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Marco Buschmann und Lisa Paus im vergangenen Sommer bei der Präsentation der Eckpunkte des Selbstbestimmungsgesetzes.

© IMAGO/IPON

Selbstbestimmungsgesetz: Regierung einigt sich bei vereinfachter Änderung des Geschlechtseintrags

Der Geschlechtseintrag soll künftig einfacher geändert werden können. Marco Buschmann und Lisa Paus haben jetzt offene Fragen geklärt, der Gesetzentwurf kommt bis Ostern.

Nach einer langen Hängepartie haben sich Justizminister Marco Buschmann (FDP) und Familienministerin Lisa Paus (Grüne) bei letzten offenen Fragen zum geplanten Selbstbestimmungsgesetz geeinigt. Ein entsprechender Gesetzesentwurf, der seit Monaten angekündigt ist, soll nun „sehr schnell“ noch vor Ostern kommen.

Das bestätigten Regierungskreise dem Tagesspiegel, als Erste hatte die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet.

Das Selbstbestimmungsgesetz soll eine Änderung des Geschlechtseintrags und des Vornamens im Personenstandsregister wesentlich vereinfachen.

Künftig soll dazu eine Selbsterklärung auf dem Standesamt ausreichen. Bisher sind dazu zwei psychologische Gutachten und ein Amtsgerichtsentscheid nötig. Das Verfahren ist langwierig, kann mehrere Tausend Euro kosten und wird von Betroffenen als entwürdigend kritisiert. 

Ersatz für das 40 Jahre alte Transsexuellengesetz

Das Selbstbestimmungsgesetz wird das mehr als 40 Jahre alte Transsexuellengesetz ersetzen, das vom Bundesverfassungsgericht wiederholt für verfassungswidrig erklärt worden war. Ein entsprechendes Eckpunktepapier hatten Paus und Buschmann bereits im Sommer des vergangenen Jahres vorgelegt.

Damals hieß es noch, das Kabinett solle den Gesetzentwurf noch Ende 2022 beschließen. Zuletzt hatte Paus eine Verabschiedung im Kabinett vor der Sommerpause 2023 in Aussicht gestellt, was auch jetzt noch angestrebt wird, wie zu hören ist. Danach würde sich der Bundestag damit befassen.

Der Entwurf setzt nun im Wesentlichen die Eckpunkte um, heißt es aus Regierungskreisen, es sei nichts herausgefallen. Die Selbsterklärung ist ab 18 Jahren voll möglich.

Bei Minderjährigen unter 14 Jahren soll die Änderung des Geschlechtseintrags nur von den Sorgeberechtigten beantragt werden können. Jugendliche ab 14 Jahren sollen ein Erklärung zwar auch selber abgeben können, brauchen dafür die Zustimmung ihrer Eltern. Sollte die nicht vorliegen, könnte „orientiert am Kindeswohl“ ein Familiengericht die Entscheidung der Sorgeberechtigten ersetzen.

FDP und Grüne hatten schon in der vergangenen Legislaturperiode eigene Vorschläge für das Gesetz präsentiert. Der Gesetzentwurf hatte sich jetzt dennoch hingezogen, weil sich Justizminister Buschmann und Teile der FDP offenbar von einer teils massiven Kampagne gegen das Gesetz vor allem in den sozialen Medien beeindrucken ließen und auf einmal Bedenken bekommen hatten – zwar nicht grundsätzliche, aber doch in einigen Punkten.

Die FDP bekam Bedenken

So hatte Buschmann auch in einem Tagesspiegel-Interview das Beispiel aufgebracht, dass Fitnessstudios und Saunen ein nachvollziehbares Bedürfnis haben könnten, den Zutritt nicht nach Geschlechtseintrag zu regeln. Er nahm damit einen gängigen Punkt unter anderem radikaler Feministinnen auf, die sich selber als „genderkritisch“ bezeichnen: Männer könnten das Selbstbestimmungsgesetz ausnutzen, indem sie ihren Geschlechtseintrag ändern, um dann in Frauenschutzräume einzudringen.

Dieses Argument ist zwar von unzähligen Gruppen, unter anderem von der deutschen Frauenhaus-Koordinierung, zurückgewiesen worden: Warum sollten Männer, die Gewalt ausüben wollen, davor umständlich ihren Geschlechtseintrag ändern lassen, wenn sie es auch jederzeit ohne tun können?

Diesen Bedenken wird jetzt dennoch dahingehend Rechnung getragen, dass ein zusätzlicher Passus eingefügt wird. Darin wird klargestellt, dass Einrichtungen nach den Regeln, wie es das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vorsieht, weiterhin das Hausrecht behalten. Das AGG erlaubt in Paragraf 20 eine unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung, wenn das „dem Bedürfnis nach Schutz der Intimsphäre oder der persönlichen Sicherheit Rechnung trägt“.

Sprich: Im Einzelfall könnten Betreiber einen Zutritt verweigern, pauschale Zutrittsverweigerungen seien aber nicht möglich, heißt es. Bestimmte Einrichtungen wie Saunen oder Schwimmbäder würden im Gesetzestext selbst nicht genannt.

Ebenfalls neu im Vergleich zu den Eckpunkten: Im Gesetz wird zusätzlich eine Art Bedenkzeit eingeführt. Erst drei Monate nach dem Antrag auf Geschlechtsänderung beim Standesamt soll die Entscheidung tatsächlich wirksam werden. Ein Antrag kann in der Zeit folgenlos wieder zurückgezogen werden. Damit folgt die Regierung dem Beispiel Belgiens und Luxemburgs, die eine solche Karenzzeit ebenfalls vorsehen.

Wie ursprünglich vorgesehen wird es auch eine einjährige Sperrfrist geben, binnen derer der Geschlechtseintrag nicht ein zweites Mal geändert werden darf.

Regeln zu medizinischen Geschlechtsangleichungen – also etwa Hormonbehandlungen oder OPs – sieht das Selbstbestimmungsgesetz ausdrücklich nicht vor. Dafür gelten weiterhin die einschlägigen medizinischen Leitlinien, die als in Deutschland als ziemlich zurückhaltend im Vergleich zu anderen Ländern eingeschätzt werden.

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