Eine Tote und Homophobie im Fußball: Das ist der neue „Polizeiruf 110“ aus Brandenburg

In Küstrin wird auf dem Gelände einer polnischen Gerüstbaufirma die Leiche der deutschen Geschäftsführerin Olivia Briegel aufgefunden. Der polnische Lkw-Fahrer, der die Leiche gefunden hat, beschuldigt einen Kollegen, Olivia umgebracht zu haben, weil dieser Ambitionen auf den Chefposten der Firma hätte.

Schnell wird aber klar: Der Fundort im „Polizeiruf 110: Spiel gegen den Ball“ (Sonntag, ARD, 20:15 Uhr) ist nicht der Tatort. Und der Mörder muss bei 30, 40 Schlägen mächtige Wut auf das Opfer gehabt haben.

Der verdächtige Bereich führt weit über die Firma hinaus, mitten hinein in einen benachbarten deutsch-polnischen Amateur-Fußballverein, dessen Präsidentin Olivia Briegel war.

Einer der Hoffnungsträger des Clubs ist Marco Briegel, 13-jähriger Sohn des Opfers, der sich mit seinen Freunden Robert und Kevin Hoffnungen auf einen Vertrag im Profifußball macht, um aus der brandenburgischen Provinz wegzukommen.

Eine Gerüstbaufirma im deutsch-polnischen Grenzgebiet und ein Fußballverein – die Kommissare Vincent Ross (André Kaczmarczyk) und Alexandra Luschke (Gisa Flake) kriegen es im neuen „Polizeiruf“ heftig mit Männerwelten zu tun.

© rbb/Oliver Feist

Männerwelten? Nicht unbedingt. Denn nicht alle Männer in diesem Kosmos sind willkommen: Das von Fußballfans und Spielern auch hier allzu oft genutzte Schimpfwort „Schwuchtel“ trifft auf tieferen, homophoben Boden. Offensichtlich gab es ein ungewolltes Outing im Club, in das die Präsidentin und der Trainer Hannes Kirchner (Hanno Kofler) verwickelt waren.

Der Täter wird hierunter zu finden sein, zumal die Idee, sich mit Public Viewing bei der Fußball-EM vielleicht mal ein gutes Alibi zu verschaffen, so gut dann doch nicht ist.

Muss man diesen Krimi sehen? Ja, doch, das passt schon gut in die Primetime: das leider immer noch ernste und wichtige Thema Homophobie im Fußball, in einer Sportart, für die Oliver Kahn einst ausrief: „Eier! Wir brauchen Eier!“ Auch wenn die Reaktionen der Spieler, Fans und Trainer auf den Verdacht, nicht männlich genug zu sein, etwas stereotyp daher kommen.

Das genderfluide Verhalten des Ermittlers Vincent Ross (André Kaczmarczyk), den der RBB ja 2021 mutig mit Schottenrock, Kajal-Strich unterm Auge und Blumenhemd als Gegenentwurf zum Macho-Bullen in die brandenburgische Provinz gesteckt hat, mischt den festgefügten Ermittler-Rollen-Kosmos in „Tatort“ und „Polizeiruf“ jedenfalls weiter munter auf.

Es ist schon interessant, mit welchem Selbstverständnis das mit der Diversität im „Polizeiruf“ vorgetragen wird. Dass Vincent Ross seine Kollegin noch fragt, wer Lukas Podolski ist (und abends nach dem Dienst lieber in die Oper geht, statt EM-Fußball zu gucken), mag hoffentlich Ironie sein.