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Eine Szene aus  „Liberty“.

© Splitter

Comiczeichner Jörg Hartmann: „Sucht euch ein Standbein, und dann ab dafür!“

Jörg Hartmann zeichnet in der Graphic Novel „Liberty“ die Geschichte der Freiheitsstatue nach. Im Tagesspiegel-Fragebogen gibt der Münsteraner Illustrator Einblicke in seine Arbeit.

Stand:

Wer hat Sie künstlerisch geprägt? Welche Werke von Kolleginnen und Kollegen gefallen Ihnen besonders? Was empfehlen Sie Comic-Einsteigern? Im Tagesspiegel-Fragebogen geben Zeichnerinnen und Zeichner Einblicke in ihre Arbeit und in ihre Leidenschaft für die Kunstform. Heute: der Comiczeichner und Illustrator Jörg Hartmann, der gerade zusammen mit Julian Voloj das Buch „Liberty“ veröffentlicht hat.

1. Was kommt bei Ihrer Arbeit zuerst: Worte oder Bilder?
Bei mir sind immer zuerst die Worte da, danach kommen die Zeichnungen. Wenn ich mit einem Autoren zusammenarbeite, bekomme ich ja ein Skript. Im Moment schreibe ich nebenher an einem eigenen Stoff, da probiere ich zwischendurch auch, ob das als Zeichnung funktioniert, das beeinflusst sich dann gegenseitig. Aber auch da ist eigentlich zuerst das Wort da.

2. Hören Sie beim Zeichnen Musik, und wie beeinflusst Sie das?
Ja, sehr gerne, sehr viel. Eigentlich immer. Ohne Musik würde mir was fehlen. Ich glaube aber nicht, dass Musik einen besonderen Einfluss hat auf meine Stimmung oder Arbeit. Eher andersherum.

3. Was essen oder trinken Sie am liebsten bei der Arbeit?
Kaffee. Ich esse eigentlich nicht bei der Arbeit.

4. Angenommen, Ihre Wohnung brennt: Welche Comics würden Sie auf jeden Fall aus Ihrem Regal retten?
Wenn die Wohnung brennt, würde ich zuerst alles retten, was nicht ersetzt werden kann. Das wären aber eher Originale oder signierte Drucke. Meine Comicsammlung würde sich komplett ersetzen lassen, Raritäten besitze ich da eigentlich nicht.

5. Welche Zeichner/innen und Autor/innen waren für Ihre eigene Entwicklung die prägendsten?
Puh, schwer zu sagen, das war ein langer Ritt. Bevor ich zum Comiczeichnen kam, waren es eher Kinderbuchillustratoren, da mit Sicherheit Sven Nordqvist. Mein Interesse für die Comiczeichnerei wurde letztlich durch Dave McKean geweckt, mit „Arkham Asylum“, das stand im Comicregal der FH für Design in Münster. Ich war begeistert, was im Comic grafisch möglich ist, da ist mir das erst aufgegangen. Vorher habe ich mich für Comics gar nicht interessiert. Ab da wollte ich dann unbedingt selber welche zeichnen.

6. Welchen Comic würden Sie jemandem empfehlen, der sonst eigentlich keine Comics liest?
Das müsste dann wahrscheinlich auch etwas sein, das die Erwartungen an Comic auf den ersten Blick schon übertrifft. Ich finde, das gelingt im Moment ziemlich gut bei „Die Straße“, Manu Larcenets Adaption von Cormac McCarthys Roman. Man schlägt es auf und ist sofort angetan von der Qualität der Zeichnungen. Ich zumindest. Ist allerdings nicht so richtig gut gelaunt, der Stoff.

7. Glauben Sie, dass der Comic aktuell die Aufmerksamkeit hat, die er verdient?
Bei manchen Publikationen gelingt das ja sehr gut. Insgesamt aber eher nicht.

Eine Seite aus „Liberty“.

© Splitter

8. Welche zeitgenössischen Comiczeichner/ innen verdienten mehr Aufmerksamkeit, als sie sie im Moment haben?
Eigentlich echt alle. Sogar die Besten und Erfolgreichsten hätten mehr Aufmerksamkeit verdient.

9. Wenn Sie einen hoch dotierten Preis für das Comic-Lebenswerk zu vergeben hätten, wer würde ihn bekommen?
International? Mike Mignola vielleicht. Brutal eigen, nicht austauschbar und trotzdem handwerklich erstklassig!

10. Wie würden Sie einem Blinden beschreiben, was das Besondere an Ihren Comics ist?
Das könnte ich glaube ich gar nicht. Ich weiß gar nicht, wie Blinde in ihrer Vorstellung visuelle Dinge verarbeiten. Das wär ein interessantes Gespräch.

11. Woran arbeiten Sie derzeit, wenn Sie nicht gerade Fragebogen ausfüllen?
Ich habe jetzt über fünf Jahre fast ausschließlich Comics gezeichnet. Ungefähr 400 Seiten, 150 davon in Tusche und Aquarell, ein ziemlicher Aufwand. Und die letzte Deadline ist noch nicht ganz so lange her. Ich gönne mir also gerade eine kleine Comicpause. Im Moment arbeite ich an einer Reihe von New York-Aquarellen und ich habe da eine Serie von Musiker-Porträts, die ich immer wieder ergänze, wenn ich Zeit finde. Freie Arbeiten also, ohne Deadlines. Das tut gerade sehr gut.

Eine weitere Seite aus „Liberty“.

© Splitter

12. Wieso würden Sie einem jungen Menschen raten, Comic-Autor/in zu werden - und wieso würden Sie ihm oder ihr davon abraten?
Ich würde nie davon abraten. Das ist etwas, das mich immer sehr gestört hat, dass Menschen versuchen, einem einen Traum auszureden. Wenn man etwas außergewöhnliches plant, können sich viele das scheinbar nicht vorstellen. Ich würde raten, nicht zu viel darüber zu reden, sondern einfach zu machen. Sucht euch ein Standbein, das werdet ihr zunächst sicher brauchen, und dann ab dafür! Das ist alles.

13. Wie fühlt es sich für Sie an, Ihre Zeichnungen als gedruckte Bücher in der Hand zu halten?
Der erste Blick ist fast immer zu kritisch. Wenn ich fünf Jahre an einem Buch gearbeitet habe, habe ich mich während der Arbeit meist schon wieder weiterentwickelt und würde nach fünf Jahren manche Dinge dann schon wieder ganz anders angehen. Früher war ich zuerst mit jedem Buch unzufrieden, heute kann ich damit ganz gut umgehen. Viel schöner ist aber eigentlich, die Bücher in den Regalen und Schaufenstern der Buchläden zu sehen. Wir haben „Liberty“ zum Beispiel vor zwei Wochen im Bookshop an der Freiheitsstatue entdeckt, das war unerwartet und echt toll.

14. Welche Noten hatten Sie im Kunstunterricht?
Immer so 1-2, im Abi 4+

15. Was können Sie überhaupt nicht zeichnen?
Ich finde Katzen doof. Hab ich mal gemacht, fand ich irgendwie nicht gut.

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