
© dpa/Roberto Monaldo
„Das Forum lebt davon, unsere Würde zu verletzen“: Sexistische Plattform veröffentlicht Fotos von Politikerinnen – Skandal erschüttert Italien
Tausende Fotos prominenter Frauen wurden auf einer sexistischen Plattform ohne ihre Zustimmung verbreitet, teils manipuliert. Politikerinnen wie Giorgia Meloni kritisieren die Verletzung ihrer Würde.
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Die Webadresse des Forums sagt bereits alles: Sie lautet „phica.eu“, ausgesprochen wie „fica“ – ein vulgärer italienischer Ausdruck für die Vulva.
Auf der Seite fanden sich Tausende Fotos von meist prominenten Frauen: in Badeanzügen oder Sportkleidung, mit kurzen Röcken oder Strümpfen, der Fokus fast immer auf Brust, Po oder nackten Beinen. Nicht selten waren die Bilder pornografisch verfremdet. Hochgeladen wurden sie von anonymen Usern – mit oder ohne Nickname.
Frei zugängliche Quellen
Das Material bestand aus Screenshots, TV-Standbildern oder abfotografierten Zeitungsbildern. Es stammte aus frei zugänglichen Quellen. Das Technikmagazin „Wired Italia“ berichtete, dass es eigene Sektionen für bestimmte Politikerinnen gab und dort auch Deepfakes, also (KI-)manipulierte Inhalte, zu finden waren. Die rund 200.000 Mitglieder zählende „Fangemeinde“ des Forums versah die Aufnahmen anschließend mit unzähligen sexistischen Kommentaren.
Die skandalöse Sammlung im Netz ist Ausdruck einer Kultur der Vergewaltigung.
Valeria Campagna, Sozialdemokratin von Latina
Die Seite existierte offenbar bereits seit 2005 – doch erst jetzt wurde sie durch den Protest einer betroffenen Lokalpolitikerin einem breiteren Publikum bekannt.
Valeria Campagna, Fraktionschefin der Sozialdemokraten im Kommunalparlament von Latina, südlich von Rom, sagte „Wired Italia“: „Ich bin angeekelt, wütend, enttäuscht.“ Bei einer Google-Suche hatte sie zufällig ihre Fotos auf „phica.eu“ entdeckt.
Sie waren in der Rubrik „aufregende Politikerinnen“ einsortiert – und schnell stellte sich heraus, dass dort auch andere prominente Frauen auftauchen, darunter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und Oppositionsführerin Elly Schlein. Meloni war auf einem Strandfoto im Bikini zu sehen, Schlein beim Fußballspielen in kurzer Sporthose.
„Die skandalöse Sammlung im Netz ist Ausdruck einer Kultur der Vergewaltigung“, so Campagna. „Es geht den männlichen Usern nicht um die Schönheit weiblicher Körper, sondern um Kontrolle, Besitz und Macht. Es geht darum, dass sie glauben, über unsere Körper nach Belieben verfügen zu können. Das Forum lebt davon, unsere Freiheit und unsere Würde zu verletzen.“
Frauen sollen Anzeige erstatten
Parteifreundinnen und Politikerinnen unterschiedlichster Couleur bekundeten Solidarität – darunter Alessandra Moretti, Europaabgeordnete, die ebenfalls Tausende Fotos von sich auf „phica.eu“ entdeckt hat.
Sie forderte alle Frauen auf, Anzeige zu erstatten, sobald sie feststellen, dass auch sie betroffen sind. Auch Ministerpräsidentin Giorgia Meloni äußerte sich zu dem Skandal: „Ich bin angeekelt und will meine Solidarität allen Frauen ausdrücken, die in ihrer Intimität verletzt wurden“, sagte sie dem „Corriere della Sera“.
Schon vor wenigen Wochen hatte in Italien ein anderes, ebenso widerwärtiges Internetforum für Empörung gesorgt: eine Facebook-Seite mit dem Titel „Mia Moglie“ („meine Ehefrau“). Dort hatten etwa 30.000 Männer Fotos ihrer Partnerinnen hochgeladen, darunter auch intime Aufnahmen, verbunden mit der Aufforderung an andere User, sie zu kommentieren.
Die Seite existierte schon länger, wurde jedoch nach Einschreiten der Polizei von Meta, dem Mutterkonzern von Facebook, gelöscht. Zuvor waren allerdings zahlreiche der Bilder von „Mia Moglie“ auf „phica.eu“ gelandet, berichtet „La Repubblica“.
Mittlerweile ist auch „phica.eu“ abgeschaltet – von den nach wie vor anonymen Betreibern selbst. Diese behaupteten in einer Mitteilung, nichts von den Fotos und den obszönen Kommentaren gewusst zu haben.
Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die mehrere Hundert Anzeigen, die innerhalb weniger Stunden bei der Polizei eingingen, den Ausschlag für die Schließung gaben. In einer Erklärung, zitiert von „Il Fatto Quotidiano“, sprachen die Betreiber von einer „toxischen Entwicklung“, die sie nicht mehr hätten kontrollieren können. Deshalb habe man beschlossen, das Forum endgültig zu schließen und sämtliche Inhalte zu löschen.
Die öffentliche Empörung in Italien ist groß. Eine Petition auf „Change.org“ forderte die sofortige Schließung der Plattform und erhielt binnen kurzer Zeit mehr als 150.000 Unterschriften. Mehrere prominente Politikerinnen – darunter Valeria Campagna und Alessandra Moretti – haben Anzeige erstattet und regen sogar eine Sammelklage an.
Grundsätzlich tun sich die Behörden schwer, Seiten wie „phica.eu“ zu stoppen. Oft laufen sie über Server in Staaten, mit denen keine Abkommen zur Bekämpfung von Internetkriminalität bestehen, erläuterte die zuständige Polizia Postale. Ein weiteres Problem: In Italien gibt es bislang keine gesetzliche Grundlage, um bereits das bloße Fotografieren oder Filmen einer Person zu ahnden.
Auch in Deutschland läuft eine ähnliche Debatte: Die Kölnerin Yanni Gentsch, die im Februar beim Joggen von einem Mann gefilmt worden war, fordert in einer Petition eine Erweiterung des Straftatbestands „Verletzung des Intimbereichs durch Bildaufnahmen“. Künftig sollen damit auch voyeuristische Aufnahmen strafbar werden.
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