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Anschlagsort im iranischen Kerman

© AFP/Isna/Sare Tajalli

Iran droht mit Vergeltung: Wer steckt hinter dem Anschlag nahe dem Soleimani-Grab?

Teheran spricht von einem „Terroranschlag“, ein Präsidentenberater macht indirekt Israel und die USA verantwortlich. Doch laut Experten passt der Anschlag nicht in das israelische Muster.

Nur wenige Stunden nach dem Terroranschlag im iranischen Kerman stand für die Hamas schon fest, wer als Hauptnutznießer der Gewalttat ins Visier genommen werden müsse: Israel. Die Bomben von Kerman dienten den Interessen des jüdischen Staates, erklärte die militante Palästinensergruppe, die im Gazastreifen gegen Israel kämpft.

Die iranische Führung sprach von einem Terrorakt, bei dem mindestens 84 Menschen in Kerman, getötet worden waren. Revolutionsführer Ali Chamenei kündigte Vergeltung an: Die Tat werde eine „harte Antwort nach sich ziehen, so Gott will“, sagte er am Mittwoch laut einer Mitteilung, die in den Staatsmedien veröffentlicht wurde.

Der iranische Präsidentenberater Mohammad Dschamschidi machte Israel und die USA für den Anschlag. Die „Verantwortung für dieses Verbrechen“ liege „bei den USA und dem zionistischen Regime und der Terrorismus ist nur ein Werkzeug“, schrieb er auf Twitter. Experten bezweifeln allerdings, dass Israel den Anschlag verübt hat. Doch die Schuldzuweisung an Israel nach den Eskalationen der jüngsten Zeit lässt die Furcht vor einem regionalen Flächenbrand wachsen.

Vermutungen über die Täter

Die Täter in Kerman brachten nach Berichten iranischer Staatsmedien während einer Gedenkfeier für den vor vier Jahren getöteten General Qassem Soleimani zwei Taschen voller Sprengstoff zur Explosion. Die ferngezündeten Bomben detonierten im Abstand von 15 Minuten in der Nähe des Friedhofes, auf dem Soleimani beigesetzt ist.

Israels Geheimdienst Mossad hat zwar mehrmals Mordanschläge im Iran verübt, dabei aber immer gezielt Offiziere der Revolutionsgarde oder Experten des iranischen Atomprogramms getötet. Ein Bombenanschlag wie in Kerman gehöre nicht zu Israels Methoden, sagt der Iran-Experte Arash Azizi, Autor eines Buches über Soleimani.

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Taschen voller Sprengstoff sollen die Täter in Kerman während einer Gedenkfeier zur Explosion gebracht haben.

Auch die Tatsache, dass keine hochrangigen Revolutionsgardisten unter den Opfern seien, spreche gegen eine israelische Verwicklung, sagte Azizi dem Tagesspiegel. Der türkische Iran-Experte Arif Keskin sieht das ähnlich: Israel gehe in seinem Schattenkrieg gegen den Iran ganz anders vor.

Azizi, Keskin und die US-Regierung vermuten den Islamischen Staat (IS) hinter der Tat. Der radikal-sunnitische IS hatte bereits im vorigen Jahr und 2022 Bombenanschläge im schiitischen Iran verübt. Soleimani befehligte vor zehn Jahren den Feldzug iranischer Truppen gegen den IS im Irak und hatte großen Anteil an der Vertreibung des IS aus dem Land.

Dass iranische Oppositionsgruppen den Anschlag von Kerman verübt haben könnten, glaubt Keskin nicht. Diese Gruppen griffen meistens Staatsgebäude und -vertreter an, sagte er dem Tagesspiegel.

Der deutsche Terrorismus-Experte Guido Steinbach dagegen hält das für möglich. „Aufgrund der geografischen Lage, denke ich, ist es etwas wahrscheinlicher, dass iranische belutschische Separatisten verantwortlich waren“, sagte er im Deutschlandfunk. „Ich denke, dass es sich um den Anschlag einer im Iran operierenden terroristischen Gruppierung handelt, der nicht unmittelbar mit dem Konflikt um Gaza zu tun hat.“

Der Anschlag von Kerman habe das iranische Regime geschwächt, fügt Keskin hinzu. Teheran preise die Islamische Republik immer als „Insel der Stabilität“ im Nahen Osten an. Nun müsse sich die Regierung vorwerfen lassen, die eigene Bevölkerung nicht schützen zu können.

Neuer Höhepunkt einer Eskalationsspirale

Der Terror von Kerman ist der neue Höhepunkt einer Eskalationsspirale in Nahost, die mit dem Gaza-Krieg im Oktober begann. Zunächst gab es außerhalb von Gaza lediglich Scharmützel zwischen Israel und der Hisbollah an der israelisch-libanesischen Grenze. Doch dann begannen die iranisch unterstützten Huthi-Rebellen im Jemen mit Angriffen auf Handelsschiffe im Roten Meer, um die Hamas zu unterstützen.

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Huthi-Kämpfer wurden bei einem Gefecht am Neujahrstag durch die US-Marine getötet.

Die Huthis drohen zudem mit Angriffen auf US-Kriegsschiffe in der Gegend; bei einem Gefecht am Neujahrstag tötete die US-Marine zehn Huthi-Kämpfer. US-Außenminister Antony Blinken will in den kommenden Tagen bei einem Besuch im Nahen Osten die Möglichkeiten für eine neue Feuerpause in Gaza sondieren, um die Lage in der Region zu beruhigen.

Die Dinge können aus dem Ruder laufen, obwohl keine der beiden Seiten das will.

Arash Azizi, Iran-Experte und Autor eines Buches über Soleimani

Zur iranisch unterstützten „Achse des Widerstands“ gegen Israel gehören neben den Huthis und der Hisbollah auch das Regime in Syrien sowie pro-iranische Milizen im Irak. Ein israelischer Luftangriff in der Nähe von Damaskus am ersten Weihnachtstag tötete den iranischen General Sajed Razi Musavi, den wichtigsten iranischen Offizier in Syrien.

Am Dienstag starb der stellvertretende Hamas-Chef Saleh al Aruri bei einem mutmaßlichen israelischen Luftschlag in Beirut. Einen Tag später folgte der Anschlag von Kerman. Am Donnerstag starben mindestens zwei pro-iranische Kämpfer in der irakischen Hauptstadt Bagdad bei einem Drohnenangriff auf das Hauptquartier ihrer Miliz.

Iran will eigentlich keinen Krieg

Aus dieser Kette von Gewalttaten sollte aber nicht der Schluss gezogen werden, dass die Kontrahenten Iran und Israel einen Krieg beginnen wollen, meint Iran-Experte Azizi. „Der Iran weiß, dass eine größere regionale Auseinandersetzung reiner Selbstmord wäre“, sagt er.

Chamenei wolle keine direkte Auseinandersetzung mit mächtigen Staaten wie Israel und den USA. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah ließ nach der Ermordung von Aruri in Beirut durchblicken, dass seine Kämpfer vorerst keinen Großangriff gegen Israel starten werden. Die israelische Armee erklärte, sie konzentriere sich auf den Krieg gegen die Hamas in Gaza.

Doch auch wenn Israel und der Iran kein Interesse an einem neuen Krieg haben, wächst die Gefahr, dass sie wegen der Spannungen um den Gaza-Konflikt in einen bewaffneten Konflikt hineinstolpern. Anschläge wie der von Kerman bergen das Risiko weiterer Eskalationen, meint Azizi: „Die Dinge können aus dem Ruder laufen, obwohl keine der beiden Seiten das will.“ 

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