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Die Eagle S wird am Sonnabend mit einer Polizeieskorte zu einem sicheren Hafen östlich von Helsinki gebracht.

© AFP/Jussi Nukari

Update

„Vollbeladen mit Spionageausrüstung“: Recherchen enthüllen weitere Geheimnisse der russischen Schattenflotte

Hinter beschädigten Unterwasserkabeln in der Ostsee steckt mutmaßlich Russland. Doch damit nicht genug: Ein verdächtiger Frachter soll auch jede Menge Abhörgerät geladen haben. Silvester bezog die Polizei dazu Stellung.

Stand:

Für Russlands Schattenflotte in der Ostsee könnte es bald eng werden. Die Nato und die nördlichen Anrainerstaaten wollen das knapp 380.000 Quadratkilometer große Meer deutlich stärker schützen – und mit Marineschiffen besser überwachen.

Hintergrund ist der jüngste Vorfall mutmaßlicher Sabotage an dem Unterwasserkabel Estlink 2 zwischen Finnland und Estland.

Am ersten Weihnachtsfeiertag war die mehr als 170 Kilometer lange Stromleitung zwischen beiden Nato-Ländern beschädigt worden. Kurze Zeit später hatten die Behörden den verdächtigen Öltanker Eagle S im finnischen Hoheitsgewässer festgesetzt.

Fünf Kabel in der Ostsee allein an Weihnachten zerstört

Dessen Anker soll für die Schäden verantwortlich sein – und bei einer ersten polizeilichen Untersuchung Medienberichten zufolge gefehlt haben.

Zugleich besteht der Verdacht, dass die Eagle S gleich mehrere weitere Unterwasserleitungen in der Ostsee zerstört haben könnte: Ebenfalls am Mittwoch meldeten mehrere Kommunikationsunternehmen Unterbrechungen in ihren Leitungen, darunter Elisa aus Finnland und Citic mit Sitz in China.

Auch das gerade erst reparierte Kabel C-Lion zwischen Helsinki und Rostock war betroffen, erst Mitte November wurde es mutmaßlich von der „Yi Peng 3“ zerstört.

Das Frachtschiff aus China soll ebenfalls Teil von Putins Schattenflotte sein – und ankerte später wochenlang im Kattegat zwischen Schweden und Dänemark. Insgesamt wurden allein am ersten Weihnachtsfeiertag fünf Unterwasserkabel beschädigt.

Die fast 20 Jahre alte Eagle S fährt unter der Flagge der Cookinseln. Kremlchef Wladimir Putin nutzt für seine hybriden Operationen in der Ostsee besonders gern vermeintlich neutrale Drittstaaten – und hat so seine Schattenflotte auf Hunderte Frachter ausgebaut.

Suche nach Beweisen: Finnlands Grenzschutz am Freitag auf der Eagle S.

© AFP/HANDOUT

Mit solchen oft maroden Tankern versucht Russlands Präsident seit Jahren, die Sanktionen gegen sein Land zu umgehen, und verschifft russische Exportschlager wie Düngemittel oder Treibstoffe weiter über die Weltmeere.

Immer wieder wird gemutmaßt, dass Moskau seine getarnten Handelsschiffe nicht nur für Sabotage-, sondern auch für Spionageaktivitäten nutzt. Mit den Beitritten Finnlands und Schwedens in die Nato ist die Ostsee zu einem Nato-Meer geworden – Putin ist umgeben von Verbündeten des westlichen Militärbündnisses.

Und er scheint das für sich nutzen zu wollen: Die Eagle S war einer Investigativrecherche der britischen Marinezeitschrift „Lloyd’s List“ zufolge „vollbeladen mit Spionageausrüstung“.

Eine mit dem Tanker vertraute Quelle sagte gegenüber der Zeitung, dass die „Hightech-Ausrüstung an Bord für ein Handelsschiff ungewöhnlich war und übermäßig Strom vom Schiffsgenerator verbrauchte“. Deshalb sei es wiederholt zu Stromausfällen gekommen.

Sie überwachen alle Schiffe und Flugzeuge der Nato.

anonyme Quelle über den Öltanker Eagle S

Laut der anonymen Quelle wurden Abhör- und Aufzeichnungsgeräte in „riesigen tragbaren Koffern“ an Bord des Tankers gebracht. Bei jedem Stopp in Russland seien die Bänder dann abtransportiert worden.

Zudem gäbe es „viele Laptops“ mit russischen und türkischen Tastaturen. „Sie überwachten alle Schiffe und Flugzeuge der Nato“, hieß es weiter bei „Lloyd’s List“.

35.000
Tonnen Benzin schiffte die Eagle S über die Ostsee.

Der finnische Grenzschutz wollte dem Tagesspiegel solche Funde im Rahmen der Ermittlungen auf Anfrage nicht bestätigen. Die Polizei in Helsinki war zwischen den Jahren zu keiner Stellungnahme bereit.

Wir haben umfangreiche Untersuchungen auf dem Schiff durchgeführt, und es wurde keine derartige Ausrüstung gefunden.

Polizei Helsinki, Stellungnahme am 31. Dezember gegenüber der Tageszeitung „Iltalehti“

Der finnischen Tageszeitung „Iltalehti“ sagte sie aber noch am Silvestertag, dass trotz „umfangreicher Untersuchung“ des Schiffs, keine „derartige Ausrüstung“ auf der Eagle S gefunden worden ist.

Finnlands Präsident macht Andeutungen

Die Eagle S steht nach wie vor unter finnischer Kontrolle, die Ermittlungen laufen.

Bekannt ist, dass das Schiff am 23. Dezember mit 35.000 Tonnen Benzin beladen im russischen Ostseehafen Ust-Luga abgelegt hatte. Am ersten Weihnachtsfeiertag passierte der Öltanker dann den Finnischen Meerbusen – und ließ seinen Anker mutmaßlich auf Grund laufen. Schnell vermuteten Behörden und Beobachter Sabotage, mal wieder orchestriert aus dem Kreml.

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Am vergangenen Donnerstag, dem zweiten Weihnachtsfeiertag, wurde die Eagle S in finnischen Hoheitsgewässern festgesetzt. Zeitweise wurde sogar der Luftraum über dem Schiff gesperrt, schwer bewaffnete Eliteeinheiten des Grenzschutzes enterten den Tanker. Die Polizei verhört die 20-köpfige Besatzung nun bereits seit mehreren Tagen.

Wir wissen, wer es getan hat.

Alexander Stubb, Präsident Finnlands

Am Sonnabend wurde das Frachtschiff dann mit einer Polizeieskorte zu einem neuen Ankerplatz östlich von Helsinki gebracht. Polizeiangaben zufolge soll dort weiter auch an Bord der Eagle S ermittelt werden.

Finnlands Präsident Alexander Stubb, im Land maßgeblich für die Außenpolitik verantwortlich, wollte sich bei einer Pressekonferenz am Freitag zumindest offiziell noch nicht auf Russland als Schuldigen festlegen. Es sei noch zu früh, um sicher sagen zu können, ob es sich bei dem jüngsten Vorfall in der Ostsee um russische hybride Kriegsführung handele. Auf Englisch sagte er dann aber auch: „Wir wissen, wer es getan hat.“

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