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Ex-General wird Präsident des Libanon: Ein Hoffnungsträger für das Land – und den Nahen Osten
Zwei Jahre lang gab es keinen Staatschef im Libanon. Jetzt soll Joseph Aoun das Amt übernehmen. Experten erklären, was das für die Region und die Hisbollah bedeuten könnte.
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Die Präsidentenwahl im Libanon markiert den Beginn einer neuen Ära im Nahen Osten. Der neue Staatschef und bisherige Armeechef Joseph Aoun gilt als überparteilich und will in seiner sechsjährigen Amtszeit „eine neue Phase in der Geschichte des Libanon einleiten“, wie er nach seiner Wahl am Donnerstag sagte.
Nach den Zerstörungen durch den Krieg zwischen der pro-iranischen Hisbollah-Miliz und Israel im vorigen Jahr hofft das Land auf ein dauerhaftes Ende der Gefechte und einen Ausweg aus der wirtschaftlichen und politischen Dauerkrise.
Ein Wunschkandidat der USA
Aoun war der Wunschkandidat der USA und Saudi-Arabiens, die ihren Einfluss im östlichen Mittelmeer nun ausbauen werden. Auch Israel profitiert. Dagegen wird der Einfluss des Iran weiter zurückgedrängt.
Der Libanon hatte seit zwei Jahren keinen Präsidenten mehr und brauchte 13 Versuche im Parlament, um den Posten an der Staatsspitze neu zu besetzen.
Die Einigung auf Aoun ist ein erster Schritt zur Rettung des libanesischen Staates, der unter Machtkämpfen, Korruption und einer schweren Wirtschaftskrise leidet.
Aouns Wahl ist weniger ein Vertrauensbeweis als vielmehr ein Votum gegen den Zusammenbruch.
Houssein al-Malla, Nahostexperte vom Giga-Institut in Hamburg
Die Aufteilung der Macht zwischen verschiedenen religiösen Gruppen im Libanon sieht vor, dass der Präsident ein Christ sein muss; der Posten des Ministerpräsidenten geht an einen Sunniten und der des Parlamentspräsidenten an einen Schiiten. Der 61-jährige Maronit Aoun hat den Ruf, unbestechlich zu sein.
Aouns Wahl sei weniger ein Vertrauensbeweis für den General als vielmehr „ein Votum gegen den Zusammenbruch“ des Staates, sagt Houssein al-Malla, Nahostexperte vom Giga-Institut in Hamburg.

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Aoun stehe für „die Hoffnung auf eine Regierung, die das Land über religiöse Differenzen stellt“. Die Libanesen warteten dringend auf Schritte zur Stabilisierung der Landeswährung, zur Korruptionsbekämpfung und zur Wiederherstellung der Grundversorgung.
Die Schwäche der Hisbollah ausnutzen
In seiner ersten Ansprache als Präsident deutete Aoun zudem an, dass er die Hisbollah entwaffnen will. Die Miliz hatte vor ihrer Niederlage im Krieg gegen Israel Hunderttausende Raketen in ihren Arsenalen und war militärisch viel stärker als Aouns libanesische Armee.
Israel zerstörte bei seinen Angriffen im Herbst nach eigenen Angaben rund 70 Prozent der weitreichenden Raketen der Schiitenmiliz und 75 Prozent der Kurzstreckenraketen; zudem starben 3800 Hisbollah-Mitglieder, darunter der langjährige Milizenchef Hassan Nasrallah.
Aoun will die Schwäche der Hisbollah nutzen: Als Präsident wolle er das Gewaltmonopol des Staates durchsetzen, sagte er.
Gute Kontakte zu den USA, den Saudis und Katar
Nahost-Experte al-Malla bezweifelt, dass dies kurzfristig möglich sein wird. Die Hisbollah sei politisch und sozial nach wie vor mächtig, sagte er dem Tagesspiegel. Es gehe nicht um Konfrontation, sondern um eine Koexistenz, die eine Stärkung des Staates in kleinen Schritten ermögliche.
Als Armeechef arbeitete Aoun mit den USA, Saudi-Arabien und Katar zusammen, was ihm im neuen Amt zugutekommt: Von diesen drei Mächten und Frankreich, der ehemaligen Mandatsmacht im Libanon, dürfte das meiste Geld für den Wiederaufbau des Libanon kommen.
Für Israel ist die Wahl Aouns ein gutes Zeichen.
Kristof Kleemann, Projektleiter der Friedrich-Naumann-Stiftung in Jerusalem.
„Vor allem der Druck der USA und Saudi-Arabiens haben am Ende den Ausschlag gegeben“, sagt Kristof Kleemann, Projektleiter der Friedrich-Naumann-Stiftung in Jerusalem und früherer Leiter des Büros der Stiftung in Beirut.
„Für Israel ist die Wahl Aouns deshalb ein gutes Zeichen“, sagt Kleemann. Die israelische Regierung gratulierte Aoun zu seiner Wahl und erklärte, sie hoffe auf „Stabilität“ unter Aoun.
Mit der Wahl Aouns wird es nach Einschätzung von Kleemann wahrscheinlicher, dass die Waffenstillstandsvereinbarung zwischen Israel und der Hisbollah aus dem November eingehalten wird „und sich die israelische Armee nach den vereinbarten 60 Tagen zurückziehen kann“.
Schlimmer hätte es für den Iran nicht kommen können.
Arash Azizi, Iran-Experte an der Universität Boston.
Interims-Premier Nadschib Mikati kündigte am Freitag an, der libanesische Staat werde jetzt damit beginnen, alle Waffen im Süden des Landes einzusammeln.

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Für den Iran ist Aouns Amtsantritt nach dem militärischen Rückschlag für die Hisbollah und dem Sturz des langjährigen syrischen Diktators Baschar al-Assad im Nachbarland Syrien die dritte schwere Schlappe in der Region innerhalb kurzer Zeit.
Eine Niederlage für Teheran
Die „Achse des Widerstandes“, wie der Iran sein anti-westliches und anti-israelisches Netzwerk aus Unterstützern und Partnern im Nahen Osten nennt, wird unter Präsident Aoun ohne den Libanon auskommen müssen.
„Das ist weiterer Nagel im Sarg der ‚Achse‘“, sagt Iran-Experte Arash Azizi von der Universität Boston. „Es ist eine bemerkenswerte Niederlage.“
Irans Revolutionsführer Ajatollah Ali Chamenei und die Hisbollah hätten sich einen Politiker wie den Assad-Unterstützer Suleiman Frangieh als Präsidenten in Beirut gewünscht, betont Azizi.
„Stattdessen haben sie es jetzt mit einem General als Präsidenten zu tun, der von den USA und Frankreich unterstützt wird.“
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