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„Es geht darum, die unerträgliche Brutalität zu beenden“: Das meint die Tagesspiegel-Community zu Macrons Anerkennung Palästinas
Der Vorstoß des französischen Präsidenten spaltet unsere Community: Während einige eine Zweistaatenlösung begrüßen, fürchten andere eine Stärkung der Hamas. Sollte Deutschland nachziehen?
Stand:
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will Palästina als Staat anerkennen und seinen Vorstoß im September vor der UN-Vollversammlung offiziell verkünden. Macron spricht von einem Einsatz für „einen gerechten und dauerhaften Frieden“ im Nahen Osten.
Während Israel und die USA empört reagieren und von einer Belohnung des Terrors sprechen, bleibt die Bundesregierung bislang zurückhaltend. Kritiker sehen Frankreichs Alleingang als Spaltung der EU – und als möglichen Schritt in eine weitere Isolation Deutschlands.
Ist die Anerkennung Palästinas ein längst überfälliger Schritt hin zu mehr Gerechtigkeit – oder ein riskantes politisches Signal zur falschen Zeit? Wie realistisch ist ein palästinensischer Staat unter den aktuellen Bedingungen? Und reicht Symbolpolitik, oder braucht es konkrete Konsequenzen, etwa ein Waffenembargo?
Die Meinungen gehen weit auseinander – und unterstreichen die politische Brisanz des Themas. Lesen Sie hier eine redaktionelle Auswahl von Stimmen aus der Tagesspiegel-Community.
2010ff
Ein großartiger Schritt von Macron. Außenpolitisch könnte das vielleicht sein größter Input werden für eine bessere Entwicklung in Palästina und die gesamte Region. Ich wünsche, dass Macron in anderen westeuropäischen Ländern einen Domino-Effekt auslöst – der Staat Palästina ist bereits von 147 Ländern der Erde anerkannt.
Es macht keinen Sinn, den ‚richtigen‘ Zeitpunkt abzuwarten
Tagesspiegel-Leser/in Antigone12
Antigone12
Ich gebe Macron recht, selbst wenn Kritiker meinen, dass durch die Anerkennung Palästinas Staatlichkeit die Hamas gestärkt würde. Die Hamas wird nie endgültig verschwinden, ebenso wie auch andere politische Extremisten niemals aufhören werden zu existieren.
Es macht also keinen Sinn, den „richtigen“ Zeitpunkt abzuwarten. Es geht vielmehr darum, die unerträgliche Brutalität gegenüber der Zivilbevölkerung zu beenden. Dafür ist jetzt der richtige Zeitpunkt.
Deutlicher wäre allerdings ein umfassendes Waffenembargo
Tagesspiegel-Leser/in Reflex
Reflex
Die Anerkennung Palästinas als Staat ist im Moment erst einmal nur ein symbolischer Akt. Natürlich weiß auch Macron, dass ein solcher Staat kaum über Mittel verfügt, die eigene Souveränität zu gewährleisten. Es dürfte ihm daher mehr um ein Stoppschild für Netanjahu gehen angesichts der katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen.
Deutlicher wäre allerdings eine temporäre Aussetzung des Assoziierungsabkommens der EU mit Israel und ein umfassendes Waffenembargo. Mittlerweile steht eine große Mehrheit der EU-Staaten in dieser Frage hinter Macron. Deutschland und Ungarn hingegen sind isoliert.
Menon
Frankreich isoliert Deutschland? Eher isoliert Deutschland sich selbst. Man kann die israelische Kriegsführung nur kritisieren, und man muss auf eine Lösung mit zwei Staaten setzen. Palästina allerdings ohne Hamas und Co. Dieser Staat muss aufgebaut werden. Macron greift mit seiner Anerkennung also in die Zukunft – aber auf dem richtigen Weg.
So leicht wie Macron können wir es uns nicht machen
Tagesspiegel-Leser/in Micky64
Micky64
Auf Deutschland liegt eine unabstreitbare historische, besondere Verantwortung gegenüber Israel. So leicht wie Macron/ Frankreich können wir es uns nicht machen.
Mir erscheint, dass antisemitische Reflexe immer noch verfangen
Tagesspiegel-Leser/in GGdowski
GGodowski
Der Antisemitismus war in der Zwischenkriegszeit in allen europäischen Ländern verbreitet. Die wenigsten europäischen Staaten sahen sich als Schutzmacht für Menschen jüdischen Glaubens. Mir erscheint das Ganze eher, dass antisemitische Reflexe immer noch verfangen. Ich bin froh, dass Deutschland sich stabil und schützend verhält.
So eine Anerkennung ist durchaus erwägenswert, nur sollte man sie an Bedingungen knüpfen
Tagesspiegel-Leser/in Goobe
Goobe
Ich denke, so eine Anerkennung ist durchaus erwägenswert. Nur sollte man sie an Bedingungen knüpfen, die jeder Staat, der diese Bezeichnung verdient, erfüllen muss. Wenn die Palästinenser die verbleibenden Geiseln freilassen, wenn sie die Hamas entwaffnen und mindestens deren Führer vor Gericht stellen oder an internationale Gerichte ausliefern, dann sind sie ein Staat und verdienen jede Anerkennung. Wenn sie dies nicht erfüllen, wird ihnen keine Anerkennung, weder von Macron noch von sonst irgendjemandem, nützen.
Reflex @Goobe
Wenn es nicht einmal der israelischen Armee nach fast zwei Jahren gelungen ist, die Hamas vollständig zu entwaffnen, wie sollen das dann „die Palästinenser“ schaffen? Die Bevölkerung in Gaza ist ausgehungert, tief traumatisiert und kämpft im Moment um ihr nacktes Überleben. In einer solchen Situation hat man andere Probleme, als die letzten, verbliebenen Kämpfer der Hamas zu entwaffnen – wenn sie denn überhaupt als solche noch zu erkennen sind.
Es geht in diesem Konflikt meiner Meinung nach auch schon lange nicht mehr nur um die Bekämpfung der Reste der Hamas, sondern darum, die Zivilbevölkerung so lange mürbe zu machen, bis sie einer „freiwilligen Ausreise“ zustimmt. Netanjahus Koalitionspartner reden doch ganz offen darüber.
Letztendlich steckt dahinter der Wunsch nach einem ethnisch und religiös gereinigten Staat, der von religiösen Siedlern geführt wird. Eine furchtbare Vision für einen doch zutiefst multiethnischen Staat.
Die Teenager-Waisen, deren Eltern und Geschwister unter den Trümmern von Gaza-City liegen, sind die Qassam-Kämpfer von morgen
Tagesspiegel-Leser ReinhardtGutsche
ReinhardtGutsche
Der Konflikt, dessen Wurzeln in die Tiefen der Geschichte zurückreichen und mit den Atrozitäten am 7. Oktober einen abermaligen Höhepunkt erreichte, ist manu militari nicht lösbar. Die Flächenbombardements waren nichts anderes als eine alttestamentarische Rache, ohne erkennbare politische Strategie und folglich auch politisch ergebnislos, und brachten die Konfliktlösung keinen Deut näher. Im Gegenteil: Die Teenager-Waisen, deren Eltern und Geschwister unter den Trümmern von Gaza-City liegen, sind die Qassam-Kämpfer von morgen.
Prophiler
Die Perspektive für den Gaza-Streifen haben die Hamas und ihre Unterstützer*innen am 7. Oktober ganz allein verbaut. Es wäre fahrlässig, Gaza ohne israelische Überwachung oder Besetzung aufzubauen.
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