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Polens neuer Präsident Nawrocki kommt am Dienstag nach Berlin.

© Imago/Newspix/Damian Burzykowski

Polens Präsident Nawrocki besucht Berlin: Ein Gast, wie man ihn sich nicht wünscht

Polens neuer Präsident Nawrocki kommt zum Antrittsbesuch: Er ist kein Wunschpartner für Kanzler Merz und Präsident Steinmeier. Wegen der Gefahrenlage in Europa haben sie jedoch allen Grund zur Kooperation.

Christoph von Marschall
Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Stand:

Wenn es schlecht läuft, hält der Volksmund Trost bereit: „Lächle und sei froh, es könnte schlimmer kommen!“ Freunde des schwarzen Humors reagieren darauf gern mit der Entgegnung: „Und dann kam es schlimmer!“

An diesem Dienstag kommt Polens neuer Präsident Karol Nawrocki zum Antrittsbesuch nach Berlin. Da erleben wohl viele Zeitzeugen der deutsch-polnischen Aussöhnung nach dem Mauerfall 1989 einen solchen Zwiespalt zwischen Enttäuschung über die Lage, tröstender Dankbarkeit für das Erreichte und Beklemmung, was da noch kommen könnte.

Der Nationalpopulist ist gewiss kein Wunschpartner für Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzler Friedrich Merz.

Weit zurück liegen die Zeiten, in denen Deutsche und Polen nach dem Kalten Krieg mit viel gutem Willen aufeinander zugingen. Als Premier Tadeusz Mazowiecki und Kanzler Helmut Kohl sich bei der Versöhnungsmesse in Kreisau umarmten und eine neue Ära guter Nachbarschaft heraufzuziehen schien.

Vieles wurde besser, zumal in der Wirtschaftskooperation. Polen ist heute der fünftgrößte Handelspartner Deutschlands, vor größeren Volkswirtschaften wie Italien und Großbritannien, und schickt sich an, Frankreich einzuholen.

Da kommt ein selbstbewusster, fordernder Gast nach Berlin. Aus Nawrockis Sicht gibt es keinen Grund, warum die Deutschen herablassend auf ihren Nachbarn im Osten schauen können. Er erwartet einen Umgang auf Augenhöhe.

Christoph von Marschall, Diplomatischer Korrespondent der Chefredaktion

In der Regierungspolitik hingegen haben die Konflikte zugenommen, insbesondere in den acht Regierungsjahren der nationalkonservativen PiS 2015 bis 2023. Sie könnte 2027 erneut an die Macht kommen.

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Nawrockis Wahlsieg im Juni war ein Warnzeichen. Er hat mit antideutschen Parolen und der Forderung nach Reparationen für die Zerstörung Polens durch das NS-Regime um Stimmen geworben. Ein Gutachten im Auftrag der PiS beziffert die geforderte Entschädigung mit 850 Milliarden Euro.

Merz und Steinmeier werden das zurückweisen. Die Reparationsfragen sind vertraglich geregelt und abgeschlossen. Auch bei anderen Streitthemen werden sie sich von der nationalpopulistischen Linie Nawrockis abgrenzen wollen: von der Energie- und Klimapolitik über Migrationsfragen bis zum Umgang mit US-Präsident Donald Trump und Polens Verhältnis zur EU.

Doch dieser Karol Nawrocki ist, erstens, ihr Gast; Gäste heißt man herzlich willkommen. Zweitens ist er das Staatsoberhaupt der östlichen Nachbarn. An ihm führt kein Weg vorbei, wenn sie das bilaterale Verhältnis verbessern wollen. Drittens verdient Polen derzeit ganz besonders die deutsche Solidarität.

Putin lässt Angriff auf die Nato-Ostflanke üben

Russlands Präsident Wladimir Putin lässt beim gemeinsamen Manöver mit Belarus namens „Zapad“ (Westen) die Vorbereitung für einen Angriff auf die Ostflanke der Nato üben. Kurz zuvor hat er mehr als ein Dutzend Drohnen in Polens Luftraum geschickt. Deutschland und Frankreich haben Kampfflugzeuge verlegt, um den Nato-Partner zu schützen.

Das wird Putin nicht sonderlich beeindrucken. Er hat keinen Respekt vor den europäischen Nato-Streitkräften. Die einzige Militärmacht, die er fürchtet, sind die USA. Aber würden die den Europäern im Falle eines Falles zu Hilfe kommen, wie das der Nato-Vertrag vorsieht? Präsident Trump hat Zweifel daran gesät.

Erst zu Trump nach Washington, dann Berlin

Nawrocki hat einen guten Draht zu Trump. Beim Antrittsbesuch im Weißen Haus hat er ihn zu der Zusage gebracht, keine US-Truppen aus Polen abzuziehen – und sie eventuell sogar zu verstärken.

Da kommt ein selbstbewusster, fordernder Gast nach Berlin. Aus Nawrockis Sicht gibt es keinen Grund, warum die Deutschen herablassend auf ihren Nachbarn im Osten schauen können. Er erwartet einen Umgang auf Augenhöhe.

Merz und Steinmeier täten sich gewiss leichter, wenn der Gegenkandidat der liberalen Regierung Polens, Warschaus Oberbürgermeister Rafal Trzaskowski, die Präsidentenwahl gewonnen hätte. Doch Nawrocki siegte. Und die Gefahrenlage in Europa lässt ihnen wenig Spielraum, sich von Nawrocki abzugrenzen. Sie erzwingt die Solidarität mit Polen.

Unter dem Strich bleibt: Trotz der Reibungen mit dem PiS-Lager haben Merz und Steinmeier allen Grund, für die vielen Fortschritte in der deutsch-polnischen Nachbarschaft dankbar zu sein. Denn: Es könnte wirklich schlimmer kommen!

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