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Wende im Nahost-Konflikt: Großbritannien, Kanada, Australien und Portugal erkennen Staat Palästina an
Die vier Staaten gaben den Schritt am Sonntag bekannt. Es sind die ersten großen westlichen Wirtschaftsnationen, die Palästina anerkennen.
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In Großbritannien, Kanada und Australien haben am Sonntagnachmittag erstmals große westliche Wirtschaftsnationen den Staat Palästina anerkannt. Das gaben die jeweiligen Staats- und Regierungschefs am Sonntag kurz vor Beginn der UN-Generaldebatte in der kommenden Woche bekannt. Portugal zog am Sonntagabend nach.
Bei der UN-Generaldebatte wollen noch weitere westliche Nationen wie Frankreich und Belgien nachziehen – trotz Warnungen Israels, die Anerkennung eines Palästinenser-Staates komme einer „Belohnung für die Hamas“ gleich.
Kanada verfolge im Nahost-Konflikt weiter die Zweistaatenlösung, erklärte der kanadische Premierminister Mark Carney. Die israelische Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu arbeite systematisch daran, die Entstehung eines palästinensischen Staates zu verhindern.
Deswegen erkenne Kanada nun als Teil einer internationalen Initiative einen palästinensischen Staat an, um die Perspektive einer Zweistaatenlösung zu erhalten, erklärte Carney weiter.
Angehörige von Geiseln verurteilten Palästina-Anerkennung
Israel lehnt die Zweistaatenlösung heute ab, weil sie die Existenz des jüdischen Staates gefährde. Die Regierung wirft dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas überdies vor, Terror zu fördern, und kritisiert eine Anerkennung als Belohnung für die Hamas nach dem Massaker vom 7. Oktober 2023. Die Terrororganisation Hamas will Israel zerstören und einen islamischen Staat errichten.
Gleichzeitig treibt die Netanjahu-Regierung den Siedlungsbau in Westjordanland und Ost-Jerusalem systematisch voran und schafft so Fakten vor Ort. Über 700.000 Siedler leben dort neben drei Millionen Palästinensern auf erobertem Land von 1967. Laut Umfragen glaubt aktuell nur eine kleine Minderheit der Israelis, dass eine friedliche Koexistenz mit einem palästinensischen Staat möglich wäre.
Angehörige israelischer Geiseln im Gazastreifen verurteilten die Anerkennung eines palästinensischen Staates durch Großbritannien, Kanada und Australien. Noch immer befänden sich nach dem Massaker vom 7. Oktober 2023 48 Geiseln in der Gewalt der islamistischen Terrororganisation Hamas, hieß es in einer Mitteilung des Forums der Geiselfamilien. Eine Anerkennung könne erst nach ihrer Freilassung erfolgen – das sei eine „moralische und humanitäre Pflicht“.
Ein Schritt, der falsch ist, empörend und unmoralisch.
Gideon Saar, israelischer Außenminister
Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu kündigte einen Ausbau jüdischer Siedlungen im palästinensischen Westjordanland an. Er habe in den vergangenen Jahren trotz „enormen Drucks“ aus dem In- und Ausland die Schaffung eines palästinensischen „Terrorstaates“ verhindert, sagte Netanjahu am Sonntag. Gleichzeitig habe Israel die Zahl der jüdischen Siedlungen im Westjordanland verdoppelt und werde „diesen Weg fortsetzen“.
An diejenigen Staaten gerichtet, die einen Palästinenserstaat anerkennen, sagte Netanjahu, dieser werde niemals zustande kommen: „Ich habe eine klare Botschaft: Kein Palästinenserstaat wird westlich des Jordans errichtet werden.“ Staaten, die nach dem Überfall der radikalislamischen Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 einen palästinensischen Staat anerkennen, belohnten damit den „Terror“, warnte der israelische Ministerpräsident.
„Die meisten Staaten der Welt haben bereits früher einen palästinensischen Staat anerkannt“, sagte der israelische Außenminister Gideon Saar nach Angaben seines Büros. „Das war natürlich ein Fehler. Aber jene Länder, die dies jetzt tun, nach dem 7. Oktober, unternehmen einen Schritt, der falsch ist, empörend und unmoralisch.“
Israel droht mit Annexion
Israels rechtsextremer Polizeiminister Itamar Ben-Gvir forderte eine sofortige Annexion des Westjordanlands. Außerdem müsse die Palästinensische Autonomiebehörde, die er als „Terrorbehörde“ bezeichnete, komplett zerschlagen werden, forderte er in einem Post auf der Plattform X.
Ben-Gvir verurteilte die Anerkennung mit Blick auf das beispiellose Massaker in Israel am 7. Oktober 2023 als Preis für Mörder, die der islamistischen Terrororganisation Hamas angehörten. Er werde bei der nächsten Regierungssitzung einen Vorschlag zur „Ausweitung der (israelischen) Souveränität“ vorlegen – damit ist de facto eine Annexion gemeint, die einen eigenen palästinensischen Staat in noch weitere Ferne rücken ließe.
Deutschland plant vorerst keinen Staat Palästina anzuerkennen. Kanzler Friedrich Merz betonte, die Voraussetzungen dafür seien nicht erfüllt. Eine Anerkennung sei der letzte Schritt auf dem Weg zur Zweistaatenlösung, die durch Verhandlungen erreicht werden müsse. Existenz und Sicherheit Israels sind für die Bundesregierung Staatsraison und man will künftige Vermittlungsbemühungen nicht erschweren.
US-Außenminister Marco Rubio kritisierte, die Anerkennung eines palästinensischen Staates erschwere die Beendigung des Gaza-Kriegs, weil sie die Hamas ermutige. Ghazi Hamad, hochrangiges Hamas-Mitglied, hatte die Anerkennung zuletzt „Früchte des 7. Oktober“ gelobt. (dpa)
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