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Angriffe auf UN-Blauhelme im Libanon: So schadet sich Israel selbst
Israel hält wenig von den Vereinten Nationen. Doch die UN-Friedenstruppe Unifil im Libanon zu attackieren und deren Abzug zu fordern, geht zu weit.

Stand:
Israel steht am Pranger der Weltöffentlichkeit. Die Kritik ist laut, die Empörung groß. Wieder einmal. Von einem Angriff des jüdischen Staats auf das Völkerrecht ist ebenso die Rede wie von einem Schlag gegen die werte- und regelbasierte Weltordnung.
Die UN-Friedenstruppe für den Libanon unter Beschuss nehmen, Blauhelmsoldaten verletzen, den Rückzug der Mission fordern – das geht vielen zu weit.
Sogar besonders treue Verbündete, zu denen sich Deutschland und die USA zählen, können nicht umhin, sich von Israels Vorgehen zu distanzieren, ja, es zu verurteilen. Und das mit einiger Berechtigung.
Unifil hat seine Aufgabe nicht erfüllt
Ja, es stimmt, was die Führung in Jerusalem betont: Der Einsatz der United Nations Interim Force in Lebanon, kurz Unifil, ist alles andere als erfolgreich. Seit 1978 soll sie Israels Nordgrenze sichern.
Zu ihrer Kernaufgabe gehört, gegen „bewaffnete Gruppen“ – in erster Linie ist damit die Hisbollah gemeint – vorzugehen und diese hinter den Litani-Fluss zurückzudrängen. Funktioniert hat das nie. Von einer Schutzfunktion kann keine Rede sein.

© dpa/Marwan Naamani
Schlimmer noch: Die schiitische Miliz ist unter den Augen von Unifil und mit tatkräftiger Unterstützung des Iran immer mächtiger geworden. Nie hätte es dazu kommen dürfen, dass die Hisbollah ein Raketenarsenal aufbaut, über das viele staatliche Streitkräfte gerne verfügen würden und mit dem die Terrororganisation Israel mehr denn je unter Beschuss nimmt.
Dies nicht verhindert zu haben, ist eine Bankrotterklärung der Weltgemeinschaft, die jene beschworenen Regeln und die Vereinten Nationen als deren Aushängeschild der Unglaubwürdigkeit preisgibt.
Die lediglich „beobachtenden“ Blauhelme standen von Anfang an hilflos zwischen den Fronten und damit auf verlorenem Posten. Israel nimmt nun seinen Schutz selbst in die Hand. Wer mag es dem bedrohten Land angesichts des Dauerbombardements durch die Hisbollah verdenken?
Israel folgt einer wenig zielführenden Logik
Nur: Ist es wirklich von Nutzen, dafür die von den UN mandatierten Soldaten aus 48 Ländern in Lebensgefahr zu bringen und sie zum Verlassen des Libanons aufzufordern?
Darauf zu dringen, folgt der wenig zielführenden Logik: „Wer nicht für mich ist, ist gegen mich“. Diese Sichtweise zum Maßstab des Handelns zu machen, schadet Israels Ansehen erheblich, gerade auf internationaler Ebene, und führt das Land noch weiter in die Isolation. Weil es seine Gegner regelrecht munitioniert und selbst Wohlmeinende verschreckt.
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Ja, die Vereinten Nationen haben in der Vergangenheit mit anti-israelischen Resolutionen nicht nur die Regierenden in Jerusalem gegen sich aufgebracht.
Auch viele Israelinnen und Israelis, die die rechtsextreme Führung unter Benjamin Netanjahu verdammen, können den UN verständlicherweise wenig abgewinnen.
Munition für die Gegner des jüdischen Staats
Aber es wirkt wie plumper Aktionismus und effektheischende Symbolpolitik, wenn Jerusalem UN-Chef António Guterres als „unerwünschter Person“ die Einreise verweigert oder das Palästina-Flüchtlingshilfswerk UNRWA zur terroristischen Vereinigung erklären will.

© REUTERS/ATHIT PERAWONGMETHA
Was bringt das? Damit setzt sich Israel nur dem leicht zu erhebenden Vorwurf aus, es würde sowohl internationale Einrichtungen als auch das Völkerrecht miss- und verachten. Kriegszeiten und das Recht auf Selbstverteidigung rechtfertigen nicht blindwütiges Umsichschlagen, weder in der Diplomatie noch auf dem Schlachtfeld.
„Volle Solidarität“ ist schwerlich durchzuhalten
Das bringt auch die Bundesregierung in Erklärungsnot. Gerade wenn das viel zitierte Bekenntnis, die Sicherheit Israels sei deutsche Staatsräson, in Form von Waffenlieferungen konkret werden soll.
Denn die von Kanzler Olaf Scholz mehrfach zugesicherte „volle Solidarität“ ist schwerlich durchzuhalten, wenn Netanjahus Regierung all das infrage stellt, was erklärtermaßen Richtschnur deutscher Politik sein soll.
Das macht Deutschland in den Augen vieler Staaten des globalen Südens unglaubwürdig, treibt sie in die Arme Russlands und Chinas.
Da hilft nur erklären, erklären, erklären. Israel führt eine Abwehrschlacht, gegen Feinde, die das Land am liebsten vernichten möchten. Das darf nicht vergessen werden. Aber es ist auch Aufgabe eines Freundes wie Deutschland, Israel zu warnen, wenn es Grenzen überschreitet.
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