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Europas Demagoginnen: Alice Weidel, Sahra Wagenknecht, Marine Le Pen, Giorgia Meloni

© Gestaltung: Tagesspiegel/Fotos: Mario Heller, AFP/Tiziana Fabi, AFP/Francois Walschaerts, dpa/Kay Nietfeld

Thank God It’s International Friday 10: Europas Demagoginnen: Meloni, Le Pen & Co.

Die Themen der Woche: Scholz in Indien | Putins nordkoreanische Soldaten in der Ukraine | Die Probleme der Umfragen zur US-Wahl | Hochsprung über Bill Gates

Anja Wehler-Schöck
Eine Kolumne von Anja Wehler-Schöck

Stand:

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Wer ist hier isoliert? Der russische Präsident Wladimir Putin konnte diese Woche der ganzen Welt zeigen, dass er es jedenfalls nicht ist. Mehr als 20 Staats- und Regierungschefs folgten seiner Einladung zum Brics-Gipfel in Kazan im Südwesten Russlands.
Zu den ursprünglichen Brics-Mitgliedern Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika gesellten sich bei diesem Gipfel zum ersten Mal auch die Neuzugänge Iran, Ägypten, Äthiopien und die Vereinigten Arabischen Emirate.

Gruppenfoto beim Brics-Gipfel im russischen Kazan

© IMAGO/SNA/IMAGO/Kristina Kormilitsyna

Entsteht hier ein Gegenentwurf zur westlichen Staatengemeinschaft? Nein, denn dafür sind die Brics-Staaten viel zu heterogen. Aber der Gipfel in Kazan sendet eine deutliche Botschaft in Richtung Westen: Wir tragen die globale Ordnung, wie Ihr sie praktiziert, nicht mehr mit.

Modi: Keine Umarmung für Scholz

Umso wichtiger ist es, dass Deutschland daran arbeitet, die Beziehungen zu Partnern im Globalen Süden zu vertiefen. Darüber, dass Indiens Premierminister Narendra Modi ihn bei seiner Ankunft in Neu-Delhi am heutigen Freitag nur mit einem Handschlag begrüßte und nicht wie Putin in Kazan innig umarmte, sollte Bundeskanzler Olaf Scholz beherzt hinwegsehen.

Indischer Premier Narendra Modi: nur ein Handschlag für den Kanzler.

© IMAGO/aal.photo/IMAGO/Sondeep Shankar

Mit sieben Ministern nimmt Scholz in der indischen Hauptstadt an Regierungskonsultationen teil. Dabei werden, anders als bei den bisherigen Gesprächen, auch sicherheitspolitische Fragen eine zentrale Rolle spielen. Indien bezieht einen Großteil seiner Rüstungsgüter aus Russland. Deutschland will dazu beitragen, dass sich das ändert.

Und auch China wird auf der Tagesordnung stehen. „Ein Gleichgewicht im Indo-Pazifik – der weltpolitisch entscheidenden Region der kommenden Jahrzehnte – und ein Verhindern chinesischer Hegemonie ist nur mit einem starken Indien möglich“, schreibt Thorsten Benner, Direktor des Global Public Policy Institute, in seinem Gastbeitrag.

Putins nordkoreanische Soldaten in der Ukraine

Die Geheimdienste mehrerer Länder haben in den vergangenen Tagen Berichte bestätigt, dass Tausende Soldaten aus Nordkorea nach Russland verlegt worden seien. Der ukrainische Präsident Selenskyj warnt vor einer Eskalation. Er rechnet damit, dass die Soldaten bereits an diesem Wochenende als Teil der russischen Truppen in der Ukraine eingesetzt werden könnten.

Auch der Konflikt zwischen Nord- und Südkorea könnte damit nach Europa getragen werden. Bisher hatte Seoul die Ukraine nur humanitär unterstützt. Mit der Entsendung nordkoreanischer Soldaten zur Unterstützung Russland könnte sich das nun ändern, schreibt meine Kollegin Yulia Valova.

Moldau und Georgien: Der pro-europäische Kurs ist in Gefahr

Mit einem blauen Auge für Europa gingen die Wahlen in der Republik Moldau am vergangenen Wochenende aus. Mit hauchdünner Mehrheit stimmen die Wählerinnen und Wähler dafür, dass ihr Land das Ziel eines EU-Beitritts in der Verfassung verankert. Die pro-europäische Präsidentin Maia Sandu konnte sich zwar eine zweite Amtszeit sichern, allerdings bei weitem nicht mit dem erhofften Ergebnis.

Bereits im Vorfeld hatten Beobachter über die massiven Versuche Russlands berichtet, durch Desinformation die Wahl zu beeinflussen. Experten sprechen von umfangreicher Wahlmanipulation. „Es gibt gut dokumentierte Fälle von Einflusskauf, meist über Strukturen des ins Ausland geflüchteten Oligarchen Ilan Shor“, sagt Felix Hett von der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Für die georgischen Wählerinnen und Wähler steht an diesem Wochenende ebenfalls viel auf dem Spiel. Georgiens aktuelle pro-russische Regierung lässt den geplanten EU-Beitritt des Landes in weite Ferne rücken. Meine Kollegin Hannah Wagner sieht die Parlamentswahl am morgigen Samstag als letzte Chance für das Land, sich dem Einfluss Moskaus zu entziehen.

Meloni und Le Pen: Strategische Mäßigung

Auf Einladung von Soroptimist International habe ich diese Woche mit Hélène Kohl und Ursula Bitzegeio über das „Phänomen Meloni und Le Pen“ diskutiert. Giorgia Meloni, die Ministerpräsidentin Italiens, und Marine Le Pen, die Fraktionsvorsitzende und Galionsfigur des französischen Rassemblement National: Wie kann es sein, lautete die Ausgangsfrage des Panels, dass Frauen wie sie Parteien führen, deren Programmatik klassische Rollenbilder propagiert und teils klar sexistisch ist?

Durch ihre Frontfrauen geben die Parteien ihrer rechten Agenda einen weicheren Anstrich, waren sich die beiden Expertinnen einig. Es sei jedoch keineswegs so, dass die Frauen instrumentalisiert würden. Sowohl Meloni als auch Le Pen seien sehr machtbewusst und prägten ihre Parteien enorm. Beide Expertinnen warnen davor, die Frauen zu verharmlosen. Sowohl Le Pen als auch Meloni verstünden sich sehr gut darauf, sich als moderate Kräfte zu verkaufen.

Diskussionsrunde mit Hélène Kohl und Ursula Bitzegeio: „Phänomen Meloni und Le Pen“

© Juliane Berghauser Pont

Le Pen: Macrons Nachfolgerin 2027?

Le Pen erreiche mit dieser Strategie einen immer breiteren Teil der französischen Bevölkerung, erklärt Hélène Kohl. Le Pen treffe sich mit Landwirten und Handwerkern und setze auf Themen wie Migration, Kaufkraft und Wohnraum. Sie habe die Partei von der rechtsradikalen Ausrichtung unter ihrem Vater Jean-Marie Le Pen in Richtung Mitte geführt. Gleichzeitig habe sich die Mitte des politischen Spektrums in Frankreich nach rechts verschoben.

Wird Le Pen damit 2027 Präsidentin Frankreichs? Das ist durchaus möglich, sagt die französische Journalistin. Der Präsidentschaftswahlkampf ist sehr stark auf die Persönlichkeit der Kandidaten ausgerichtet. „Davon wird Le Pen profitieren“, ist sich Kohl sicher. Ihr sei es gelungen, sich zur „Kandidatin des Volks“ zu inszenieren.

Rechts und links: Überholte Kategorien?

Ist eine Aufteilung des politischen Spektrums in „rechts“ und „links“ im Zeitalter des wachsenden Populismus überhaupt noch angemessen, fragt Ursula Bitzegeio. Und in der Tat führt diese Einteilung heute oftmals zu einem unscharfen Bild: sei es mit Blick auf Viktor Orbán in Ungarn, Aleksandar Vučić in Serbien oder Donald Trump in den USA.

Und es gilt auch in Deutschland: Sahra Wagenknecht, die ehemalige Chefin der Linkspartei, will sich mit ihrer neuen Partei BSW ganz bewusst aus dem Links-Rechts-Schema lösen. Das Duell der Demagoginnen auf Welt TV, bei der Wagenknecht vor zwei Wochen mit der AfD-Vorsitzenden Alice Weidel diskutierte, offenbarte an etlichen Stellen die Ähnlichkeit der Positionen der beiden.

Das gilt auch für ihre Haltung zum Krieg in der Ukraine. Haben AfD und BSW den Friedensbegriff gekapert? Das haben wir unsere Kolumnistin Nicole Deitelhoff diese Woche gefragt. Ihre Antwort lesen Sie hier. 👇

Ausgezeichnete transatlantische Partnerschaft

Steven Sokol, der Präsident des American Council on Germany, ist diese Woche für seinen Einsatz um die transatlantische Verständigung mit dem Volkmar and Margret Sander Prize ausgezeichnet worden. Die Laudatio durfte meine Kollegin Juliane Schäuble halten. Sie bezeichnete den Preisträger als „unermüdlichen Brückenbauer, der nichts mehr liebt, als unterschiedliche Menschen zusammenzubringen“. Ich bin überzeugt: Diese Qualitäten werden, egal wie die US-Wahl ausgeht, auch künftig dringend benötigt werden.

Nun sind es nicht mal mehr zwei Wochen bis zum Wahltag. Wie steht es für Harris und Trump in den Umfragen? Das verrät Ihnen unser laufend aktualisierter Beitrag hier. Ich habe mit dem Umfrage-Experten Jeffrey Liszt über die Schwierigkeiten gesprochen, mit denen die Institute zu kämpfen haben. Bei den vergangenen US-Wahlen lagen die Umfragen teils deutlich daneben.

„Die Rücklaufquoten sinken schon seit Jahrzehnten, und es wird immer schwieriger, eine repräsentative Stichprobe von Wählern zu erreichen“, sagt Jeff Liszt. Amerikanische Wähler seien heute nach Bildungsstand polarisiert. Gruppen, die tendenziell eher für Trump stimmten, seien daher bei den Umfragen zu den vergangenen Wahlen teils unterrepräsentiert gewesen.

Um dies auszugleichen, arbeiteten die Institute jetzt unter anderem mit Gewichtung. Außerdem investierten sie mehr Zeit, betont Liszt, „um weniger engagierte Menschen erreichen, für die Politik kein so wichtiger Teil ihrer Identität ist“.

Seit dieser Woche erscheint unser beliebter US-Newsletter „Washington Weekly“ (werk-)täglich und heißt damit in limitierter Edition „Washington Daily“. Heute berichtet Ihnen mein Kollege Christoph von Marschall von vor Ort aus Georgia, wie sich der Endspurt vor dem Wahltag und das Early Voting in einem der umkämpften Swing States gestaltet.

Hochsprung über Bill Gates

Zu sagen, dass dahinter ein kluger Kopf steckt, erübrigt sich hier: Bill Gates liest den Tagesspiegel! Und ist dabei so gefesselt, dass die Leichtathletin Malaika Mihambo einfach mal locker über ihn hinwegspringen kann.

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Das war’s von mir für heute. Was hat Sie diese Woche besonders beschäftigt? Schreiben Sie es mir gerne in den Kommentaren. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende. Bis nächsten Freitag!

Herzlich Ihre Anja Wehler-Schöck

P.S.: Vielen Dank wie immer an Johannes Altmeyer fürs Feedback und an Maria Glage und Julia Brigasky für die Graphik!

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