
Typisch Inge: Ging den Kindern das Rad kaputt, flickte sie den Reifen. Fehlte Brennholz, hackte sie welches. Ein Nachruf auf Ingeborg Austilat, geboren 1925.

Typisch Inge: Ging den Kindern das Rad kaputt, flickte sie den Reifen. Fehlte Brennholz, hackte sie welches. Ein Nachruf auf Ingeborg Austilat, geboren 1925.

Schwer genug, seine eigenen Erwartungen zu erfüllen, da kann man sich nicht noch um die Erwartungen anderer kümmern.

Anarchist, Raubdruckverkäufer, Buchhändler, Kneipier und Galerist. Devise: „Es gibt nichts zu verlieren. Wir werden alle krepieren!“

Kein Selfie kann ersetzen, was das Auge des guten Fotografen sieht: Dass du dir selbst fremd bist von Zeit zu Zeit. Der Nachruf auf einen Porträtisten.

Ein Huhn, das flatternd in Flammen aufgeht. Ein blecherner Hund mit Raketenantrieb. Was man so auf der Theaterbühne braucht - er kümmerte sich drum.

Sie war Deutsche in Kasachstan und Russin in Berlin. Selten hat sie mal dazugehört. Wie die große Politik ein Leben hin und herwirft.

Was er hinterließ: etwas Kleingeld, einen Kleinwagen. Und den morschen aber legendären "Goldenen Hahn" am Heinrichplatz, Kreuzberg

So fremd sie und ihr Mann sich als Menschen waren, so unbeirrt hielten sie als Ehepaar zusammen. Nach 40 Jahren fand sie die Kraft zur Trennung
Sich abends selbst auf die Schulter klopfen. Mehr Dankbarkeit brauchte er nicht. Er hatte ja seine Verdi-Opern – und den Fußball.

Er versteckte sich vor den Nazis und ging nur noch in Frauenkleidern oder HJ-Uniform auf die Straße. Und er schrieb und verteilte Flugblätter.

Seinen Bruder haben sie erschossen. Er schaffte es über die Grenze, viel später. Bei seinem Kampf gegen das Vergessen vergaß er zuweilen die eigene Familie.

"25books", so hieß sein Fotobuchladen, "Peperoni books" sein Fotobuchverlag. Das war's, wofür er lebte, auch wenn es anstrengend war und wenig lukrativ.
Sie war die Chefin, es ging ihnen gut. Doch jede Saison war unsicher in ihrer Branche. Es konnte immer anders kommen.

Früher die Grenzgänge zwischen Ost und West, dann das Pech des Mauerfalls, schließlich das Glück des Tango. Und immer: die Suche nach der Frau.

Er hatte Berufsverbot. Arbeitslos durfte er jedoch nicht sein. Also begann er Gärten zu gestalten.

Mit 85 trat er aus der Kirche aus. Recht spät für einen, der immer auf sich selbst gestellt war. Der Nachruf auf einen Mann der Tat

Er war ein eher ungewöhnlicher Bibliothekar. Wer Bücher zu spät abgab, musste Klimmzüge machen oder mit ihm Dart spielen. Der Nachruf auf einen Exoten

Die Diagnose kam lange vor der Geburt. War das wahr? Konnte es bei Emma nicht anders sein?

Eine dieser DDR-Biografien. Hoch ausgebildet, erfolgreich, dann, nach der Wende, eine Fortbildung nach der anderen. Dann hatte sie Glück

Alles sollte so sein, wie er es wollte, Annäherungen genügten nicht. Dafür hatte er das alles nicht erduldet. Nachruf auf einen, der das Beste draus machte.

Warum lud sie so viele Leute aus dem Westen ein? Doch nicht wirklich zum Rudern! Die Stasi vermutete das Schlimmste. Der Nachruf auf eine Frau in Bewegung

Alles anders machen als die Eltern, besser! Häuser besetzen, Bäume ausreißen, den Kapitalismus besiegen. Der Nachruf auf einen, der viel wollte.

Jeder verfolgt sein Interesse, aber nur wenige scheinen die Stadt als Stadt zu lieben. Der Nachruf auf einen Gestalter.

Alles musste perfekt sein. Einfach mal so aus dem Bauch heraus, das gab es bei ihm nicht. Der Nachruf auf einen Anspruchsvollen.

Sie begleitet ihren Mann auf den Friedhofsführungen und zitiert jene, die da liegen, Ringelnatz, Fontane, Hacks. Der Nachruf auf eine Begabte.

„Du musst mir keine billigen Klunker schenken!“ Ihr Stil gab Ingeborg Henning auch in Notzeiten Halt. Ein Nachruf.

Für eine Musikerkarriere hätte es nicht gereicht, da war er Realist. Und wurde Arzt - und was für einer! Der Nachruf auf einen, der sich verausgabt hat.

Bloß nicht so werden wie die Mutter! Bloß nicht dem Entwurf des Vaters folgen. Der Nachruf auf eine, die ausgebrochen ist.

Laut, polterig und kein Blatt vorm Mund, Manne stand gern im Mittelpunkt. In seinen Erzählungen trat er oft selbst als der strahlende Held auf.

Jeder schaufelt sich selbst sein Grab, heißt es. Aber meist schaufeln es andere. Der Nachruf auf einen, der sein eigenes Leben leben wollte.

Ministrant? Gerne. Wenn genügend Augen auf ihn gerichtet sind. Nur lieber nicht für die Morgenmesse.

All die Entbehrungen ertrug sie. Wie die anderen Flüchtlinge sich klein und unsichtbar machten, das ertrug sie nicht.

Der übliche Irrtum: Es geht um den Sozialismus. Die übliche Hybris: Ich habe das im Griff. Bis er den Stasidienst quittierte und Renegat wurde. Nachruf auf einen, der seine Widersprüche in die Welt hinausblies.

Er ist kein Maschinenstürmer. Er ist Physiker. Ausstellungsmacher wird er notgedrungen.

Jede Mieterhöhung kommt vor Gericht. Er gewinnt fast immer. Und eine kleine Sauna baut er sich auch ein.

Wenn es doch nicht schnell genug geht, sagt er zu den Polizisten: „Das hier ist Kunst“.

Im Auto saß sie nicht gern selbst am Steuer, aber wenn es galt, die Verkaufsgegenstände zu taxieren, hatte sie das Sagen.

Sie arbeitete lieber in der Praxis als im Labor. Da kommen die Menschen hin und nicht nur Proben von ihnen.

Was ihm im Privaten nicht immer glückte, der einvernehmliche Dialog, das gelang ihm als Regisseur.

Ständig in Bewegung, kaum dass er mal saß, sprang er wieder auf, lief weiter, immer weiter. Der Nachruf auf ein Leben ohne Pause.
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