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Ein Schild mit der Aufschrift „Bundesrepublik Deutschland“ steht an einem kleinen Grenzübergang bei Kiefersfelden.

© dpa/Peter Kneffel

Update

Polen nennt Grenzkontrollen „inakzeptabel“: Maßnahme muss laut EU-Kommission „absolute Ausnahme bleiben“

Die am Montag vom Innenministerium angekündigten temporären Grenzkontrollen stoßen in Brüssel auf wenig Begeisterung. Österreich hingegen erwägt ebenfalls, die eigenen Grenzen zu schützen.

Stand:

In der Migrationspolitik hat die EU-Kommission Deutschland an die europäischen Grundregeln erinnert. Von Mitgliedsländern angekündigte Grenzkontrollen müssten „notwendig und verhältnismäßig“ sein und den Vorschriften des Schengener Grenzkodex entsprechen, sagte Kommissionssprecherin Anitta Hipper am Dienstag in Brüssel. „Daher sollten derartige Maßnahmen eine absolute Ausnahme bleiben“, betonte sie.

Ob die neuen deutschen Grenzkontrollen diese Grundprinzipien respektieren, wollten weder Hipper noch Chefsprecher Eric Mamer bewerten. Die Bundesregierung habe die Maßnahmen in Brüssel angemeldet und diese würden nun geprüft, betonten beide. Alles Weitere sei „Spekulation“, sagte Hipper.

Die Kommission antwortete damit auf die Frage, ob sie einen Dominoeffekt fürchte, wenn nach Deutschland auch andere europäische Länder die Grenzkontrollen verschärften. Österreich hat bereits angekündigt, von Deutschland zurückgewiesene Geflüchtete nicht aufnehmen zu wollen.

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Polens Regierungschef Donald Tusk hat die deutschen Grenzschutz-Pläne scharf kritisiert. „Ein solches Vorgehen ist aus polnischer Sicht inakzeptabel“, sagte Tusk am Dienstag mit Blick auf Pläne der Bundesregierung, Geflüchtete direkt an den deutschen Grenzen zurückzuweisen. Tusk kündigte im Fernsehen „dringende Konsultationen“ mit anderen „Nachbarn Deutschlands“ an, die von den Plänen betroffen seien.

Die Bundesregierung hingegen rechnet wegen der ab Montag angeordneten zusätzlichen Grenzkontrollen nicht mit Problemen im Verhältnis zu den betroffenen Nachbarstaaten. Der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Maximilian Kall, betonte in Berlin, „dass wir natürlich mit allen europäischen Partnern in ganz engem Kontakt stehen“. Die Nachbarstaaten seien vor der Anordnung der weiteren Binnengrenzkontrollen informiert worden.

Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sprach sich erneut gegen nationale Alleingänge im Vorgehen gegen die irreguläre Migration aus. Die europäischen Länder müssten „die Kraft haben für gesamteuropäische Lösungen“ und dürften „nicht in Alleingänge verfallen“, sagte Baerbock am Dienstag in Berlin. Eine klare Absage erteilte die Ministerin dem Vorschlag der CDU, dass Deutschland eine „nationale Notlage“ gemäß EU-Vertrag ausrufe, um Geflüchtete an den deutschen Grenzen zurückzuweisen.

Solche Notlagen-Forderungen seien „keine Option“ und hätten „bei unseren Nachbarländern Stirnrunzeln hervorgerufen“, sagte Baerbock. Es müsse nun auch darum gehen, die Freizügigkeit im Schengen-Raum „zu verteidigen, anstatt sie zu gefährden“.

Bundespolizei bemängelt fehlendes Personal für Grenzkontrollen

Der Bundespolizei fehlt es für mehr Kontrollen an den deutschen Grenzen an Personal und Ausstattung. „Deutschlands Grenze ist angesichts ihrer Länge nicht lückenlos zu überwachen“, sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) für den Bereich Bundespolizei und Zoll, Andreas Roßkopf, der „Frankfurter Rundschau“ (Mittwoch).

Bereits jetzt fehle es an Personal und materieller Ausstattung, um eine flächendeckende Kontrolle der Grenzen zur Schweiz, zu Österreich, Tschechien und Polen zu gewährleisten, sagte Roßkopf mit Blick auf die Pläne der Ministerin. „Deutschland hat 3.800 Kilometer Grenze“, sagte der Vorsitzende der GdP. „Menschen, die Böses im Schilde führen, Terroristen, Islamisten, die unserem Rechtsstaat schaden wollen, werden sicher einen Weg finden, diese Kontrollen zu umgehen.“

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte am Montag Grenzkontrollen an allen deutschen Landgrenzen angekündigt. Sie sollen am 16. September beginnen und zunächst sechs Monate dauern. Faeser begründete dies mit der Notwendigkeit zur „Begrenzung der irregulären Migration“ und „dem Schutz der inneren Sicherheit“.

Das Schengener Abkommen garantiert seit 1995 Reisefreiheit in Europa. Grenzkontrollen sollen eigentlich nur an den Außengrenzen des Schengenraums aus 29 Ländern stattfinden. Mitgliedsländer können in begründeten Fällen aber Kontrollen wieder einführen – wie im Fall Deutschlands zunächst für ein halbes Jahr, mit der Möglichkeit zur Verlängerung. In der Vergangenheit begründeten Länder wie Frankreich oder Italien dies mit der Flüchtlingskrise und Terrorgefahren. Umstritten waren vor allem die verschärften deutschen Kontrollen wegen Gesundheitsrisiken in der Corona-Pandemie.

Österreich will gegebenenfalls auch zurückweisen

Österreich will im Falle der Zurückweisungen von Flüchtlingen und Migranten an deutschen Grenzen ähnliche Schritte vornehmen. Sollte Deutschland durch eine eigenwillige Rechtsinterpretation Unsicherheiten schaffen, „werden wir dagegen aufstehen und unsere Grenzen ganz klar schützen“, sagte Bundeskanzler Karl Nehammer im Österreichischen Rundfunk. Die deutsche Regierung kann sich laut Nehammer höchstens auf eine Notstandsklausel in der EU-Aufnahme- und Bleiberichtlinie berufen.

Sollte Deutschland das tun, werde sich Österreich ebenfalls auf die Notstandsklausel berufen und zurückweisen. „Es kann nicht sein, dass der Druck einfach auf Österreich abgeladen wird“, sagte Nehammer. Österreich hat gemeinsame Grenzen mit Italien, Ungarn, Tschechien, Slowenien, der Slowakei, der Schweiz und Deutschland.

Einen Bruch des EU-Rechts lehnt der österreichische Kanzler ab. Man müsse sich an das gemeinsame Recht halten, damit man auch zu gemeinsamen Lösungen komme. „Manche Länder tun das nicht, die bekommen dann Strafen so wie Ungarn jetzt mit Hunderten Millionen Euro“.

Ankündigung Österreichs stößt auf Kritik

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat die Ankündigung Österreichs kritisiert, keine von Deutschland an der Grenze zurückgewiesenen Migranten aufzunehmen. Für ihn geht die Weigerung aber so oder so am Kern der Sache vorbei: Die Rechtslage sei eindeutig, sagte Herrmann in einem Interview der „Welt“.

„Es geht hier nicht darum, ob Österreich jemanden zurücknimmt, sondern es geht darum, ob Deutschland jemandem die Einreise verweigert. Und wenn Deutschland jemandem die Einreise verweigert, dann ist der Betreffende nach wie vor in dem Nachbarland und eben nicht eingereist.“ Insoweit stelle sich dann die Frage für Österreich nicht, ob sie jemanden „zurücknehmen“ wollten.

Der österreichische Innenminister hatte zuvor bereits Widerstand angekündigt. „Österreich wird keine Personen entgegennehmen, die aus Deutschland zurückgewiesen werden. Da gibt es keinen Spielraum“, sagte Gerhard Karner der „Bild“ und der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Er argumentierte, dass Deutschland zwar das Recht habe, Menschen zurückzuschicken, wenn ein anderes EU-Land für ihren Asylantrag zuständig sei. Dafür sei aber ein formelles Verfahren und die Zustimmung des betroffenen Mitgliedsstaates nötig. Zurückweisungen im Rahmen von Kontrollen an den EU-Binnengrenzen seien nicht erlaubt.

Zu den umfassenden Zurückweisungen von Migranten an den deutschen Grenzen und den angekündigten Grenzkontrollen gab es zuletzt keine Einigung. Die Union hat die Gespräche mit der Bundesregierung am Dienstag für gescheitert erklärt.

Herrmann bekräftigte derweil die Unions-Forderung an die Ampel, Zurückweisungen zu ermöglichen. „Wir brauchen schnelle Maßnahmen zur Begrenzung der massenhaften illegalen Einwanderung nach Deutschland. Grenzkontrollen gehören natürlich dazu.“ Der CSU-Politiker fügte hinzu: „Entscheidend sind aber nicht nur die Kontrollen, sondern was daraus folgt, nämlich die konsequente Zurückweisung von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen zurück in unsere sicheren Nachbarländer.“ (AFP, Reuters, dpa)

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