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Die Katze der Hagia Sophia: Der gute Geist geht
Geliebt wurde Gli von Christen, Moslems und Atheisten – jetzt ist das Maskottchen des Istanbuler Wahrzeichens gestorben.
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In Istanbul ist eine kleine grau-gestreifte Katze gestorben, und weltweit trauern Tausende Menschen. Gli hieß die Katze, sie wurde vor 16 Jahren in der Hagia Sophia geboren und bezauberte seither Besucher aus aller Welt mit ihren grünen Augen und fotogenen Posen. Sie starb jetzt in einer Tierklinik, wie ihre Mitbetreuerin Umut Bahceci dem Tagesspiegel bestätigte.
Nun fluten Beileidsbekundungen aus der ganzen Welt ihr Instagram-Konto, das Bahceci für Gli verwaltete – aus Frankreich, Italien und Amerika, aus Japan, Indonesien und Australien. „Wir werden dich nie vergessen, Gli“, erklärte der Gouverneur von Istanbul. Doch in die gemeinsame Trauer mischt sich auch die Bitternis der Kontroverse um die Hagia Sophia, als deren guter Geist die Katze galt.
Gli habe den Trubel bei der Umwidmung der Hagia Sophia in eine Moschee nicht verkraftet, beklagen manche ihrer Anhänger: Die Katze war ein paar Wochen nach der Einweihung als Moschee am 24. Juli erkrankt, zu der rund 350.000 Menschen kamen. Die Umgestaltung ihrer Heimat habe ihr das Herz gebrochen, argumentieren Fans mit Verweis auf die Veränderungen an dem byzantinischen Bau, der mit grünem Teppich ausgelegt wurde.
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Andere erinnern daran, dass Gli von Besuchern der Feier in osmanische Tracht gesteckt und mit einem Fez auf dem Kopf fotografiert wurde – eine Zumutung für eine alte Katze.
Anhänger der Konversion halten dagegen: Gli sei nur so alt geworden, um dieses Ereignis noch miterleben zu können.
Eine Art lebende Ikone
Geliebt wurde Gli von allen, ob Christen, Moslems oder Atheisten – bis hin zum US-Präsidenten Barack Obama, der sie bei einem Besuch in der Hagia Sophia 2009 streichelte. So geachtet war die Katze, dass sie in der Inventur der Hagia Sophia aufgelistet war, als diese noch Museum war – eine Art lebende Ikone.

© oto: Osman Orsal/dpa
Zwar laufen in der Hagia Sophia auch andere Katzen herum, die keine festen Besitzer haben und von Freiwilligen gefüttert werden. Was Gli von ihnen abhob, war ein leichtes Schielen, das ihr ein besonders unschuldiges Aussehen verlieh. Vor allem aber war es ihr Talent für dekorative Posen, in denen sie sich geduldig ablichten ließ: Ihre zierliche Gestalt im Vordergrund brachte die Schönheit und Erhabenheit der Hagia Sophia in Tausenden Fotos zur Geltung.
Gli posierte gerne
Dabei fand sie immer neue Kulissen, um sich im byzantinischen Bauwerk in Szene zu setzen. Nur im Winter hatte sie einen festen Lieblingsplatz: in den wärmenden Strahlen der Scheinwerfer.
Im September erkrankte Gli und wurde eine Woche lang in einer Tierklinik behandelt. Seither hatte sie sich wegen ihrer angegriffenen Gesundheit aus der Öffentlichkeit zurückgezogen und wurde von der Archäologin Defne Bali, die sich seit ihrer Geburt im Jahr 2004 um sie kümmert, in einem ruhigen Seitenraum der Hagia Sophia geschont.
Ende Oktober musste sie erneut in die Klinik eingeliefert werden, wo sie nun verstarb. Gli wurde im Garten der Hagia Sophia beigesetzt – eine Ehre, die heutzutage keinem Menschen mehr zuteilwird.
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