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Nach Tötung von Hamas-Chef Hanija: Iranische Revolutionsgarden drohen Israel mit „heiligem Zorn“
Nach der Tötung des politischen Anführers der islamistischen Hamas in Teheran droht der Iran Israel mit Vergeltung. Die USA schicken weitere Kriegsschiffe und Kampfjets nach Nahost.
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Die Sorge vor einer Eskalation wächst: Nach den tödlichen Anschlägen auf zwei hochrangige Feinde Israels in Teheran und in Beirut droht der Iran mit einem harten Vergeltungsschlag. An diesem würden sich auch die mit dem Iran verbündeter Milizen in der Region beteiligen, sagte der Kommandeur der iranischen Revolutionsgarden (IRGC), General Hussein Salami.
„Das kriminelle und terroristische zionistische Regime (Israel) und seine Unterstützer müssen mit dem heiligen Zorn der Widerstandsgruppen rechnen“, schrieb er auf dem Webportal der Revolutionsgarden.
Zu den nichtstaatlichen Verbündeten des Irans zählen die Huthi im Jemen und die Hisbollah-Miliz im Libanon, auch im Irak und Syrien gibt es Iran-treue Milizen. Des Weiteren zählt die islamistische Hamas in den palästinensischen Gebieten, gegen die Israel im Gazastreifen Krieg führt, zu den Klienten Teherans.
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In einem Schreiben an Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah sprach der Kommandeur der IRGC von einer harten und blutigen Rache. Israel werde für die Tötung von Hamas-Auslandschef Ismail Hanija in Teheran und Hisbollah-Kommandeur Fuad Schukr in Beirut einen hohen Preis bezahlen müssen, schrieb Salami. Israel hat sich zu dem Tod von Hanija bisher nicht geäußert. Die islamistische Hamas und der Iran machen Israel aber dafür verantwortlich.
Israel und USA stellen sich auf größeren Angriff ein
Diplomatische Versuche, eine Eskalation mit der Gefahr eines regionalen Krieges nach der Tötung des Hamas-Anführers Ismail Hanija in Teheran zu verhindern, blockt der Iran Medienberichten zufolge ab. Während Israels Armee in höchster Alarmbereitschaft ist, verlegen die USA nach Angaben des Pentagons zusätzliche Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge zur Abschreckung in die Region.
Beide Verbündete bereiteten sich auf die Abwehr eines Angriffs vor, der schon an diesem Wochenende erfolgen könnte, meldete das „Wall Street Journal“. Es werde befürchtet, dass ein Angriff diesmal breiter und komplexer sein wird als Irans Attacke auf Israel im April.
Damals hatte Teheran den jüdischen Staat mit 330 Raketen, Marschflugkörpern und Drohnen angegriffen. Allerdings erst, nachdem der Iran sein Vorhaben im Voraus Diplomaten signalisiert und Israel und den USA Zeit zur Vorbereitung gegeben hatte, wie das „Wall Street Journal“ festhielt. Am Ende konnte Israel die meisten Geschosse aus eigener Kraft und mithilfe der USA und anderer Verbündeter abfangen.
Der Iran lehnt offenbar Vermittlungsversuche ab
Dieses Mal agierten Israel und seine Verbündeten „in einem Vakuum“, schrieb die US-Zeitung. Der Mangel an Informationen und damit der Kalkulierbarkeit hat die gesamte Region im Nahen Osten in einen der gefährlichsten Momente seit Beginn des Gaza-Krieges im Oktober versetzt.
Israel hat alle roten Linien überschritten. Unsere Antwort wird schnell und hart sein.
Iranischer Diplomat im „Wall Street Journal“
Die Forderung „von befreundeten und nicht-befreundeten“ Staaten nach einer friedlichen Lösung sei für Teheran nach der gezielten Tötung Hanijas inakzeptabel, zitierte das Nachrichtenportal Iran Nuances informierte Quellen. „Israel hat alle roten Linien überschritten“, zitierte auch das „Wall Street Journal“ einen iranischen Diplomaten. „Unsere Antwort wird schnell und hart sein“, sagte der Diplomat.
Auch die Vermittlungsversuche würden Irans Entschlossenheit zu einem Vergeltungsschlag nicht verringern, heißt es im Bericht von Iran Nuances auf der Plattform X. Die USA werden dennoch weiterhin mit Verbündeten und Partnern zusammenarbeiten, um die angespannte Situation in der Region zu deeskalieren, wie das Pentagon weiter mitteilte.
Israel droht dem Iran im Falle eines Angriffs mit einer weitaus härteren Gegenreaktion als nach Irans Attacke im April. Damals habe sich Israel auf Bitten der USA und anderer Verbündeter bei der Antwort auf die Aggression zurückgehalten, sagte Israels nationaler Sicherheitsberater Zachi Hanegbi im Interview der „Bild“ und anderer Axel-Springer-Medien. „Das ist jetzt eine neue Situation. Man kann sich einmal zurückhalten, nicht zweimal“, fügte er hinzu.
USA verstärken Militärpräsenz
Angesichts der sich zuspitzenden Lage informierte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin seinen israelischen Kollegen Joav Galant über eine Neuaufstellung der militärischen Kapazitäten der USA in der Region, wie Pentagon-Sprecherin Sabrina Singh mitteilte.

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Es gehe darum, die Verteidigung Israels zu unterstützen und auf die „sich entwickelnde Krise“ in der Region reagieren zu können, erläuterte die Sprecherin. Zu diesem Zweck wies US-Verteidigungsminister Austin die Verlegung zusätzlicher Zerstörer mit der Fähigkeit zur Abwehr ballistischer Raketen sowie ein weiteres Jagdgeschwader in die Region an.
Zudem würden Schritte ergriffen, um die „Bereitschaft zum Einsatz zusätzlicher landgestützter ballistischer Raketenabwehr zu erhöhen“, hieß es in einer Mitteilung des Pentagons weiter.
Neun Tote bei Kämpfen im Westjordanland
Bei israelischen Luftangriffen in Tulkarem im israelisch besetzten Westjordanland sind nach Angaben beider Seiten neun Palästinenser getötet worden. Unter den Opfern eines ersten Drohnenangriffs habe sich ein örtlicher Kommandeur der Kassam-Brigaden, des bewaffneten Arms der islamistischen Hamas, befunden.

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Das israelische Militär teilte mit, dass es ein Fahrzeug beschossen habe. Ziel des Angriffs sei eine „Terrorzelle“ gewesen, die im Gebiet um Tulkarem aktiv war. Die fünf Männer sollen sich demnach auf dem Weg zur Ausführung eines Terroranschlags befunden haben.
Wenig später kehrte das Militär eigenen Angaben zufolge nach Tulkarem zurück. Als es unter Beschuss geriet, habe ein Angriff der Luftwaffe vier Militante getötet. Die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa bestätigte den Tod von vier Palästinensern bei diesem Zusammenstoß. Tulkarem gilt als eine Hochburg militanter Palästinenser.
Israel tötet Hisbollah-Kämpfer
Zudem soll Israels Militär laut Menschenrechtsaktivisten im Grenzgebiet des Libanons und Syriens Ziele der Hisbollah angegriffen haben. Israel habe ein Waffenlager mit Raketen und ein Hauptquartier der Miliz getroffen, erklärten libanesische Aktivisten sowie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Israel kommentiert Angriffe im benachbarten Syrien in der Regel nicht.
Israel greift dort aber regelmäßig Ziele der mit dem Iran verbündeten Milizen an. Über Syrien gelangt auch ein Großteil iranischer Waffen zur Hisbollah im Libanon, die sich seit Beginn des Gaza-Krieges vor zehn Monaten fast täglichen gegenseitigen Beschuss mit der israelischen Armee liefert.
Bei einem israelischen Angriff im Südlibanon ist nach Angaben beider Seiten zudem ein Kämpfer der Hisbollah getötet worden. Bei der Attacke auf ein Fahrzeug nahe dem Ort Basurieh wurden nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums auch zwei Personen verletzt.
Das israelische Militär teilte mit, dass es einen Hisbollah-Kämpfer ausgeschaltet habe. Der Mann habe bei der Planung und Ausführung von Angriffen auf Israel eine zentrale Rolle gespielt. Auch die Schiiten-Miliz bestätigte seinen Tod. Die Hisbollah reklamierte einen Angriff auf Nordisrael für sich.
Die Hisbollah handelt nach eigenen Angaben aus Solidarität mit der Hamas im Gazastreifen. In der Region wächst nach den Tötungen von Hanija und Schukr in Beirut die Sorge vor einem kriegerischen Konflikt zwischen Israel und dem Iran und dessen Verbündeten wie der Hisbollah.
Iran feuerte Drohnen und Raketen auf Israel
Ein solcher drohte bereits nach dem 14. April, als die iranischen Revolutionsgarden Hunderte Drohnen und Raketen auf Israel abfeuerten. Hintergrund der Attacke war damals ein Israel zugeschriebener Angriff auf das iranische Botschaftsgelände in der syrischen Hauptstadt Damaskus, bei dem Anfang April zwei iranische Generäle getötet worden waren.

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Israel hatte damals mit einem Gegenangriff auf einen Luftwaffenstützpunkt im Zentraliran reagiert, worauf Teheran erklärt hatte, die Sache nicht mehr weiter verfolgen zu wollen. Israels Sicherheitsberater Hanegbi warnte im „Bild“-Interview den Iran nun vor einem neuen Angriff.
Geisel-Verhandlungen gehen weiter
Die Tötung von Hanija habe bei den Verhandlungen um eine Waffenruhe im Gaza-Krieg „nicht geholfen“, sagte auch US-Präsident Joe Biden. Die Angriffe auf Hanija und Schukr hatten zuletzt befürchten lassen, dass die indirekten Verhandlungen um eine Waffenruhe in Gaza zum Erliegen kommen. Zum Angriff auf Schukr hatte sich Israel bekannt. Zum Anschlag auf Hanija nahm es bislang nicht Stellung. Der Iran und die Hamas machen Israel dafür verantwortlich.
Dennoch gehen die Bemühungen um eine Waffenruhe im Gaza-Krieg weiter. Netanjahu habe die Entsendung einer Delegation zu Gesprächen in Kairo genehmigt, teilte das Büro des israelischen Ministerpräsidenten mit. Die Abordnung werde heute Abend oder am Sonntag in die ägyptische Hauptstadt aufbrechen, hieß es.
Allerdings weckte die Mitteilung des Büros von Netanjahu keine großen Erwartungen in die bevorstehende Gesprächsrunde in Kairo. Die Hamas halte weiterhin an Forderungen fest, die für Israel inakzeptabel seien, hieß es darin.
Bei den indirekten Verhandlungen vermitteln Ägypten, Katar und die USA. Sie zielen auch auf eine Freilassung israelischer Geiseln in der Gewalt der Hamas ab. Im Gegenzug sollen palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen freikommen. Die Gespräche drehen sich seit Monaten im Kreis. (dpa)
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