
© Mikhail Klimentyev/Russian President Press Office/TASS/dpa
Russische Atomwaffen in Belarus: Was hinter Putins Nuklear-Plan steckt
Wladimir Putin kündigt an, Nuklearwaffen im Nachbarland Belarus zu stationieren. Will der Kremlchef Angst vor einer atomaren Eskalation schüren oder verfolgt er andere Ziele?
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Wladimir Putin versteht es, Ängste zu schüren. Vor allem beim Wort „Atomwaffen“ kann sich der Kremlchef sicher sein, dass er Beachtung findet. Wenn dann noch Russlands nukleares Arsenal näher an Europa heranzurücken scheint, ist Aufmerksamkeit garantiert.
So war es auch am Samstagabend. Putin kündigte im Staatsfernsehen an, es würden zum 1. Juli taktische Atomwaffen im verbündeten Nachbarland Belarus in einem speziellen Lager stationiert. Darauf hätten sich die Regierungen in Minsk und Moskau verständigt. Machthaber Alexander Lukaschenko habe schon längere Zeit darum gebeten.
Es wäre das erste Mal seit den 90er-Jahren, dass Russland Nuklearwaffen außerhalb des eigenen Staatsgebietes bereithält. Allerdings behalte Moskau die Kontrolle über die Sprengköpfe, sagte Putin in seiner Fernsehansprache. Der internationale Atomwaffensperrvertrag werde dadurch nicht verletzt. Konkret wird der Schritt damit begründet, dass Großbritannien erwäge, Uranmunition an die Ukraine zu liefern.
Russland will die Kontrolle über die Sprengköpfe behalten
Putin verwies darauf, dass auch die USA bei Verbündeten in Europa Atomwaffen stationiert haben. „Wir machen nur das, was sie schon seit Jahrzehnten machen.“
Die USA haben im Zuge der atomaren Abschreckung der Nato in mehreren europäischen Ländern Nuklearbomben. Offizielle Angaben gibt es nicht, sie sollen jedoch in den Niederlanden, Belgien, Italien und Deutschland lagern sowie im asiatischen Teil der Türkei.
Es gibt keinen strategischen Vorteil für Russland. Alle Ziele, die von Belarus aus künftig zu erreichen wären, sind es schon heute von russischem Boden aus.
Markus Kaim, Stiftung Wissenschaft und Politik
Was bedeutet Putins Ankündigung und was will er damit bezwecken? Markus Kaim von der Stiftung Wissenschaft und Politik geht davon aus, dass in Belarus stationierte taktische Atomwaffen militärisch unbedeutend sind. „Es gibt keinen strategischen Vorteil für Russland. Alle Ziele, die von Belarus aus künftig zu erreichen wären, sind es schon heute von russischem Boden aus.“

© dpa/Alexander Zemlianichenko
Experten zufolge verfügt Moskau über 2000 taktische Atomwaffen. Im Unterschied zu strategischen Atomwaffen, transportiert mit Interkontinentalraketen, haben taktische eine geringere Sprengkraft und Reichweite. Sie sind für den direkten Einsatz auf dem Schlachtfeld vorgesehen.
Kaim betont deshalb auch, Putin verfolge mit seinem jüngsten Vorstoß in erster Linie politische Ziele. „Er bemüht sich ganz gezielt, in einer europäischen Öffentlichkeit Unruhe zu stiften, weiter Angst vor einer nuklearen Eskalation zu verbreiten.“ Gerade in Deutschland stehe dabei im Mittelpunkt. „Wir reagieren auf derartige Ankündigungen deutlich stärker und besorgter als beispielsweise Frankreich.“
Ähnlich sieht das Experte Hans Kristensen von der auf Rüstungsthemen spezialisierten Federation of American Scientists. „Das ist ein Teil von Putins Versuch, die Nato einzuschüchtern“, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters.
Steigt mit der Stationierung das Risiko einer nuklearen Eskalation?
In einer Erklärung des US-Instituts für Kriegsstudien heißt es ebenfalls, der russische Präsident wolle die Unterstützung für die Ukraine etwa bei der Lieferung schwerer Waffen unterminieren. Das Risiko einer „Eskalation hin zu einem Nuklearkrieg“ bleibe „extrem niedrig.“
In Washington gaben sich die Verantwortlichen betont zurückhaltend, sie sehen derzeit keinen Handlungsbedarf. So erklärte das Präsidialamt, es sei weder ein Grund zur Änderung der US-Nuklearwaffenpolitik zu erkennen noch gebe es Anzeichen für Vorbereitungen Russlands zum Einsatz einer Nuklearwaffe.
Die Regierung von Joe Biden gibt sich betont gelassen
Die Vereinigten Staaten beobachteten die Lage und blieben der kollektiven Verteidigung der Nato verpflichtet. Ähnlich äußerte sich das US-Verteidigungsministerium. Ein hoher Regierungsbeamter sagte, Russland und Belarus hätten bereits seit dem vergangenen Jahr über eine solche Vereinbarung gesprochen.
Und wie reagiert die deutsche Politik? Mit demonstrativer Gelassenheit. Offenbar herrscht auch hier die Einschätzung vor, dass es Putin vor allem darum gehe, den Westen zu verunsichern. Das Auswärtige Amt wirft Russland vor, es betreibe „nukleare Einschüchterung“.
Anton Hofreiter von den Grünen sagte der Funke Mediengruppe: „Nukleare Drohungen gehören seit Beginn des russischen Angriffskriegs zum Repertoire des Kreml.“ CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter betonte, Putin ziele bewusst auf die Angst durch die permanente Betonung eines „völlig unrealistischen Atomkriegs“.
Wesentlich besorgter zeigt sich die Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN). Putins Plan sei eine „extrem gefährliche Eskalation“, warnte die mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Organisation in Genf. Dies erhöhe die Wahrscheinlichkeit, dass solche Waffen zum Einsatz kommen. „Im Kontext des Ukraine-Kriegs ist das Risiko einer Fehleinschätzung oder Fehlinterpretation extrem hoch.“
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