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Landung in Lampedusa: Etwa 200 Migrant:innen, die Mitte März die südliche italienische Insel erreichten.

© Imago/Mattia Torretta

Update

Vor Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt: EU unterstützt deutsche Pläne für Asylverfahren an Außengrenzen

EU-Kommissarin Johansson liegt mit Innenministerin Faeser auf einer Linie. Der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag Hofreiter verurteilt das Vorhaben scharf.

| Update:

Die Bundesregierung will sich dafür einsetzen, dass über Asylanträge bereits an den Außengrenzen der Europäischen Union (EU) entschieden wird, wie Innenministerin Nancy Faeser (SPD) wenige Tage vor dem Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt bestätigte. Und sie erhält nun Unterstützung für diese Pläne aus Brüssel.

„Es ist wichtig, verpflichtende Grenzverfahren zu haben. Das ist notwendig, um irreguläre Migration zu steuern und funktionierende, schnelle, aber menschenwürdige Rückführungen sicherzustellen“, sagte die zuständige EU-Innenkommissarin Ylva Johansson der „Welt am Sonntag“.

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Asylsuchende, die wahrscheinlich keinen Schutz benötigen, könnten mithilfe solcher Grenzverfahren schnell und fair behandelt werden. „Die Grenzverfahren werden auch sicherstellen, dass es deutlich weniger Sekundärmigration innerhalb der Europäischen Union geben wird.“ Bei den geplanten Grenzverfahren, so die Kommissarin weiter, würden die Rechte der Menschen respektiert, vor allem die Rechte von Kindern und benachteiligten Personengruppen.

Die Grenzverfahren werden auch sicherstellen, dass es deutlich weniger Sekundärmigration innerhalb der Europäischen Union geben wird.

 Ylva Johansson, EU-Innenkommissarin

Johansson forderte auch, bei den Verfahren unbürokratischer zu werden. Es müsse verhindert werden, dass sich abgelehnte Asylbewerber ihrer Ausweisung entziehen, indem sie in einem anderen EU-Land ein neues Asylverfahren beginnen.

„Um die Rückführungen zu erleichtern und zu beschleunigen, sollte das Mitgliedsland, das verantwortlich ist für die Rückführung eines Drittstaatenangehörigen, der sich illegal in der EU aufhält, alle Rückführungsentscheidungen, die bereits ein anderes EU-Land über die betreffende Person gefällt hat, anerkennen.“ Nach dem Willen von Johansson sollen künftig alle EU-Länder Rückführungsentscheidungen „gegenseitig“ anerkennen.

Johansson zeigte sich mit Blick auf eine gemeinsame EU-Asylpolitik zuversichtlich: „Ministerin Faeser und ich bleiben beide fokussiert und optimistisch mit Blick auf die Fortschritte, die wir beim Asyl- und Migrationspakt machen.“ Dem Bericht zufolge streben die EU-Staaten bis Juni dieses Jahres, spätestens aber Oktober, eine Einigung untereinander über eine gemeinsame Asyl- und Migrationspolitik an.

Dies sei notwendig, damit das EU-Parlament noch rechtzeitig vor den Europawahlen, die voraussichtlich im Mai oder Juni 2024 stattfinden werden, darüber mitentscheiden kann, hieß es in EU-Kreisen. 

Faeser sagte der „Bild am Sonntag“ (BamS): „Über Asyl für Menschen, die kaum Aussicht auf Schutz in der EU haben, muss in Zukunft schon an den Außengrenzen entschieden werden.“ Wer kein Recht auf Asyl habe, müsse „von dort in seine Heimat zurückkehren“. Gleichzeitig wolle sie, dass jeder an der EU-Außengrenze registriert werde, „damit Menschen nicht unkontrolliert weiterreisen“.

Die Bundesinnenministerin geht davon aus, dass die Blockade einer Reform des EU-Asylsystems durchbrochen ist. „Wir brauchen eine faire Verteilung in Europa“, sagte sie, darüber verhandele sie „mit aller Kraft“. Zugleich müssten aber auch die EU-Außengrenzen effektiv geschützt werden. Es bestehe die „historische Chance, die Migration in Europa endlich wirksam zu steuern und zu ordnen“, sagte die SPD-Politikerin.

Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter verurteilte die Pläne für eine härtere Gangart an den EU-Außengrenzen. „Alle Forderungen nach Abschottung laufen ins Leere, wenn die Herkunftsländer ihre Staatsbürger nicht wieder aufnehmen wollen“, sagte der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag den Zeitungen der Mediengruppe Bayern.

„Um Migration besser zu regeln, müssen wir mit den Ländern des globalen Südens in der Migrationsfrage auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Wer einfach nur Zäune hochzieht, löst das Problem nicht.“ Flucht werde dadurch einfach nur noch gefährlicher, warnte Hofreiter. „Wenn wir in Europa unsere eigenen Werte nicht ernst nehmen und bald noch mehr Menschen im Mittelmeer sterben lassen, bekommen wir auch geopolitisch ein Problem. Wie können wir international noch die Fahne von Rechtsstaat und Demokratie hochhalten, wenn uns das Leben der Staatsbürger des globalen Südens nichts wert ist?“

Eine Stärkung legaler Migrationswege ist nicht nur human, sondern auch in unserem eigenen wirtschaftlichen Interesse.

Anton Hofreiter, Vorsitzender des Europaausschusses im Bundestag (Grüne)

Innerhalb Europas sei es „entscheidend, dass Deutschland mit den Staaten an den Außengrenzen solidarisch ist“. Hofreiter sprach sich für eine „gerechte Lastenverteilung in Europa“ aus. Dies müsse das Ziel einer Fortentwicklung des europäischen Asylsystems sein. Außerdem dürfte bei der aktuellen Debatte nicht vergessen werden, dass es in der EU nicht nur einen Fachkräftemangel, sondern mittlerweile einen allgemeinen Arbeitskräftemangel gibt. „Eine Stärkung legaler Migrationswege ist nicht nur human, sondern auch in unserem eigenen wirtschaftlichen Interesse“, sagte Hofreiter.

Söder fordert Kürzungen der Entwicklungshilfe

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) plädierte in dem Blatt dafür, Ländern, die abgelehnte Asylbewerber nicht zurücknähmen, die Entwicklungshilfe zu kürzen. „Wir stehen zum Grundrecht auf Asyl. Aber bei Ländern, die einer geordneten Rückführung nicht zustimmen, müssen wir künftig auch über Kürzungen bei der Entwicklungshilfe nachdenken“, sagte Söder.

Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) forderte die konsequente Umsetzung bestehender Rückführungsabkommen. Mangelnder Kooperation der Herkunftsstaaten sei mit wirtschaftlichem, rechtlichem und diplomatischem Druck zu begegnen, sagte er. Zudem müsse der Bund „gegenüber unseren europäischen Partnern auf die Einhaltung geltenden Rechts“ drängen, appellierte der CDU-Politiker. „Das ‘Durchleiten’ von Flüchtlingen aus anderen EU-Staaten muss ein Ende haben“, forderte Kretschmer.

Haseloff warnt vor Scheitern des Flüchtlingsgipfels

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Rainer Haseloff (CDU) sagte, aus seiner Sicht sei bei einem Scheitern des Gipfels das Vertrauen in die Demokratie in Gefahr. Die Bundesregierung müsse endlich dafür sorgen, „dass Zuwanderung gesteuert wird“, forderte Haseloff. „Wenn wir uns in Deutschland nicht handlungsfähig zeigen, wird das Vertrauen in unsere Demokratie mehr und mehr untergraben.“

Der Präsident des Deutschen Landkreistags, Reinhard Sager, berichtet von wachsender Skepsis in der Bevölkerung.
Der Präsident des Deutschen Landkreistags, Reinhard Sager, berichtet von wachsender Skepsis in der Bevölkerung.

© Imago/Jürgen Heinrich

Auch der Deutsche Landkreistag warnte vor dem Flüchtlingsgipfel am 10. Mai vor einer größer werdenden Ablehnung gegenüber Migration in der Bevölkerung. „Akzeptanz und Hilfsbereitschaft nehmen im gesamten Bundesgebiet ab“, sagte der Präsident, Landrat Reinhard Sager (CDU), dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Es wird zunehmend schwieriger, sowohl den Bedürfnissen und Erwartungen der geflüchteten Menschen als auch den Vorstellungen der deutschen Bevölkerung gerecht zu werden. Die Anzahl und die Intensität von Konflikten nehmen zu“, fügte Sager hinzu.

Sager berichtete von Skepsis in der Bevölkerung. „Die Menschen haben ein sehr feines Gespür dafür, ob der Staat und seine Institutionen in der Lage sind, die bestehenden Herausforderungen zu meistern. Die Zweifel daran werden täglich größer“, sagte Sager weiter. Der Landkreistag mache sich große Sorgen um den gesellschaftlichen Zusammenhalt und um das Vertrauen der Menschen in den Rechtsstaat.

2,75
Milliarden Euro zahlt der Bund bisher für Unterbringung und Integration.

Die Ressourcen vor Ort seien ausgeschöpft, betonte der Landrat und forderte eine Reduzierung des Zuzugs. „Es muss seitens des Bundes endlich gehandelt werden. Viel zu lange warten die Landkreise auf ein kraftvolles Signal der Begrenzung der Flüchtlingszuwanderung aus Berlin.“

Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) pochte auf eine Verdopplung des Bundesanteils für die Flüchtlingsversorgung und forderte die Bundesregierung auf, eine Rückführungsoffensive zu starten. Von dem Bund-Länder-Treffen müsse das glasklare Signal ausgehen, „dass die Bundesregierung endlich den Kopf aus dem Sand zieht, die Not der Kommunen wahrnimmt und schnellstmöglich Hilfe leistet“, sagte der Christdemokrat dem RND.

„Städte, Gemeinden und Landkreise brauchen deutlich mehr Geld – der Bund muss deshalb seinen Anteil von derzeit 2,75 Milliarden Euro mindestens verdoppeln“, betonte Rhein. „Anders sind Unterbringung und Integration dauerhaft nicht zu finanzieren.“ (lem)

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