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US-Langstreckenraketen in Deutschland : Kreml spricht von Schritt „in Richtung Kalter Krieg“
Die russische Regierung will nach dem Nato-Gipfel „Maßnahmen ergreifen, um die Nato einzudämmen“. Auch auf die geplante Stationierung von US-Langstreckenwaffen in Deutschland werde man reagieren.
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Russland hat die Vereinbarung zur Stationierung von US-Langstreckenraketen in Deutschland als Schritt „in Richtung Kalter Krieg“ verurteilt. „Wir unternehmen stetig Schritte in Richtung Kalter Krieg“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Donnerstag einem staatlichen Fernsehsender und warf den USA, Deutschland, Frankreich und Großbritannien eine direkte Beteiligung „am Konflikt rund um die Ukraine“ vor.
„Alle Merkmale des Kalten Krieges mit der direkten Konfrontation kehren zurück“, fügte Peskow hinzu.
Schon zuvor ließ Russland wissen, dass es auf die geplante Stationierung von US-Langstreckenraketen in Deutschland mit militärischen Maßnahmen reagieren wolle. Dies berichten die staatlichen Medien unter Berufung auf den russischen Vize-Außenminister Sergej Rjabkow.
Die Entscheidung, die US-Raketen in Deutschland zu stationieren, ziele darauf ab, die Sicherheit Russlands zu beeinträchtigen, wurde Rjabkow zitiert.
Kreml-Sprecher Peskow hat als Reaktion auf den Nato-Gipfel in Washington eine „sehr ernste Bedrohung“ durch das westliche Militärbündnis beklagt und Gegenmaßnahmen angekündigt.
Russland werde die Entscheidungen und die Abschlusserklärung des Nato-Gipfels Washington „sehr genau analysieren“ und „durchdachte, koordinierte und effektive Maßnahmen ergreifen, um die Nato einzudämmen“, sagte Peskow nach Angaben russischer Nachrichtenagenturen am Donnerstag in Moskau. Die Nato sei nun „voll in den Konflikt um die Ukraine verwickelt“.
Scholz und Habeck: US-Aufrüstung in Deutschland nötig
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Vereinbarung mit den USA zur Stationierung von Marschflugkörpern in Deutschland gegen Kritik verteidigt. Dies sei eine „sehr gute Entscheidung“, sagte er am Donnerstag auf Englisch beim Nato-Gipfel in Washington. Deutschland müsse „einen eigenen Schutz haben mit Abschreckung“, und dazu seien die Präzisionswaffen notwendig, fügte der Kanzler auf Deutsch hinzu.
„Diese Entscheidung ist lange vorbereitet und für alle, die sich mit Sicherheits- und Friedenspolitik beschäftigen, keine wirkliche Überraschung“, sagte Scholz weiter. Sie passe „genau in die Sicherheitsstrategie der Bundesregierung“.
Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck begrüßt die angekündigte Stationierung weitreichender US-Waffensysteme in Deutschland. „Aufrüstung ist erst mal nichts, mit dem ich mich leicht tue“, sagte der Grünen-Politiker der Zeitung „Neue Westfälische“ (Freitagsausgabe). „Aber ich halte die Entscheidung der USA, Langstreckenwaffen bei uns zu stationieren, für notwendig.“
Habeck betonte: „Wir müssen die Wehrhaftigkeit steigern, weil wir in einer sehr bedrohlichen Zeit leben, die anders ist als in den 80er Jahren. Deshalb verbietet sich Naivität.“ Bei den Demonstrationen gegen die Nato-Doppelbeschlüsse 1981 habe Kalter Krieg geherrscht. „Jetzt erleben wir in der Ukraine einen heißen Krieg, weil dort geschossen und gestorben wird“, sagte der Vizekanzler.
Ihm zufolge bedrohe die Aufrüstung der russischen Armee „offensichtlich auch die Nato-Ostflanke“. „Russland ist also kein Friedenspartner im Moment.“ Dass Deutschland sich sicherheitspolitisch besser aufstellt, dürfe dennoch nur der erste Schritt sein. „Wir dürfen nicht dabei stehen bleiben, in Kriegsszenarien zu denken. Die Arbeit muss auf den Frieden gerichtet sein“, sagte Habeck.
Der Wirtschaftsminister forderte, man müsse auch über Abrüstung sprechen. „Wir müssen Wege finden, dass die Eskalationslogik wieder überführt wird in Diplomatie, dass der Ukraine-Krieg überführt wird in eine Friedenslösung - immer mit den Ukrainern zusammen und immer mit Blick auf die Souveränität und Freiheit, die sie dort verteidigt.“
Tomahawk-Marschflugkörper sollen in Deutschland stationiert werden
Die USA und Deutschland hatten am Mittwoch in einer gemeinsamen Erklärung angekündigt, dass ab 2026 neue US-Langstreckenwaffen in Deutschland stationiert werden sollen, wie Tomahawk-Marschflugkörper und derzeit noch in der Entwicklung befindliche Hyperschallraketen. Mit Tomahawks können Ziele in deutlich mehr als 2000 Kilometer Reichweite getroffen werden. Kritik kommt von der Opposition.
Auch die Grünen sehen noch Klärungsbedarf. Die sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Sara Nanni, forderte Bundeskanzler Scholz zu einer Erklärung über die Hintergründe und die finanziellen Aspekte der geplanten Stationierung auf: Dass sich Scholz dazu zunächst nicht geäußert habe, „obwohl es eine klare Einordnung dringend bräuchte, irritiert“, sagte sie der „Rheinischen Post“.
Pistorious sieht die Stationierung als Auftrag
Die Langstreckenraketen sollen als Beitrag der USA „zur integrierten europäischen Abschreckung“ dienen. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sieht die geplante Stationierung als Auftrag für Deutschland, selbst in derartige Waffen zu investieren.
Die Entscheidung der US-Regierung, in Deutschland ab 2026 Langstreckenwaffen zu stationieren, schließt nach Angaben von Verteidigungsminister Boris Pistorius eine „ernstzunehmende Fähigkeitslücke“ in Europa. Er könne sich deshalb nicht vorstellen, dass ein anderer US-Präsident die am Mittwoch bekannt gegebenen Pläne wieder revidieren würde.
Da die Langstreckenwaffen „nur auf Rotationsbasis nach Deutschland kommen“, sei damit „ganz klar die Erwartung der USA verbunden, dass wir selber investieren in die Entwicklung und Beschaffung von derartigen Abstandswaffen“, sagte Pistorius am Donnerstag im Deutschlandfunk.
Ich finde diese Entscheidung höchst problematisch, weil die Aufrüstungsspirale unter der Überschrift Abschreckung weitergedreht wird.
Dietmar Bartsch, verteidigungspolitischer Sprecher der Linken im Bundestag
„Das ist der Auftrag, der sich daraus auch ableitet, und diese temporäre Stationierung ab nächstem Jahr wird uns genau die Zeit dafür geben, die wir dafür brauchen“, erklärte Pistorius weiter.
Kritik kommt von den Grünen und der Opposition
Für die Grünen gibt es noch Klärungsbedarf bei der Stationierung. Eine fehlende Klarheit „kann sogar Ängste verstärken und lässt Raum für Desinformation und Verhetzung“, kritisierte Nanni. „Der Kanzler sollte sich rasch dazu erklären.“ Scholz habe bisher nur „spärlich die tatsächliche Bedrohungslage der NATO thematisiert“.
Auch die finanziellen Konsequenzen müssten geklärt werden, sagte die Grünen-Politikerin mit Blick auf die Haushaltseinigung der Koalitionsspitzen, bei der die Höhe des Wehretats deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben war. Über die Stationierungsvereinbarung von Deutschland und den USA sagte sie: „Diese weitreichende Entscheidung steht im Kontrast zur aktuellen Haushaltseinigung und zur vergleichsweise zurückhaltenden Kommunikation über den Ernst der Lage durch Olaf Scholz selbst.“
Die Linke warnte angesichts der geplanten Stationierung von US-Langstreckenwaffen in Deutschland vor einem neuen Rüstungswettlauf. Der verteidigungspolitische Sprecher der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch, sagte der „Rheinischen Post“: „Ich finde diese Entscheidung höchst problematisch, weil die Aufrüstungsspirale unter der Überschrift Abschreckung weitergedreht wird.“
Ähnlich äußerte sich BSW-Chefin Sahra Wagenknecht. „Die Stationierung zusätzlicher Angriffsraketen auf deutschem Boden verbessert unsere Sicherheit nicht, sondern erhöht im Gegenteil die Gefahr, dass Deutschland selbst zum Kriegsschauplatz wird, mit furchtbaren Folgen für alle hier lebenden Menschen“, sagte sie dem „Spiegel“. „Dieser Wahnsinn muss endlich gestoppt werden.“(AFP, Reuters, dpa)
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