Wahlkampfgetöse ist diese Woche in den Hintergrund getreten“, sagte Blasel, „wichtiger sind heute die Zusammenarbeit und unser klares Bekenntnis gegen rechts.“
Der junge Grüne meinte, dass auch in Merz’ Partei viele Mitglieder an ihren politischen Werten festhielten. „Wenn dieses Theater vorbei ist, muss es wieder um gemeinsame Lösungen für reale Probleme gehen“, sagte Blasel. Deshalb hoffe er, dass die CDU zurückrudere.
Aufruf zu weiteren Demo im Februar
Die Organisation „Wir sind die Brandmauer“ ruft für den 16. Februar zu einer weiteren Demonstration auf.
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Der Kanzlerkandidat der Union, Friedrich Merz (CDU), hatte angekündigt, einen Gesetzesentwurf zur Verschärfung der Migrationspolitik in den Bundestag einzubringen. Am Mittwoch soll darüber abgestimmt werden. Notfalls will Merz nach eigenen Angaben das Vorhaben auch mit Stimmen der AfD durchbringen. Dafür erntete der CDU-Vorsitzende viel Kritik und trat eine Brandmauer-Diskussion los.
Die Pläne der Union würden ein faktisches Einreiseverbot für die meisten Geflüchteten bedeuten. Der Vorschlag wurde kritisiert, gegen die Verfassung und Europarecht zu verstoßen. SPD und Grüne lehnen die Vorschläge bislang ab. Damit wäre die Union auf Stimmen der FDP, AfD sowie einzelner Abgeordnete des BSW oder einiger fraktionsloser Parlamentarier:innen angewiesen.
Am vergangenen Samstag hatten Zehntausende Menschen am Brandenburger Tor in Berlin gegen einen Rechtsruck und für die Demokratie demonstriert. Das „Lichtermeer“ richtete sich gegen ein Erstarken der AfD und anderer rechter Parteien in Europa, gegen die Politik von US-Präsident Donald Trump und den Einfluss des Tech-Milliardärs Elon Musk. Die Polizei sprach von bis zu 35.000 Menschen, die Veranstalter schätzten die Menge auf 100.000 Teilnehmer. (mit dpa)
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