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Schüsse in München: 18-jähriger Islamist kaufte die Tatwaffe am Tag vor der Tat von einem Sammler
Ein Österreicher mit bosnischen Wurzeln hat am Donnerstag das Feuer auf das israelische Generalkonsulat, das NS-Dokumentationszentrum sowie auf Polizisten eröffnet. Dabei wurde er getötet. Das verwendete Gewehr kaufte er für 350 Euro.
- Katharina Schneider
- Christopher Stolz
- Christoph Straub
Stand:
Der aus Österreich stammende Attentäter von München hat die Tatwaffe nach österreichischen Behördenangaben erst einen Tag vor der Tat bei einem Waffensammler erworben. Der von der Münchner Polizei erschossene 18-jährige Angreifer mit bosnischen Wurzeln habe den Sammler „offenbar zeitnahe mittels einer Online-Plattform“ kontaktiert, sagte der Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, am Freitag. Am Vortag der Tat habe der Schütze für den Karabiner älterer Bauart 350 Euro sowie 50 Euro für das aufgesteckte Bajonett gezahlt.
Ziel des Angriffs war offenbar das Generalkonsulat des Staates Israel, teilten Polizei und Generalstaatsanwaltschaft München mit. Sicherheitskreise gehen nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur davon aus, dass der Verdächtige einen Bezug zur islamistischen Gruppe HTS hatte. HTS steht für „Haiat Tahrir al-Scham“, eine militant-islamistische Miliz.
Der bayerische Verfassungsschutz schreibt, dass HTS 2017 aus dem Zusammenschluss eines früheren Al-Kaida-Ablegers und einiger kleinerer militanter syrischer Gruppen hervorgegangen sei.
Wie die Salzburger Polizei am Donnerstagabend mitteilte, sei der junge Mann verdächtigt worden, sich „religiös radikalisiert“ zu haben, im Internet „einschlägig aktiv“ zu sein und sich für Sprengstoff und Waffen zu interessieren. Die Staatsanwaltschaft Salzburg stellte demnach nach abgeschlossenen Ermittlungen aber alle Vorwürfe gegen den damals 17-Jährigen ein. Seit damals sei er nicht mehr polizeilich aufgefallen, hieß es.
Neue Informationen zum Tathergang
Am Freitag präsentierten die Ermittler weitere Ergebnisse zum Tathergang. Demnach war der von Einsatzkräften erschossene 18-Jährige ein Einzeltäter. Dies sei aber zu Beginn des Einsatzes nicht klar gewesen, erklärte Einsatzleiter Christian Huber.
Der Attentäter habe kurz vor neun Uhr sein Auto in der Nähe geparkt und dann zunächst zwei Schüsse auf die Fassade des NS-Dokumentationszentrums abgegeben. Danach sei er in ein Nachbargebäude der Technischen Universität eingedrungen, wobei er sich verletzt habe.

© dpa/AP/Matthias Schrader
Der Mann habe daraufhin versucht, den Zaun zum israelischen Generalkonsulat zu überwinden. Das sei ihm aber nicht gelungen. Daraufhin habe er zweimal auf die Hausfront des Generalkonsulats gefeuert. Anschließend sei er unmittelbar vor dem tödlichen Schusswechsel mit der Polizei noch in einem anderen Gebäude gewesen.
Nach derzeitigen Erkenntnissen hat der Angreifer insgesamt neun Schüsse abgegeben. Das sagte Polizei-Einsatzleiter Christian Huber in München. Mehrere Schüsse seien auf Gebäude, weitere auf Polizisten abgefeuert worden.
„Er hat gezielt auf die Polizisten geschossen, die haben das Feuer erwidert“, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Nach Angaben der Polizei waren an dem Schusswechsel fünf Polizisten beteiligt.
Das Magazin der Waffe, einer jahrzehntealten Schweizer Armeewaffe, habe sechs Patronen gefasst. Im Auto des 18-Jährigen sei eine Packung gefunden worden, die 50 Schuss Munition fasst und fast leer gewesen sei. Wo der Rest der Munition geblieben sei, sei noch Gegenstand der Ermittlungen. Ein Polizist und eine Passantin hätten jeweils ein Knalltrauma erlitten, weitere Verletzte habe es nicht gegeben.
Tatverdächtiger reiste vor kurzem nach Deutschland
Die Polizei durchsuchte den Wohnsitz des Tatverdächtigen am Donnerstag, wie Salzburger Polizeisprecher der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. Zahlreiche Beamte rückten nach Neumarkt am Wallersee aus, um Beweise und Spuren zu sichern.
Der 18-Jährige hatte in Neumarkt zusammen mit seinen Eltern gewohnt. Zur Sicherheit seien das Wohnhaus und die benachbarten Gebäude evakuiert worden, sagte der Polizeisprecher. Wie der deutsche „Spiegel“ und der österreichische „Standard“ berichten, sei der Mann erst vor kurzem mit dem Auto nach Deutschland eingereist.
Der junge Mann mit bosnischen Wurzeln hatte nach Angaben von Ruf am Montag eine neue Arbeit angenommen. Als er Donnerstagfrüh nicht in seinem Betrieb erschienen war, kontaktierten seine Eltern am Vormittag die Polizei und meldeten ihren Sohn als vermisst. Von dem Vorfall in München, der bereits etwa eine Stunde zuvor stattgefunden hatte, wussten die Eltern zu jenem Zeitpunkt noch nichts, wie Ruf berichtete.
Für die weiteren polizeilichen Ermittlungen hat das LKA eine Sonderkommission „Karolinenplatz“ eingerichtet, benannt nach dem Ort des Geschehens. Die Behörde werde die Ermittlungen im Laufe des Tages von der Münchner Kriminalpolizei übernehmen, sagte ein LKA-Sprecher. Die Federführung liegt bei der Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus bei der Generalstaatsanwaltschaft München.
Faeser spricht von „schwerwiegendem Vorfall“
Bundesinnenministerin Nancy Faeser schätzte die Schüsse in München als gravierenden Vorgang ein. „Es ist ein schwerwiegender Vorfall“, sagte die SPD-Politikerin auf einer Pressekonferenz zu einem anderen Thema in Berlin.
„Ich bedanke mich ganz herzlich bei der Münchner Polizei, die da einen guten Einsatz aus meiner Sicht machen“, sagte Faeser. „Der Schutz jüdischer und israelischer Einrichtungen, das wissen Sie, hat oberste Priorität.“
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz dankte den Einsatzkräften der Polizei. „Die schnelle Reaktion der Einsatzkräfte in München hat heute womöglich Grausames verhindert“, schrieb Scholz am Donnerstag im Internetdienst X. „Antisemitismus und Islamismus haben bei uns keinen Platz“, erklärte der Kanzler weiter.
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Der Vorfall ereignete sich am Jahrestag des Münchner Olympia-Attentats. Am 5. September 1972 ermordeten palästinensische Terroristen elf der vierzehn israelischen Olympiateilnehmer. (mit Agenturen)
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