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Alt und neu. Auf dem Breitscheidplatz verschwinden allmählich die Baugerüste an der Gedächtniskirche. Im Zoofenster-Hochhaus rechts ist das Waldorf-Astoria-Hotel eingezogen.

© Cay Dobberke

Stadtentwicklung in Charlottenburg-Wilmersdorf: Was ist am besten für den Westen?

Bei einer Podiumsdiskussion der Berliner CDU-Fraktion ging es um Perspektiven für die City West. Dort florieren Tourismus und Handel, und ein Bauprojekt jagt das nächste – doch die Teilnehmer sahen auch viele Probleme, darunter den Müll und zu wenig Kultur.

Die Berliner City West ist im Aufschwung, es muss aber nach Ansicht von Politikern, Stadtplanern und Immobilienexperten viel mehr dafür getan werden. Das zeigte am Mittwochabend eine Podiumsdiskussion der CDU-Abgeordnetenhausfraktion im Europa-Center. Städtebauliche Defizite rund um den Bahnhof Zoo kamen ebenso zur Sprache wie Müll auf den Straßen und die verbesserungswürdige Kooperation der Anrainer.

In der „Puro Sky Lounge“ in der 20. Etage hatten Besucher eine gute Gelegenheit, beim Blick aus den Fenstern die Aktivitäten von Investoren zu erkennen – vom Zoofenster mit dem Luxushotel Waldorf-Astoria über die Baustelle des nächsten Hochhauses „Upper West“ bis zum bald fertigen Projekt „Bikini Berlin“ mit dem Kino Zoo-Palast.

Die Umsätze in der westlichen Innenstadt sind gut

Die Gegend um den Kurfürstendamm und die Tauentzienstraße hole „ganz viel Geld in die Stadt“, rechnete AG-City-Vorstandsmitglied Gottfried Kupsch vor. Rund 20 000 Menschen seien im Einzelhandel tätig, der jährliche Umsatz betrage etwa 1,5 Milliarden Euro und werde zu fast zwei Dritteln mit Touristen erzielt. Es sei möglich, die Umsätze in den nächsten Jahren zu verdoppeln. Für Florian Mausbach, den ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung, war das keine Überraschung:  Auch wenn sich nach der deutschen Einheit erst einmal „natürlich alle Blicke nach Osten“ in die Friedrichstraße und zum Alexanderplatz gerichtet hätten, sei die City West immer ein „lebendiges Zentrum“ geblieben. Jetzt komme „das alte Berlin mit seinen gewachsenen Strukturen wieder zum Vorschein“.

Das kulturelle Angebot am Ku'damm ist zu klein

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hatte neulich bemängelt, es gebe zu wenige Lokale am Ku’damm. Das sah Stefan Evers, stadtentwicklungspolitischer Sprecher und Vize-Vorsitzender der CDU-Fraktion, nicht so. Aber: „Das kulturelle Angebot ist zurückgegangen“, etwa durch das Kinosterben. Auch die Zukunft des Theaters und der Komödie im Ku’damm-Karree scheine noch immer unsicher. Man müsse versuchen, das kulturelle Spektrum „wieder attraktiver und breiter“ zu machen.

Der Charlottenburg-Wilmersdorfer Vize-Bürgermeister und Bundestagskandidat Klaus-Dieter Gröhler (CDU) bedauerte, es gebe „weder politische noch baurechtliche“ Möglichkeiten, Café- oder Kinoschließungen zu verhindern. Immerhin sei es gelungen, den traditionsreichen und denkmalgeschützten Zoo-Palast durch einen Vertrag mit den Investoren zu retten.

Die mangelnde Sauberkeit bewege die Menschen mit am meisten, sagte Gröhler, das wisse er aus vielen Gesprächen. Um das Problem zu lösen, sei neben mehr BSR-Einsätzen ein allgemein gepflegteres Straßenbild notwendig. Denn wer zum Beispiel am Hardenbergplatz seine Imbissreste auf die Straße werfe, habe kein Unrechtsbewusstsein, da die Deutsche Bahn am Zoo „ihren Bahnhofsvorplatz vergammeln lässt“.

Der Boulevard soll wieder eleganter werden

Der Ku’damm und die Tauentzienstraße sollten „eleganter werden“, fand Ex-Bundesbauchef Mausbach. Alle Redner zeigten sich wenig angetan von den eintönigen Eibenbeeten auf dem neuen Mittelstreifen der Tauentzienstraße. Laut Gröhler hat der Bezirk kein Geld und zu wenig Personal für eine wechselnde Bepflanzung mit blühenden Blumen. Ein „Armutszeugnis“ seien auch die gar nicht mehr bepflanzten Blumenkübel auf dem Ku’damm.

In diesem Zusammenhang sprach der Moderator und Leitende Redakteur des Tagesspiegels, Gerd Nowakowski, die Gründung neuartiger Anrainer-Bündnisse an. Das Vorbild sind Städte wie New York und Hamburg, wo alle Immobilieneigentümer und Geschäftsleute zu Abgaben für die Aufwertung der Umgebung  verpflichtet werden können – nachdem sich die Mehrzahl von ihnen einverstanden erklärt hat. In Berlin setzt sich die CDU seit Jahren für diese Modelle ein, die „Business Improvement Districts (BID)“ oder „Innovationsbereiche“ heißen, und bereitet einen Gesetzesentwurf vor. Auch die Grünen haben einen Entwurf vorgestellt, der bei der AG City jedoch auf Skepsis stößt, weil er eine ökologische Verwendung der Mittel vorschreibt.

Anlieger am Wittenbergplatz zahlen für Sauberkeit

Gottfried Kupsch sprach sich klar für verpflichtende Abgabenmodelle aus: „Wir brauchen das ganz dringend und wissen, dass die Bereitschaft der Eigentümer da ist.“ Man könne nicht immer nur Geld vom Senat und den Steuerzahlern fordern. Im Übrigen gebe nicht nur Mehrkosten. Zum Beispiel sei gemeinsamer Sicherheitsdienst billiger als Wachleute für die einzelnen Läden.

Als Vorstufe erwähnte Kupsch das „Pilotprojekt für eine saubere City West“: Seit März zahlen Anlieger zwischen Wittenbergplatz und Uhlandstraße dafür, dass die BSR häufiger reinigt. Noch beteiligen sich aber nicht alle.

Typische „Trittbrettfahrer“ seien Filialisten, sagte Stefan Evers. Deren Firmenpolitik sehe meist kein regionales Engagement vor. Dennoch gebe es einen Weg, die Ketten einzubinden, wie er aus Gesprächen mit Filial-Managern wisse. Diese dürften den Abgaben zwar nicht zustimmen, seien aber auch nicht zur Ablehnung gezwungen und könnten sich der Stimme enthalten.

Baudenkmale verkommen, und Buden prägen den Breitscheidplatz

Umstrittener Budenzauber. Rund um die Gedächtniskirche läuft das Fest „Summer in the City“. Die Stände ganz rechts gehören zum Markt, den die Kirche selbst betreibt.
Umstrittener Budenzauber. Rund um die Gedächtniskirche läuft das Fest „Summer in the City“. Die Stände ganz rechts gehören zum Markt, den die Kirche selbst betreibt.

© Cay Dobberke

Das wichtigste Entwicklungsgebiet der City West liege am Bahnhof Zoo, betonten alle Redner. Für dessen nördliche Umgebung rund um die Hertzallee hatten Mausbach und der Architekt Jan Kleihues im Februar ein neues Quartiers mit sechs Hochhäusern, 800 Wohnungen und Büroflächen angeregt. Vize-Bürgermeister Gröhler widersprach Befürchtungen der Technischen Universität (TU), das Konzept gefährde deren Erweiterungspläne. Es bliebe Platz für beides, sagte Gröhler, „ich sehe keinen Konflikt“.

Dass keine Fortschritte in dieser Gegend erkennbar seien, liege „nicht am Bund“ als Eigentümer, sagte Mausbach. Erst müsse klar werden, was der Senat für möglich hält. Er vermisse große Diskussionen über die Stadtentwicklung, sagte Mausbach. Beim Hochhausbau gehe es um den Nutzen und weniger um Ästhetik. Anscheinend gebe es in Berlin aber eine „kleinbürgerliche Haltung“ mit einer „Angst vor der Metropolenentwicklung“.

Ein Runder Tisch soll die Probleme am Hardenbergplatz lösen

Evers sprach sich für einen „Runden Tisch“ aus, um den Masterplan des Senats für das Gebiet im Norden des Bahnhofs weiter zu entwickeln. Außerdem müsse dringend über den Hardenbergplatzes beraten werden. Dort ist der seit Jahren geplante Bau einer Tiefgarage noch immer nicht absehbar. Gröhler kritisierte, dass die rot-grüne BVV-Mehrheit in Charlottenburg-Wilmersdorf höchstens 300 Stellplätze erlauben will. Dies sei unwirtschaftlich und habe „Investoren verschreckt“.

Gröhler wandte sich gegen Bestrebungen, den Autoverkehr stärker aus der Innenstadt fernzuhalten; diese Tendenz zeige sich auch am Olivaer Platz, wo der Parkplatz einer Grünfläche weichen soll und die BVV eine Tiefgarage abgelehnt hat. Eine Unternehmerin aus dem Publikum stimmte ihm zu: Rund um den Olivaer Platz herrsche längst akuter Parkplatzmangel, sie sei deshalb von dort weggezogen.

Moderator Nowakowski fragte, warum in der City West anscheinend nur noch Wohnungen für Gutverdiener gebaut würden. Auch dies entlaste den Wohnungsmarkt, antwortete Gröhler, außerdem „kann man für eine Kaltmiete von 7,50 Euro keinen Neubau mehr errichten“ . Im Übrigen gebe es nördlich der Bismarckstraße und in Wilmersdorf preiswertere Wohngebiete.

Ärger über Buden auf dem Breitscheidplatz

Aus aktuellem Anlass war der Umgang mit Baudenkmalen ein Thema. Stefan Evers nannte sowohl die vom Abriss bedrohten Kant-Garagen in der Kantstraße als auch das sanierungsbedürftige Internationale Congress Centrum (ICC), dessen künftige Nutzung offen ist, „einzigartige Relikte“. Die Kant-Garagen habe der Eigentümer verkommen lassen; es sei „unverständlich, dass wir das hinnehmen und dann über den Schandfleck lamentieren“.

Ein Dorn im Auge war Teilnehmern des Abends auch das Bild, das sich ihnen nebenan auf dem Breitscheidplatz bot. Ein Gast ärgerte sich über die „Schießbudenarchitektur“ – gemeint waren die Buden des Festes „Summer in the City“ sowie die Souvenir- und Imbissstände des Markts an der Gedächtniskirche. AG-City-Vorstand Kupsch gab zu, dass „wir mit schuld daran sind“, denn der Verein ist Mitveranstalter des Sommerfestes. Dieses sei auch in der AG City umstritten und „kann nicht so bleiben“.

Das Gleiche gelte für den Markt, den die Gemeinde der Gedächtniskirche betreibt, stellte Gröhler klar: Der Bezirk habe die Buden nur bis zum Ende der Turmsanierung genehmigt. Wenn alle Gerüste gefallen sind, sei damit Schluss.

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