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Ukraine-Gipfel im Weißen Haus: Ein Wahnsinn, der Methode hat
Spitzenpolitiker, die ins Weiße Haus fahren, müssen bereit sein, den Kotau vor Donald Trump zu machen. Ist das peinlich – oder nur erfolgversprechend? Eine Stilkritik der Unterwerfungsdiplomatie.

Stand:
Donald Trump ruft, die europäischen Staats- und Regierungschefs kommen. Aus Sicht des US-Präsidenten kann Ukraine-Politik so einfach sein. Nach dem Treffen mit Kremlchef Wladimir Putin in Alaska lud der Republikaner am Montag zu einer Art Gegengipfel, der einem EU-Ratstreffen in nur wenig nachstand. Die Bilder aus dem Weißen Haus, die um die Welt gehen, zeigen Trump als Herrscher, der erkennbar stolz Hof hält.
Die Gästeliste war eindrucksvoll: Neben dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj folgten auch Kanzler Friedrich Merz (CDU), der britische Premier Keir Starmer, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni, Finnlands Präsident Alexander Stubb sowie Kommissionschefin Ursula von der Leyen Trumps Einladung.
Und natürlich durfte auch Nato-Generalsekretär Mark Rutte nicht fehlen, um über eine mögliche Waffenruhe in der Ukraine zu sprechen.
Es lohnt sich, Rutte genauer zu betrachten, um den überraschend geschmeidigen Ablauf des Treffens im Weißen Haus zu erklären. Ende Juni veröffentlichte Trump auf seinem Kanal Truth Social eine persönliche Nachricht von Rutte.
Vor dem Nato-Gipfel in Den Haag, wo die 32 Staaten ihre Ausgaben für Verteidigung und Aufrüstung massiv erhöhten, schrieb Rutte: „Du fliegst zu einem weiteren großen Erfolg.“ Und weiter: „Europa wird auf GROSSE Art und Weise Geld ausgeben, so wie es sein sollte, und das wird Dein Sieg sein.“ Wer diesen Kotau nun peinlich findet, hat die politische Realität im Jahr 2025 nicht erkannt.

© IMAGO/ZUMA Press Wire/Yuri Gripas - Pool via CNP
Geht es um die Ukraine, geht es auch – so ist die Weltlage nun einmal – um Donald Trump. Der US-Präsident hat als Anführer einer Supermacht das politische und militärische Gewicht, die Ukraine-Verhandlungen maßgeblich zu bestimmen. Das weiß Selenskyj und das wissen auch die europäischen Staats- und Regierungschefs. Sie haben sich auf den ganz normalen Wahnsinn eingelassen, der tagein, tagaus im Weißen Haus herrscht.
Drei Beobachtungen während der jüngsten Ukraine-Gespräche im Weißen Haus belegen das.
Erstens: Selenskyjs Outfit
Mit einem Modekniff konnte Selenskyj Trumps Gunst gewinnen. Der ukrainische Präsident lehnt es ab, in Kriegszeiten einen Anzug zu tragen. Darüber machten sich Trump und dessen Vize JD Vance beim letzten Treffen im Oval Office Ende Februar lustig. Die Kleiderfrage trug auch zum anschließenden Eklat zwischen Trump und Selenskyj bei. Am Montag kam Selenskyj ganz in Schwarz, er trug ein schwarzes Hemd mit Kragen und darüber eine Art schwarze Generalsjacke.
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Trump gefiel es: „Ich kann es nicht glauben“, sagte er zu Selenskyj. „Ich liebe es.“ Die Begrüßung vor dem Weißen Haus lief in entspannter, fast herzlicher Atmosphäre ab, der Ton für den Tag war gesetzt.
Zweitens: Ein Brief für Melania
Beim Beginn der Gespräche übergab Selenskyj einen Brief seiner Frau Olena an Melania Trump. „Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich bei Ihrer Frau, der First Lady der USA bedanken, die einen Brief an (den russischen Präsidenten Wladimir) Putin über unsere Kinder, entführte Kinder geschickt hat“, sagte Selenskyj. Der Brief sei nicht für Trump selbst, betonte der Ukrainer lachend. Trump lächelte und sagte: „Ich will ihn!“
Drittens: Die Trump-Fanartikel
Auf X postete Trumps Vize-Kommunikationschefin Margo Martin ein Foto, das ein kleines Büro neben dem Oval Office zeigt. Es zeigt Trump, Selenskyj und Macron vor Fanartikeln, genauer gesagt: sehr vielen roten und weißen Kappen.
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Wer genau hinsieht, kann auch eine goldene Kappe entdecken und ein Foto, das den seine Faust in die Luft ballenden Trump kurz nach einem Attentatsversuch im Juli 2024 zeigt. Zur Erinnerung: Die Staats- und Regierungschefs waren in die US-Hauptstadt gekommen, um Russlands brutalen Angriffskrieg zu beenden. Es ging im wahrsten Sinne des Wortes um Leben und Tod. Trump schien es trotzdem wichtig zu sein, seine Werbeartikel zu demonstrieren.
All das zeigt, was der Late-Night-Talker Bill Maher seinem Publikum über sein durchaus überraschendes Abendessen mit dem Staatschef im Weißen Haus erzählte: „Da wohnt kein Irrer im Weißen Haus. Da wohnt ein Mensch, der oft einen Irren im Fernsehen spielt“, so Maher. „Ich habe für Clinton und Obama gestimmt“, sagte Maher, „aber mit keinem so offen sprechen können wie mit Trump“.
Das sind die beiden Ebenen, die Spitzenpolitiker bei einem Besuch im politischen Machzentrum der USA beachten müssen: die Show, die Trump als ehemaliger TV-Reality-Star so liebt, und die Politik, die ihren Platz daneben finden muss. Der Republikaner liebt das Spektakel. Nach dem Eklat mit Selenskyj im Oval Office im Februar sagte er den anwesenden Journalistinnen und Journalisten: „Das wird großartiges Fernsehen. Das kann ich schon mal sagen.“
Merz pocht auf Waffenruhe
Staats- und Regierungschefs, die Trump besuchen, tun gut daran, das im Hinterkopf zu behalten. Dabei sollten sie aber nicht vergessen, dass der Präsident Hauptdarsteller und Regisseur in einer Person ist. Er gibt die Richtung vor, die anderen müssen sich unterordnen. Der ukrainische Präsident weiß das, er scheint einen Weg gefunden zu haben, Trump zu schmeicheln, um ihn so auf seine Seite zu ziehen.
Wie schnell die von Trump so geliebte goldene Fassade bröckeln kann, demonstrierte – bewusst oder unbewusst – der deutsche Bundeskanzler.
In der Runde mit dem US-Präsidenten sagte der CDU-Politiker, er könne sich nicht vorstellen, dass es Friedensverhandlungen ohne eine Feuerpause geben könne. Letzteres hatte Trump nach seinem Gespräch mit Putin als Option abgeräumt. „Als Merz das Gegenteil behauptete, verschwand das Lächeln aus Trumps Gesicht“, schreibt die „New York Times“, die die dadurch entstandene Situation als so unangenehm, wie das Geräusch von „Nägeln auf einer Tafel“ beschreibt.
Das Weiße Haus hat sich zu einer Blackbox mit unvorhersehbaren Ereignissen entwickelt. Aber es ist ein Wahnsinn mit Methode, Selenskyj und Rutte haben das verstanden.
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