
© dpa/Philipp von Ditfurth
„Möchte nicht tatenlos zusehen, wie Europa ausgelöscht wird“: Von der Leyen wirbt für Wiederwahl und eine stärkere Verteidigung der EU
Ob die EU-Karriere von Ursula von der Leyen noch fünf Jahre weitergeht, liegt in den Händen des Europaparlaments. Heute ist der Tag der Entscheidung. Ihre Worte könnten entscheidend sein.
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„Europa steht an einem eindeutigen Scheideweg“, betonte Ursula von der Leyen schon zu Beginn ihrer größtenteils auf Englisch und Französisch vorgetragenen Rede in Straßburg. Die Entscheidungen, die die Europäische Union heute träfe, würden die Welt die nächsten 50 Jahre prägen, sagte die designierte Präsidentin der EU-Kommission am Donnerstagmorgen.
Die Frage sei nun, ob man sich nur anpassen oder die Zukunft selbst in die Hand nehmen wolle. „Wir können nicht alle Diktatoren unter unsere Kontrolle bringen“, sagte die CDU-Politikerin. Aber man könne unter anderem mehr in Sicherheit und Verteidigung investieren.
„Ich möchte nicht tatenlos zusehen, wie Europa ausgelöscht wird“, sagte von der Leyen und erhielt dafür viel Applaus vonseiten der EU-Parlamentarier. Sie sei überzeugt, dass es jetzt ein starkes Europa brauche und werbe deshalb für Vertrauen.
Die Geschichte klopft an unserer Tür.
Ursula von der Leyen
„Stillstand bedeutet demnächst Rückstand“, sagte sie. Aus ihrer Sicht würden sich Länder, die nicht mehr wettbewerbsfähig seien, zunehmend in Abhängigkeiten begeben. „Wir müssen einen Gang hochschalten“, sagte von der Leyen. Dafür brauche es konkret eine Vertiefung des Binnenmarktes, weniger Berichtspflichten, schnellere Genehmigungsverfahren und einen generellen Bürokratieabbau.
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Verfolgen Sie von der Leyens Rede hier:
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Von der Leyen will mehr Investitionen mobilisieren
Die CDU-Politikerin kündigte an, die Wettbewerbsfähigkeit ins Zentrum ihrer Arbeit stellen zu wollen. An den Klimazielen wolle sie weiter festhalten und beides noch stärker verzahnen. Das sei man auch der jungen Generation schuldig. „Wir müssen gerecht sein gegenüber den jungen Menschen“. Von der Leyen kündigte an, im Falle einer Wiederwahl innerhalb der ersten 100 Tage einen neuen „Clean Industrial Deal“ vorstellen zu wollen. So wolle man sicherstellen, dass das Zeitalter der europäischen Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Russland „ein für allemal“ vorbei sei. „Diese Legislaturperiode muss die Zeit der Investitionen sein“, sagte von der Leyen.
Dafür müsse die Kapitalmarktunion endlich abgeschlossen werden. Die EU-Kommissionspräsidentin wies darauf hin, dass jedes Jahr Ersparnisse im Wert von über 300 Milliarden Euro in ausländische Märkte investiert werden. „Das muss sich ändern“, sagte sie und kündigte eine Spar- und Investitionsunion an. Gleichzeitig brauche es auch mehr öffentliche Gelder. Im neuen EU-Haushalt müssten daher auch deutlich mehr Mittel für Investitionen abgestellt werden.
Deutliches Bekenntnis zur weiteren Unterstützung der Ukraine
Nach rund 20 Minuten sprang von der Leyen thematisch zur Sicherheits- und Verteidigungspolitik zurück. Dabei ging die CDU-Politikerin erneut auf die jüngste Reise des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán nach Russland ein. „Diese sogenannte Mission, war eine Beschwichtigungs- und keine Friedensmission“, sagte sie und erhielt den bis dahin längsten Applaus.
„Wir haben alle die Bilder der blutbefleckten Kinder gesehen. Wir haben die Mütter gesehen, die versucht haben, junge Krebspatienten in Sicherheit zu bringen.“ Dieser Angriff sei kein Versehen gewesen. „Er war eine kühle Nachricht des Kreml an uns alle.“ Die Antwort der EU müsse ebenso klar sein. „Europa wird an der Seite der Ukraine stehen, solange dieser Krieg dauert“, so von der Leyen. Danach setzte sie ihre Rede auf Französisch fort.
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Der Ukraine müsse man alles geben, was sie brauche. Damit schütze man auch die Bevölkerung in Europa. „Es ist Zeit, dass wir eine echte europäische Verteidigungsunion aufbauen“, sagte von der Leyen. Dabei gehe es etwa um einen europäischen Luftschutzschild. Zudem soll auch erstmals ein EU-Verteidigungskommissar ernannt werden. Sie bekräftigte, dass die Mitgliedstaaten weiterhin für ihre nationale Sicherheit und die Nato für die kollektive Verteidigung verantwortlich seien. Doch die Verteidigungsausgaben in Europa seien zu gering und die Beschaffung nicht effizient genug. Auch hier müsse man deutlich mehr investieren.
Zudem kündigte von der Leyen den Ausbau der Grenzschutzbehörde Frontex an. Die Behörde solle künftig 30.000 und damit dreimal so viel Beamte haben wie bisher vorgesehen. Sie schlug gleichzeitig ein „neues gemeinsames System zur Rückführung“ von Einwanderinnen und Einwanderern vor. Auch wolle man neue Migrationsabkommen mit Ländern des südlichen Mittelmeers schließen.
Von der Leyen will strengere Regeln für soziale Netzwerke
Um Kinder und Jugendliche besser vor Depressionen und anderen psychischen Krankheiten zu schützen, will Ursula von der Leyen soziale Netzwerke künftig strenger reglementieren. „Wir sehen immer mehr Berichte über das, was manche eine Krise der psychischen Gesundheit nennen“, sagte die CDU-Politikerin. In der kommenden Legislatur seien mehr Maßnahmen, etwa gegen süchtig machende Designs von Online-Plattformen, zu ergreifen. Zudem will von der Leyen die Auswirkungen von Medien auf die Gesundheit junger Menschen untersuchen lassen.
Zum Abschluss ihrer Rede wechselte von der Leyen dann wieder ins Englische. „Die Geschichte klopft an unserer Tür“, sagte sie. Das Bedürfnis nach Europa sei stärker als jemals zuvor. Die Verantwortung dafür ruhe auf den Schultern aller. Von der Leyen bekräftigte, dass sie die gemeinsame Arbeit weitere fünf Jahre fortsetzen wolle und schloss ihre Rede mit den Worten „Long live Europe“.
Die designierte Kommissionspräsidentin sprach selbstbewusst, verhaspelte sich nur selten. Ihre rund einstündige Rede hielt sie zum größten Teil auf Englisch und Französisch, kurzzeitig auch auf Deutsch. Aus sich heraus ging sie dabei nur vereinzelt, wie bei der weiteren Unterstützung der Ukraine. Applaus erhielt von der Leyen immer wieder, teilweise auch größeren. Begeistert wirkten die 720 Abgeordneten an diesem Donnerstagmorgen allerdings nur selten. Auf die Zukunft des umstrittenen Verbrenner-Aus ging von der Leyen in ihrer Rede überhaupt nicht ein.
Parlament stimmt ab 13 Uhr über von der Leyen ab
Bereits vor Wochen hatte die Gruppe der EU-Staats- und Regierungschefs Ursula von der Leyen für weitere fünf Jahre an der Spitze der Europäischen Kommission nominiert. Das letzte Wort in dieser Entscheidung haben die Parlamentarier. Eine zweite Chance hat sie nicht.
Die Abgeordneten im Europäischen Parlament stimmen am frühen Nachmittag über eine zweite Amtszeit für von der Leyen ab – angesetzt ist die Abstimmung für 13 Uhr.
Eigentlich besitzt die informelle Koalition aus Europäischer Volkspartei, Sozialdemokraten und Liberalen eine theoretische Mehrheit der Stimmen. Da aber keine Fraktionsdisziplin besteht, ist von der Leyen wohl auch auf Stimmen von den Grünen angewiesen. Sie dürfte zudem einige Stimmen aus dem Rechtsaußen-Lager bekommen.
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- Die EU
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- Krieg in der Ukraine
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- Ukraine
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