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Eskalation am Endpunkt: Polizeibeamte drängen Teilnehmende der Pro-Palästina-Demonstration auf dem Kottbusser Damm zurück.

© AFP/Ralf Hirschberger

Update

Tumulte bei Palästina-Demo in Berlin: Polizistin mit schweren Gesichtsverletzungen im Krankenhaus

Autonome und Anhänger eines Israel-Boykotts gehen am Sonntag in Kreuzberg auf die Straße. Am Ende eskaliert die Demonstration. Eine Polizistin wird schwer verletzt.

Stand:

Bei Demonstrationen zum ersten Jahrestag des Überfalls der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 sind am Sonntag in Berlin insgesamt 14 Polizisten verletzt worden, drei davon mussten ihren Dienst vorzeitig beenden. Das teilte die Polizei am Montag mit. Eine Polizistin sei angegriffen und dabei so schwer im Gesicht verletzt worden, dass sie zur stationären Behandlung in ein Krankenhaus eingeliefert wurde, hieß es. Insgesamt waren rund 600 Dienstkräfte im Einsatz.

Insgesamt sei es im Verlauf der unterschiedlichen Versammlungen zu 39 freiheitsbeschränkenden oder freiheitsentziehenden Maßnahmen gekommen. Laut Polizei wurden 32 Strafanzeigen, unter anderem wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs, der gefährlichen Körperverletzung, der Beleidigung, des Widerstands und des tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte sowie des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen gefertigt.

Eskalation bei Demo-Ende in Kreuzberg

Eine propalästinensische Demonstration mit etwa 3500 Teilnehmenden war am Abend an ihrem Ziel in Kreuzberg eskaliert. Als der Protestzug an seinem zuvor festgelegten Endpunkt – Kottbusser Damm, Höhe Lenaustraße – ankam, blockierte die Polizei mit Autos und Einsatzkräften die Straße.

Vielen Demonstrierenden schien nicht bewusst zu sein, dass dies der vereinbarte Endpunkt war: In den vorderen Reihen wurde „Ganz Berlin hasst die Polizei“ skandiert. Zwischen Beamten und einzelnen Demonstrierenden kam es zu einem Handgemenge an der Polizeikette. In der Folge flogen Steine, Flaschen und Feuerwerkskörper in Richtung der Beamten.

Die Polizei setzte Pfefferspray ein. „Flächendeckende und fortlaufende Straftaten“ hätten auf der Demo zu einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung geführt, ließ die Einsatzleitung per Lautsprecher durchsagen – und erklärte die Versammlung um 18.18 Uhr für beendet. Die Tumulte dauerten auch danach noch an, immer wieder kam es zu Festnahmen. Laut Angaben der Polizei vom Montag sollen Teilnehmer der Demonstration auch versucht haben, Journalisten bei ihrer Arbeit zu behindern.

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Ein Rollstuhlfahrer hängte sich an ein Polizeifahrzeug und ließ sich dann vor diesem fallen. Als Polizeikräfte den Mann hochheben und wegtragen wollten, griff er diese tätlich an.

Organisatoren werfen Polizei Rassismus vor

Eigentlich hätte die Demonstration mit dem Titel „Demo gegen Genozid in Gaza“ zur arabisch geprägten Sonnenallee in Neukölln führen sollen. Doch im Rahmen eines Kooperationsgespräches mit dem Anmelder sei vereinbart worden, den Protestzug in Höhe der Lenaustraße enden zu lassen, sagte die Polizei.

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Die Organisatoren warfen der Polizei deshalb vor, die Einwohner der Sonnenallee rassistisch zu diskriminieren. Vor der Sonnenallee stellte die Polizei am Abend einen Wasserwerfer bereit. Eine Stunde nach Auflösung der Demonstration durch die Polizei hatte sich die Lage beruhigt.

Linksradikale Szene mobilisiert zum Palästina-Protest

1000 Menschen wurden zu dem Protest erwartet, tatsächlich waren weit mehr gekommen. Dem Aufruf zufolge wollten vor allem Autonome und Anarchisten für Palästina auf die Straße gehen.

Die linksradikale Szene in Berlin ist in Sachen Nahostkonflikt uneins: Erst am Samstag protestierten Antifa-Gruppen gegen die „antisemitische Internationale“.

Bei der Demonstration am Sonntag wurde das Massaker der Hamas, das sich am Montag jährt, bereits im Aufruf relativiert: „It startet long before October 7th“, heißt es im Motto der Versammlung.

Um kurz nach 14 Uhr hatten sich bereits Hunderte Personen an der Südseite des Kottbusser Tors versammelt. Viele Demonstrierende trugen Kufiyas, die kommunistische DKP war vertreten, auch Transparente der Partei Mera25 waren zu sehen. Letztere war an der Organisation des von der Polizei aufgelösten „Palästina-Kongresses“ beteiligt.

Start am Kottbusser Tor: Die Pro-Palästina-Demo durch Kreuzberg und Neukölln ist am Sonntag Schwerpunkt des Polizeieinsatzes.

© Dominik Lenze

Palästina-Flaggen waren auch in großer Zahl zu finden.

Teilnehmende bedrängen Journalisten

Bereits kurz nach Beginn der Kundgebung kam es laut Polizei während eines Interviews mit einer Polizeisprecherin zu Störungen, Bedrängungen und verbalen Angriffen gegenüber mehreren Medienvertretenden seitens der Veranstaltungsteilnehmer. Die Polizei habe dies durch Schieben und Drücken unterbunden, hieß es.

Im weiteren Verlauf des Aufzugs sei es wiederholt zu Verstößen gegen das Vereinsgesetz sowie zum Zeigen verfassungswidriger Symbole gekommen.

Kein Wort zum Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023

Auf dem Lautsprecherwagen lief arabischsprachiger Rap. Auf dem Wagen war auch der Aktivist Ramsy Kilani. Kilani war beispielsweise an dem Protestkonzert „Beats against Genocide“ beteiligt. Das Konzert mündete in Ausschreitungen gegen die Polizei.

Bevor die Demonstrierenden losliefen, heizte Aktivist Kilani die Menge an. „Wir feiern die Gegenwehr“, sagte er. „Die zionistischen Demos für Israel“, gemeint sind die Demos gegen Antisemitismus in den vergangenen Tagen, seien schlecht besucht gewesen. Das Pogrom der Hamas vom 7. Oktober 2023 spielte keine Rolle.

Ebenfalls dabei: die Gruppe „Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost“. Sie unterstützt unter anderem die Israel-Boykott-Kampagne BDS. Eine Vertreterin der Gruppe sprach auch auf der Friedensdemo am Donnerstag, kurz nach Sahra Wagenknecht.

Studierende fordern eine „neue Intifada“.

© Dominik Lenze

Eine Gruppe, nach eigener Angabe Studierende, forderte auf einem Transparent eine neue Intifada. Ein anderer Demo-Teilnehmer hielt in der vordersten Reihe vor dem Lautsprecherwagen die Flagge des Irans in die Höhe und rief „Free Palestine“.

Ein Demonstrant hält die Fahne des Irans hoch, der Israel auslöschen will.

© Dominik Lenze

Vom Kottbusser Tor bis zur Kottbusser Brücke waren die Demonstrierenden dicht gedrängt. Über den gesamten Protestzug hinweg wurde getrommelt, Parolen wie „Viva Palästina“ oder „Intifada Revolution“ wurden skandiert.

Kämpferische Menge: Eine propalästinensische Demonstration zieht am Sonntag über den Kottbusser Damm in Kreuzberg.

© AFP/Ralf Hirschberger

Zum Teil wurden auch bekannte linke Demo-Slogans abgewandelt: Aus „Alle zusammen gegen den Faschismus“ wird „Alle zusammen gegen Zionismus“. Ein Demo-Teilnehmer hielt ein Schild mit der Aufschrift „Antifada“ hoch. Auch der verbotene Spruch „From the River to the Sea“ war zu sehen.

Grenzen verschwimmen: Antifa und Intifada gehen auf diesem Schild Hand in Hand.

© Dominik Lenze

In der Mitte des Zuges wurde kurz Pyrotechnik gezündet. Gegen 16.45 Uhr entrollten laut Polizei zudem fünf Personen auf einer Dachterrasse an der Aufzugsstrecke eine etwa drei mal sechs Meter große palästinensische Fahne und zündeten mehrere pyrotechnische Gegenstände. Die Polizei konnte die Identität von drei der fünf Personen feststellen.

Ein Mann kletterte für einen Augenblick auf das Dach eines Polizeiautos. Kaum war er wieder unten, wurde er von Beamten abgeführt. „Shame on you“, rief die Menge den Polizisten hinterher. Wie die Polizei am Montag mitteilte, wies das Auto im Anschluss mehrere Beschädigungen auf.

Ein Redner kritisierte auf Englisch die in Berlin untersagte Parole „From the River to the Sea“. Er wolle sich von weißen Deutschen nicht sagen lassen, wo sich „sein Land“ befinde.

Ein Sprecher der Gruppe Migrantifa kritisierte Zurückweisungen an den deutschen Grenzen und Abschiebungen, Rassismus bei der Polizei, kam zuletzt aber wieder auf das Kernthema der Versammlung: den Krieg in Gaza, der aus Sicht der Demonstrierenden ein „Genozid“ ist.

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In anderen Beiträgen wurde auch die humanitäre Situation in Gaza kritisiert. Am Ende lief es jedoch immer wieder auf das altbekannte, israelfeindliche Freund-Feind-Schema hinaus: „Ihr könnt entweder für Apartheid einstehen oder für ein Ende Israels. Eine dritte Option gibt es nicht“, sagte ein Redner. Für die Rede gab es lauten Jubel und Applaus.

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500 Menschen bei Pro-Israel-Demo auf dem Bebelplatz

Auch zu einer proisraelischen Demonstration hatten sich zahlreiche Menschen versammelt. Am Brandenburger Tor breiteten sie eine große Israel-Flagge aus.

Vor dem Berliner Wahrzeichen zeugte am Sonntag eine große israelische Flagge von Solidarität mit dem israelischen Staat.

© imago/Future Image/IMAGO/Jean MW

Zu der Kundgebung mit dem Titel „Gemeinsam gegen das Verbrechen der Hamas an Israelis und Palästinensern. Für die Freilassung der Geiseln und das Ende der Hamas-Herrschaft in Gaza“ zogen laut Polizei etwa 500 Menschen zum Bebelplatz.

Dieser ist symbolisch wieder zum „Platz der Hamas-Geiseln“ geworden. Unter anderem erinnern dort leere Stühle an die Opfer der palästinensischen Terrororganisation.

„Platz der Hamas-Geiseln“: Eine Installation auf dem Bebelplatz erinnert zum Jahrestag des Angriffs wieder an die Opfer des Terrors in Israel.

© picture alliance/dpa/Sebastian Gollnow

Neben den Kundgebungen gab es in der Stadt bis zum Abend auch Gebete und Mahnwachen, beispielsweise vor der Kreuzberger Synagoge am Fraenkelufer. Die Versammlung unter dem Titel „Wir stehen an eurer Seite, Mahnwache zum Schutz jüdischen Lebens“ verlief laut Polizei störungsfrei mit in der Spitze rund 100 Teilnehmenden.

Bei einer Mahnwache am Paul-Löbe-Haus mit mehreren Dutzend Teilnehmenden kam es laut Polizei am Abend kurzzeitig zu einer vorab nicht kommunizierten Lichtprojektion. Da für die Projektionen keine Genehmigungen vorlagen, wurden diese von der Polizeiführung zunächst untersagt. Die Mahnwache sei abgesehen davon störungsfrei verlaufen.

Zu einer Pro-Palästina-Kundgebung am Samstag waren laut Polizei weit mehr als 1000 Demonstranten gekommen, angekündigt waren 300. Trotz vereinzelter Zusammenstöße sprach die Polizei in Zusammenhang mit dieser Demo von einem „weitestgehend störungsarmen“ Verlauf. Es gab 49 vorläufige Festnahmen. Eine israelische Touristin wurde aus der Menge heraus attackiert. (mit dpa)

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