
© Steve Marais
Neuer, queerer Podcast aus Berlin : Warum die Welt mal wieder die LGBTQIA+ Community hasst
Dragqueen Barbie Breakout und Moderator Simon Dömer kennen sich nur flüchtig. Ab Donnerstag startet trotzdem ihr neuer, gemeinsamer Podcast.
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Pünktlich zur Berliner „Pride-Woche“, die mit dem Lesbisch-Schwulen Stadtfest rund um die Motzstraße am 19. und 20. Juli beginnt und mit dem „Christopher Street Day“ am 26. Juli ihren Höhepunkt findet, startet am kommenden Donnerstag ein neues Podcast-Format. „Doppelmaushälfte“ soll das heißen und „alle Themen um LGBTIQA+“ behandeln – wie es in der Pressemitteilung heißt.
Dahinter stecken die Dragqueen Barbie Breakout, nicht zuletzt als deutsche Gastgeberin der Sendung „Drag Race Germany“ bekannt, und der Radiomoderator Simon Dömer. Letzterer ist einer breiteren Öffentlichkeit vielleicht als Co-Host des Erfolgspodcasts „Zum Scheitern verurteilt“ ein Begriff.
Die beiden kennen sich bisher nur flüchtig, wie sie in einem kurzen Gespräch erzählen – und dieser Umstand sei Teil des Konzepts. „Das soll zwar kein Kennenlern-Podcast werden, aber es war auch die Idee, dass wir uns mit unseren unterschiedlichen Erfahrungen gewissen Themen nähern“, sagt Dömer.
Sie seien sich irgendwann gegenseitig bei Instagram gefolgt und hätten sich daraufhin immer mal wieder auf Veranstaltungen getroffen. Ende vergangenen Jahres sei bei Dömer dann die Idee gereift, einen Podcast zu starten, in dem es um queere Themen geht: „Ich habe dann meine Fühler ein bisschen Richtung Barbie ausgestreckt, weil sie eigentlich die einzige Person ist, die ich mir dafür als Partnerin vorstellen konnte.“
Gesellschaftskritischer Anspruch ohne Zeigefinger
Breakout wäre für die Idee offen gewesen, sagt sie, obwohl es eigentlich nicht ganz oben auf ihrer Liste stand, einen weiteren Podcast zu machen. „In der Zwischenzeit sind nun aber mal Dinge in der Welt passiert, der Ton gegenüber queeren Menschen ist schärfer geworden. Dieses Podcast-Projekt anzugehen, schien immer wichtiger zu werden.“ Gesagt, getan.
Wichtig ist den beiden, dass es sich hierbei um einen „ganz normalen Laber-Podcast“ handelt. Sprich, ein Gesprächsformat zwischen zwei Menschen, in dem es auch lustig, oberflächlich, schlüpfrig zugehen kann. Breakout und Dömer wollen niemanden belehren oder bekehren, sondern lieber aus der Unterhaltung heraus Standpunkte oder Perspektiven aufzeigen.
Dass dabei ein gewisser gesellschaftskritischer Anspruch nicht zu kurz kommt, versteht sich von selbst. Breakout ist auch für ihre teils provokanten aktivistischen Aktionen bekannt. 2013 ging etwa ein Video von ihr viral, in dem sie sich aus Protest gegen Homophobie in Russland den Mund zunähte.
Auch war es ein einschneidendes Erlebnis von Dömer, das ihn letztendlich auf die Idee des Podcasts brachte: Als er im vergangenen Jahr den CSD in Oranienburg besuchte, sei er etwas zu spät angekommen und habe sich plötzlich inmitten einer rechtsextremen Gegendemonstration befunden. „Die Erfahrung in Oranienburg war ein Aufwachen für mich“, sagt er. „Ich habe gemerkt, dass meine Berliner Perspektive auf die Sache sehr privilegiert ist und dass es auch heutzutage nicht ungefährlich ist, offen queer zu leben.“
Der Podcast „Doppelmaushälfte“ soll also auch dazu da sein, queeren Menschen, die vielleicht niemanden zum Sprechen haben, den Rücken zu stärken und ein Gefühl der Hoffnung zu vermitteln, dass das Leben trotz aller Rückschritte weitergeht.
Jedes Jahr wird über die Frage diskutiert, wer eigentlich zur Community dazugehört und ab welchem Buchstaben in der Reihe LGBTQIA+ es uns zu viel wird.
Barbie Breakout, Dragqueen und Aktivistin
Das funktioniere auch deshalb, weil die beiden recht unterschiedlich seien, erklärt er: „Im Sinne des Namens bin ich eher die graue, während Barbie eher die Partymaus ist – Barbie als nichtbinäre Person, als Dragqueen, steht viel mehr auf dem Präsentierteller, während ich vielleicht nicht direkt als schwuler Mann auffalle.“
Breakout ergänzt: „Ich bin 47 Jahre alt und damit fast zehn Jahre älter als Simon. Ich war ab meinem 13. Lebensjahr für Jahrzehnte Teil des Nachtlebens – bis ich irgendwann die Reißleine gezogen habe. Simon hingegen ist mittendrin. Er ist noch dabei, seine queere Identität kennenzulernen.“
Aus ihrer Erfahrung heraus sind die zu beobachtenden Rückschritte nicht wirklich überraschend – so schrecklich sie sind. „Ich bin damit groß geworden, dass eine offene Gesellschaft nicht selbstverständlich ist. Deswegen gehöre ich auch zu den Leuten, die seit Jahren davor warnen, wohin die Reise geht. Das wurde oft weggelacht oder als alarmistisch abgetan.“
Warum gibt es den CSD noch mal?
Gleichzeitig kritisiert Breakout auch die Diskussionen, die in der Community Jahr für Jahr stattfinden – Diskussionen, die es eigentlich seit den sogenannten Stonewall-Protesten 1969 gibt. Damals führte eine Polizeirazzia im Stonewall Inn, einer Bar in New York City, zu einer Reihe spontaner Demonstrationen, die als Wendepunkt in der Geschichte der LGBTQAI+-Bürgerrechtsbewegung gilt und zur Entstehung des Christopher Street Day führte.
Maßgeblich an den Protesten beteiligt waren auch trans Personen, die im Folgenden dennoch aus Organisationen ausgeschlossen wurden, weil man sich so bessere Chancen auf Antidiskriminierungsgesetze erhoffte. Unter anderem Martha P. Johnson oder Sylvia Rivera sind Namen, die erst Jahre später als wichtige Beteiligte an Stonewall gewürdigt wurden.
Breakout fasst das ihr leidige Thema so zusammen: „Jedes Jahr wird über Respektabilitätspolitik diskutiert, sprich die Frage, wer eigentlich zur Community dazugehört und ab welchem Buchstaben in der Reihe LGBTQIA+ es uns zu viel wird.“
Ein bisschen politische Bildung kann also nicht schaden – aber nicht ohne dabei den Spaß zu vergessen. Das sei übrigens auch der Grund für den Namen: „Doppelmaushälfte“ verspreche nichts, was die beiden nicht halten könnten, und impliziere einen „Safer Space“, in dem alle willkommen seien.
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