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 Ein Bundeswehrsoldat überprüft die Tarnung und Ausrüstung eines Spähpanzers Fennek.

© Imago/Joeran Steinsiek

Ringen um Sicherheitsgarantien für Kiew: Europäer zeigen sich nach ersten Verhandlungen mit den USA ernüchtert

Nachdem die Beratungen mit den Amerikanern über Sicherheitsgarantien begonnen haben, macht sich bei den Europäern Unsicherheit breit. Die Verhandlungen könnten zäher werden als gedacht.

Stand:

Der oberste politische Vertreter des US-Verteidigungsministeriums, Elbridge Colby, hat einer kleinen Gruppe von europäischen Verbündeten am Dienstagabend mitgeteilt, dass die USA nur eine minimale Rolle bei den Sicherheitsgarantien für die Ukraine spielen wollen, wie das Nachrichtenmagazin „Politico“ berichtet. Auch US-Vizepräsident JD Vance erklärte am Mittwoch, dass die europäischen Länder den Hauptanteil der Last für die Sicherheitsgarantien der Ukraine übernehmen müssten.

Die USA sollten zwar helfen, wenn es nötig sei, um den Krieg und das Töten zu beenden, erklärte Vance. US-Präsident Donald Trump erwarte jedoch, dass Europa hier die führende Rolle spiele. „Ganz gleich, welche Form dies annimmt, die Europäer werden den Löwenanteil der Last übernehmen müssen“, sagte er dem US-Fernsehsender Fox News.

Beide Aussagen zeigen, dass auf Europa große militärische Aufgaben zukommen, falls es zu Sicherheitsgarantien für die Ukraine kommt. Die Garantien sollen verhindern, dass Russland nach einem Friedensabkommen die Ukraine erneut angreift.

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Bei dem Treffen am Dienstag waren hochrangige Armeevertreter aus den USA und Europa in Washington zu Gesprächen zusammengekommen. Laut „Politico“ hätten die Vertreter aus Frankreich, Deutschland, Großbritannien und Finnland darauf gedrungen, von den Amerikanern Details zu erfahren, wie viele Truppen und wie viel Luftunterstützung sie für eine Friedensmission stellen könnten.

Für die Europäer wurde es am Mittwoch nicht besser. Da kam eine größere Runde von Armee- und Verteidigungsverantwortlichen aus Europa und den USA in einem Video-Call zusammen.

Laut „Politico“ hätten die beiden Treffen „die Besorgnis der Verbündeten verstärkt, dass Präsident Donald Trump sich auf Europa verlassen werde, um einen langfristigen Frieden zu sichern“. Das hätten sechs namentlich nicht genannte amerikanische und europäische Beamte nach den Treffen am Dienstag und Mittwoch erklärt, schreibt „Politico“.

Wir sind so ziemlich wieder dort, wo wir im Frühjahr mit der Koalition der Willigen waren.

Europäischer Beamter zu den Gesprächen mit den USA über Sicherheitsgarantien.

„Es zeichnet sich ab, dass Europa die Sicherheit vor Ort umsetzen wird“, sagte ein Nato-Diplomat, der über die Gespräche informiert wurde, gegenüber „Politico“ „Die USA sind zu nichts vollständig verpflichtet.“

„Ich weiß nicht, wo uns das hinführt“, erklärte wiederum einer der europäischen Beamten. „Wir sind so ziemlich wieder dort, wo wir im Frühjahr mit der Koalition der Willigen waren.“ In der sogenannten „Koalition der Willigen“ hatten sich vor einigen Monaten europäische und nicht-europäische Länder zusammengeschlossen, um die Ukraine stärker mit Waffenlieferungen zu unterstützen. Die USA waren nicht dabei.

Elbridge Colby im Juli 2024 auf einer Konferenz. Nun ist er die zweite Hand des US-Verteidigungsministers Pete Hegseth. Er kritisiert schon länger die Waffenhilfe für die Ukraine.

© IMAGO/Middle East Images/IMAGO/Dominic Gwinn

Colby wiederum, der die Verhandlungen am Dienstag führte, ist bei den Europäern kein Unbekannter. Er hatte Anfang Juli in einer Einzelaktion die Waffenlieferungen an die Ukraine gestoppt. US-Präsident Trump wusste laut eigener Aussage nichts von der Aktion.

Am Donnerstag soll der Verhandlungsmarathon weitergehen, wenn sich US-Außenminister Marco Rubio mit Verbündeten zusammensetzt, um Details für einen militärischen Einsatz zum Schutz der Ukraine zu besprechen.

Sich auf Sicherheitsgarantien zu einigen, das zeigt sich nun, wird wohl die schwierigste Aufgabe der Länder, die bisher die Ukraine unterstützen. Ohne weitreichende Sicherheitsgarantien, das hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zuletzt mehrfach klargemacht, wird es keine Gespräche mit Russland über Gebietsabtretungen geben.

Das wichtigste Ergebnis des Treffens zwischen Trump und den europäischen Staats- und Regierungschefs am Montag in Bezug auf die Sicherheitsgarantien war, dass sich die USA in irgendeiner Form beteiligen würden. Immerhin, denn Trump hatte das zuvor lange ausgeschlossen. In welcher Form das allerdings passieren könnte, blieb weitgehend unklar.

Trump erklärte, dass er sich vorstellen könnte, dass die USA Bodentruppen aus Westeuropa aus der Luft unterstützen. Kein Land außer seines hätte dafür die nötigen Kapazitäten und das Material, erklärte Trump.

Reicht den Europäern die Luftunterstützung der USA?

Am Mittwoch berichtete das „Wall Street Journal“ unter Berufung auf mit der Sache vertraute Offizielle, dass Trump schon nach seinem Treffen mit Putin in Alaska am vorigen Freitag seinen Generalstabschef Dan Caine gebeten habe, Details auszuarbeiten, wie sich die USA an einer Frieden sichernden Mission beteiligen könnten.

Die Mission soll der Beistandsverpflichtung der Nato nahekommen. Die ist im Artikel 5 des Nato-Vertrages festgeschrieben und besagt, dass der Angriff auf ein Mitglied ein Angriff auf alle Mitglieder ist. Laut Medienberichten soll der Vorschlag ursprünglich auf Italiens Regierungschefin Georgia Meloni zurückgehen. Die Ukraine bekäme also einen Nato-ähnlichen Schutz, ohne Mitglied der Nato zu sein.

Laut dem Bericht des „Wall Street Journal“ könnten die USA von außerhalb des ukrainischen Luftraums Aufklärungsdrohnen und Flugabwehr stellen sowie generell mit Geheimdienstinformationen helfen. Das wäre deshalb wichtig, weil die europäischen Staaten – wie Trump sagt – diese Kapazitäten nicht haben.

So berichtet auch die in London erscheinende „Times“, dass die Europäer die Amerikaner bei den Treffen am Dienstag und Mittwoch gedrängt hätten, Kampfflugzeuge in Rumänien zu stationieren. Zu den Forderungen gehörte auch, dass die Europäer dauerhaft auf US-Satelliten zur Überwachung zurückgreifen dürfen, dass die USA die Ukraine verlässlich mit Raketen für die Luftabwehr beliefern und Spionageflugzeuge über dem Schwarzen Meer einsetzen dürften. Eine weitere Idee war, dass die USA das Schwarze Meer mit Schiffen absichern, um im Kriegsfall eine erneute Blockade des ukrainischen Schiffsverkehrs durch die Russen zu verhindern.

Aber: Reicht den Europäern die Luftunterstützung der USA? Denn die heikle Frage ist: Wer stellt seine Soldaten im Ernstfall Putin in den Weg?

Klar ist allen: Eine Friedenstruppe ohne die USA hätte kaum abschreckende Wirkung auf Putin.

50.000 Soldaten würden für die Friedenssicherung gebraucht

Großbritannien und Frankreich hatten sich schon vor der Wahl Trumps öffentlich bereiterklärt, Soldaten für eine Friedensmission zu stellen. Vertreter der beiden Staaten waren sogar schon in der Ukraine, um Details zu besprechen. Von den militärisch bedeutsamen Nationen geben sich Deutschland, Italien und Polen bisher offiziell eher skeptisch, was die Entsendung von Bodentruppen angeht.

Frankreich wäre laut dem Bericht des „Wall Street Journal“ bisher bereit, rund 5000 Soldaten zu stellen. Laut Informationen der „Times“ könnte Großbritannien 3000 bis 5000 Soldaten schicken, die die ukrainische Armee ausbilden sollen. Zudem könnte Großbritannien Luft- und Seeunterstützung leisten. Schweden erklärte am Mittwoch, dass es mit Luftüberwachung und Seekräften helfen könnte.

Experten gehen davon aus, dass es mindestens 50.000 Soldaten in der Ukraine bräuchte, um den Frieden zu sichern.

Laut den für gewöhnlich gut unterrichteten Reportern der Nachrichtenagentur „Bloomberg“ sind Stand Montag zehn Länder bereit, darunter wohl auch Kanada und Australien, Soldaten in die Ukraine zu schicken. Frankreich und Großbritannien würden dabei den Kern der Truppe bilden.

Russland wiederum hat am Mittwoch erneut erklärt, dass es keine Truppen eines Nato-Landes in der Ukraine akzeptieren würde. Wie diese zahlreichen Widersprüche aufzulösen sind, ist aktuell völlig unklar. Zudem besteht Russland darauf, dass der Einsatz einer Friedenstruppe durch das Veto von einem der dauerhaften Mitglieder des UN-Sicherheitsrates gestoppt werden könnte. Zu dem gehören neben den USA, Frankreich und Großbritannien auch China und Russland.

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