zum Hauptinhalt
Die Friedrich-Bergius-Schule in Berlin-Friedenau hat schon länger Probleme mit aggressiven Jugendlichen.

© Saara von Alten

Update

„Mit Messern, Baseballschlägern und Schlagringen bewaffnet“: Schüler der Bergius-Schule muss vor Angreifern in Supermarkt flüchten

Neuer Vorfall an der Friedenauer Sekundarschule: Jugendliche sollen einen Siebtklässler „gejagt“ haben, die Polizei schickte eine Hundertschaft. Nun werden Sicherheitsmaßnahmen verschärft.

An der von Gewaltvorfällen und Bedrohungen geplagten Friedrich-Bergius-Schule in Berlin-Friedenau ist es am Mittwoch zu einer erneuten Eskalation gekommen. Ein Siebtklässler habe in einen Supermarkt flüchten müssen, weil er von Jugendlichen mit Messern, Baseballschlägern und Schlagringen „gejagt“ worden sei, heißt es in einem Schreiben der Schule, das dem Tagesspiegel vorliegt. Bei der Verfolgung sei auch gerufen worden: „Wir stechen dich ab“, berichtete ein Elternteil.

Der Jagd auf den Siebtklässler vorausgegangen sei zur Unterrichtszeit eine „Bedrohungslage“ gegen einen Neuntklässler – nach Tagesspiegel-Informationen ein Verwandter des später bedrohten Siebtklässlers. Die Schulleitung habe in dieser Situation die Polizei gerufen, „die zunächst nur mit vier Einsatzkräften erschien und letztlich Verstärkung benötigte“, heißt es im Schreiben der Schule.

Zunächst hielten sich laut Polizei etwa zehn schulfremde Personen vor der Schule auf, als die Polizei mit wenigen Beamten eintraf, verließen sie den Ort. Später wurden es immer mehr schulfremde Personen. Die Gruppe habe den Neuntklässler sowie dessen Freunde nach Schulschluss verbal angegangen, die Beamten mussten dazwischen gehen.

Dutzende Jugendliche rotteten sich zusammen

Die Polizei sei dann mit einer Hundertschaft angerückt, weil die vier zuvor erschienenen Beamten nicht ausgereicht hätten, sagte ein Polizeisprecher. Er sprach von 80 bis 120 an der Auseinandersetzung beteiligten Personen und Schaulustigen. Nach einer Aussprache habe die Polizei die rivalisierenden Gruppen in unterschiedliche Richtungen davongeschickt.

Im Schreiben der Schulleitung hieß es, dass sich „circa 90 überwiegend männliche Jugendliche im Umkreis der Schule zusammengerottet haben“. Am Donnerstag bestätigte die Schulleitung: Etwa 50 bis 90 Schüler einer anderen Schule seien gekommen, um einen Bergius-Schüler zu bedrohen.

Ein Mädchen habe behauptet, der Neuntklässler habe sie am Dienstag geschlagen. Daraufhin habe ein Schüler der anderen Schule – nach Tagesspiegel-Informationen der Freund des Mädchens – gedroht, den Jungen „abzustechen“. Der Freund des Mädchens soll auch die anderen Schüler mobilisiert haben.

Als sich nach dem Polizeieinsatz die Lage zunächst beruhigt hatte, wurden Hilfeschreie aus dem Umfeld gemeldet. Die Polizei sprach von Schubsereien und verbalen Auseinandersetzungen. Der Neuntklässler, der am Dienstag das Mädchen angerempelt oder geschlagen haben soll, ist nach Tagesspiegel-Informationen von der Polizei nach Hause und in Sicherheit gebracht worden.

Daraufhin soll der Mob den mit dem Neuntklässler verwandten Siebtklässler ins Visier genommen haben. Wenige Minuten nach der Übergabe wurde die Polizei zu einem Supermarkt gerufen, der sich in der Nähe der Schule befindet. Der Siebtklässler soll sich dorthin geflüchtet haben, geschlagen und getreten worden sein.

Trotz der Schmerzen, die der Junge beklagte, habe er eine ärztliche Versorgung abgelehnt. Kurz darauf habe die Polizei einen 15 Jahre alten Tatverdächtigen festgenommen. Nachdem keine Waffen bei ihm gefunden wurden, wurde er wenig später wieder entlassen.

Für uns ist neu, dass fremde Schulen, gewaltbereite Schulen hierherkommen und unsere Schüler bedrohen.

Andrea Mehrländer, Schulleiterin

Im Umfeld der Schule hat das Lehrpersonal nach Angaben der Polizei in einem Gebüsch einen Schlagring gefunden. Weitere Waffen seien nicht gefunden worden. Die konkrete Anzahl der Verfolger war der Polizei am Donnerstagmorgen ebenso wie die Schule, von der sie stammen sollen, noch nicht bekannt. Jetzt wird ermittelt – zunächst wegen gefährlicher Körperverletzung und Verstoßes gegen das Waffengesetz.

Aus dem Schreiben der Schule geht hervor, dass die „in großer Zahl“ aufgetretenen Verfolger des Siebtklässlers teilweise von einer „noch nicht ermittelten anderen Schule“ gekommen seien. „Für uns ist neu, dass fremde Schulen, gewaltbereite Schulen hierherkommen und unsere Schüler bedrohen“, sagte Schulleiterin Andrea Mehrländer dem Tagesspiegel am Donnerstag. „Unsere Schüler haben keine Waffen und das muss unbedingt erhalten bleiben.“

Seit November steht die Schule, die von vielen Kindern und Jugendlichen aus Neukölln besucht wird, im Fokus der Politik. Grund war ein Brandbrief des Lehrerkollegiums, berichtet wurde von täglicher Gewalt und Bedrohung durch Schüler. Es vergehe „kein Tag ohne verbale Beleidigungen und Bedrohungen von Lehrkräften durch SchülerInnen“. Zudem gebe es massives Mobbing unter der Schülerschaft, zunehmende Beschwerden von Anwohnern und Hausverbote durch einen Supermarkt. 

Der Fahrer eines Lieferwagens, der am Mittwoch vor Ort war, berichtete sogar von 200 Jugendlichen bei der Auseinandersetzung in der Isoldestraße. „Die Jugendlichen haben die Polizei nur ausgelacht“, sagte er. Sein Lieferdienst meide aus Eigenschutz den Ort. Eine Geschäftsbetreiberin sagte, es sei „wie im Film“ gewesen.

Nach dem Vorfall am Mittwoch ging die Schulleitung davon aus, dass der Konflikt noch nicht ausgetragen ist, und befürchtet daher weitere Auseinandersetzungen am Donnerstag. Zwei Mädchen aus der achten Klasse berichteten: Ein paar Schüler seien am Donnerstag zu Hause geblieben, „weil sie Angst hatten oder ihre Eltern Angst hatten, auch eine Freundin von uns.“

Klar gibt es immer kleine Schlägereien auf dem Schulhof, aber es ist noch nie passiert, dass es so eskaliert ist.

Achtklässlerin der Bergius-Schule

Eine andere Freundin sei bei der Auseinandersetzung dabei gewesen. „Sie hat erzählt, dass die Jungs Taser und Pfefferspray dabeihatten, aber die sind nicht zum Einsatz gekommen.“ Sie hielten sich „von solchen Sachen“ fern und hätten daher keine Angst. „Aber sowas wie gestern ist noch nie passiert. Klar gibt es immer kleine Schlägereien auf dem Schulhof, aber es ist noch nie passiert, dass es so eskaliert ist.“

Die „Operative Gruppe Jugendkriminalität“ ist im Einsatz

In ihrem Schreiben bat die Schulleitung „das gesamte Kollegium um besondere Aufmerksamkeit“. Die Eingänge sollen demnach schärfer als sonst bewacht und die Pausenaufsichten akribisch geführt werden. Die Lehrkräfte werden in dem Schreiben zudem gebeten, „verdächtige schulfremde Personen“ zu melden. Im Übrigen seien die „Operative Gruppe Jugendkriminalität“ der Polizei, der zuständige Polizeiabschnitt 42 und der Präventionsbeauftragte informiert.

Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch hält einen Wachschutz an der Bergius-Schule für sinnvoll. Sie habe wegen des Vorfalls am Vormittag mit der Schulleitung telefoniert, sagte die CDU-Politikerin bei einer Sitzung im Abgeordnetenhaus.

„Ich kann Ihnen nur sagen, dass ich heute abermals das Angebot eines Wachschutzes erneuert habe“, erläuterte Günther-Wünsch. „Auch das ist mir vorhin am Telefon wieder abgelehnt worden.“

Am Donnerstagmorgen bis 9.35 Uhr war die Polizei mit einem Streifenwagen vor der Schule präsent, nach mehr als zwei Stunden um 11.50 Uhr kam dann wieder ein Streifenwagen vorbei. Zudem waren Zivilbeamte unterwegs. Die Einsatzkräfte sollten Auseinandersetzungen verhindern und gegebenenfalls Verstärkung anfordern, sagte ein Polizeisprecher.

Der benachbarte Supermarkt will sich schützen

Auch eine präzise Anwesenheitskontrolle sollte helfen zu verhindern, dass Schülerinnen und Schüler den Unterricht eigenmächtig verlassen. Zudem sollten die Abwesenheitszeiten akribisch notiert werden, damit alles unter Kontrolle bleibt.

Am Donnerstagmorgen waren nach Tagesspiegel-Informationen die Schulaufsicht, der schulpsychologische Dienst, der Bezirksstadtrat für Bildung in Tempelhof-Schöneberg, Tobias Dollase (parteilos, für CDU), wie auch der Leiter de bezirklichen Schulamtes vor Ort, um mit der Schulleitung zu sprechen. Jetzt gehe es erstmal darum, die Schüler aufzufangen und das Gemeinschaftsgefühl zu stärken, erklärte die Schulleitung.

Die Filialleitung des Supermarkts, in den der Siebtklässler am Mittwoch vor dem Mob flüchten musste, habe „zum Schutz der eigenen Mitarbeiter“ ab Donnerstagmorgen einen Wachdienst für den Eingangsbereich organisiert, heißt es in dem Schreiben der Schule.

Zwei Schülerinnen erzählten am Donnerstagmittag, dass sich die Jungs von der anderen Schule noch einmal angekündigt haben. Tatsächlich trafen sich am frühen Nachmittag etwa 30 Jugendliche vor der Schule. Sie gingen dann zum S-Bahnhof Bundesplatz, vereinzelt fielen Worte wie „die kommen gleich“ oder „es geht gleich los“. Die Polizei war mit mehreren Beamten im Einsatz, sie begleiteten die Jugendlichen. Nach einigen Minuten löste sich die Gruppe auf.

Die Schule stand in den vergangenen Monaten immer wieder im Fokus der Politik, zuletzt im Schulausschuss der Bezirksverordnetenversammlung. Der Bergius-Gesamtelternvertreter Andreas Thewalt hatte dabei der Schulaufsicht und dem Bezirksamt vorgeworfen, nicht genug zu tun, um der Schule nach dem Brandbrief des Lehrerkollegiums zu helfen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })