
© Marco Porzig/TNN/dpa
Nach Nowitschok-Alarm in Berlin : Polizei sieht keinen Verdacht auf versuchtes Tötungsdelikt
Die Behörden gingen von einem Giftanschlag aus, die Mutter eines russischen Oppositionellen kam auf eine Sonderisolierstation. Nun gibt es Entwarnung.
Stand:
Auf die Mutter des russischen Oppositionellen Wladimir Kara-Mursa ist wohl doch kein Giftanschlag verübt worden. „Der Anfangsverdacht eines Tötungsdelikts hat sich nicht bestätigt“, erklärte die Berliner Polizei am Donnerstagnachmittag.
Die Polizei war bis dahin dem Verdacht auf Vergiftung mit dem Nervengift Nowitschok nachgegangen. Die Frau hatte sich am Dienstag in ärztliche Behandlung begeben. Denn an ihrer Türklinke soll sich eine Flüssigkeit befunden haben. Nachdem sie sie berührt hatte, wurde ihr übel. Schließlich kam sie auf die Sonderisolierstation der Charité.
Dort wird die Frau trotz der Entwarnung weiter behandelt. „Die Diagnostik in der Charité läuft weiter“, teilte die Polizei mit. Die mit dem Gesundheitsamt des Bezirks Mitte, mit der Feuerwehr, der Bundeswehr, der Charité und dem Robert-Koch-Institut „getroffenen Maßnahmen haben ineinandergegriffen und funktioniert“.
Bei Sergej Skripal war das Gift auf einer Türklinke
Der Nowitschok-Verdacht ergab sich aus zwei Gründen. Kara-Mursa selbst überlebte vor einigen Jahren in Russland zwei Giftanschläge. Und im britischen Salisbury waren 2018 der ehemalige russische Spion Sergej Skripal und seine Tochter mit Nowitschok vergiftet worden. Die mutmaßlichen Täter, die später als Mitarbeiter des Militärgeheimdienstes GRU identifiziert wurden, hatten das Nervengift offenbar auf die Türklinke von Skripals Haus aufgetragen.
Kara-Mursa Mutter hat die deutsche und russische Staatsbürgerschaft, sie lebt seit Jahren in Berlin und gehört laut Polizei zum „gefährdeten Personenkreis“. Das Ergebnis eines ersten Blut-Schnelltests vom Dienstag war nach Tagesspiegel-Informationen aus Sicherheitskreisen bereits negativ. Später sind an der Charité weitere Proben entnommen worden, es erfolgten weitere umfangreiche Blutanalysen – mithilfe der Bundeswehr.
Die Proben wurden nach Tagesspiegel-Informationen nach München geschickt. Die Bundeswehr betreibt dort ein Institut für Pharmakologie und Toxikologie. In dem streng gesicherten Labor arbeiten Spezialisten für chemische Kampfstoffe und Gifte. Sie hatten schon 2020 nachgewiesen, dass der russische Oppositionelle Alexej Nawalny mit dem Nervengift Nowitschok vergiftet worden war.
Nawalny war damals in die Berliner Charité verlegt und dort für mehrere Wochen behandelt worden. Nach seiner Rückkehr nach Russland im Januar 2021 wurde er festgenommen und in mehreren Prozessen zu insgesamt 19 Jahren Aufenthalt in einem Straflager verurteilt. Im Februar 2024 starb der zu dem Zeitpunkt 47-Jährige unerwartet in einem sibirischen Straflager. Von verschiedener Seite aus wurde der Verdacht geäußert, dass Nawalny ermordet worden sei.
Kara-Mursa wurde 2015 und 2017 Opfer eines Giftanschlags
Auch die Mutter von Kara-Mursa dürfte sich der Gefahr für ihren Sohn bewusst sein. Er ist einer der bekanntesten russischen Oppositionellen. Im April 2022 war er in Moskau festgenommen und später wegen Hochverrats zu einer langen Haftstrafe verurteilt worden. Vor vier Monaten kam er im Rahmen eines großen Gefangenenaustausches frei. Nach seiner Freilassung reiste er aber nicht sofort in die USA, wo seine Familie lebt, sondern nach Deutschland.
Im Gegenzug für die Freilassung von Kara-Mursa und weiterer russischer Oppositioneller ließ Deutschland den sogenannten Tiergartenmörder frei, der 2019 als Mitglied einer Eliteeinheit des russischen Geheimdienstes in Berlin einen tschetschenisch stämmigen Georgier erschossen hatte.
Kara-Mursa wurde zweimal – 2015 und 2017 – selbst Opfer eines Giftanschlags in Russland und überlebte nur knapp. Mit welcher Substanz er vergiftet worden war, wurde nie bekannt. Es könnte sich allerdings um ein Nervengift gehandelt haben. In den vergangenen Jahren gab es auch außerhalb Russlands mehrere Fälle, in denen Oppositionelle über Symptome klagten, die durch eine Vergiftung hervorgerufen worden sein könnten.
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