
© Kinostar Verleih
Die Kino-Neustarts der Woche : Putin mit vollgekackten Windeln und andere Tragödien
Viel zu lachen gibt es bei den Neustarts nicht. Dafür ergibt sich eine spannende Mischung vom Medienthriller bis zum völlig durchgedrehten Putin-Biopic.
- Jörg Wunder
- Andreas Busche
- Christiane Peitz
- Fabian Kurtz
- Gunda Bartels
Stand:
Der Film mit dem größten Star-Appeal ist in dieser Woche die tragische Romcom „We Live In Time“ mit Andrew Garfield und Florence Pugh. Der Medienthriller „September 5“ betrachtet das schreckliche Olympia-Attentat von 1972 aus einem ungewohnten Blickwinkel. Eine bitterböse Satire ist „Veni Vidi Vici“ aus Österreich.
Außerdem gibt es ein Wiedersehen mit Regie-Altmeister Edgar Reitz, ein dänisches Abtreibungsdrama, ein surrealistisches Porträt der israelischen Gesellschaft und ein bizarres KI-Biopic, das Putin mit seinen eigenen Waffen schlagen will.
1 September 5 - The Day Terror Went Live
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Als am 5. September 1972 bewaffnete Terroristen ins Quartier der israelischen Mannschaft im Münchner Olympiadorf eindrangen und 14 Mitglieder des Teams als Geiseln nahmen, wurde die Welt ins düsterste Kapitel der deutschen Geschichte zurückgeworfen. Am frühen Morgen des 6. September starben bei einem dilettantischen Polizeieinsatz auf dem Flugplatz Fürstenfeldbruck neun Geiseln, am Ende der Nacht sind elf Israelis tot.
München 1972 waren die ersten Spiele der medialen Neuzeit: Die Bilder des US-Senders ABC wurde erstmals weltweit live übertragen. Das realisieren in Tim Fehlbaums („Hell“) dritter Regiearbeit irgendwann auch die Journalisten im Regieraum: Die Terroristen verfolgen live im Fernsehen den Versuch der Polizei, das Gebäude zu stürmen.
Fehlbaum gelingt in „September 5“ der schwierige Balanceakt, einen Medienthriller aus der beschränkten Perspektive der Journalisten zu erzählen, dabei aber auch ihre ungewollte Komplizenschaft zu thematisieren. Das ist bravourös und schnörkellos inszeniert, ohne dass der Film den historischen Konflikt bagatellisiert. Die Fragen, die er aufwirft, bleiben relevant. (Andreas Busche)
2 We Live In Time
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Natürlich sind die beiden ein designiertes Traumpaar: der frisch geschiedene Tobias (Andrew Garfield), der gedankenverloren aus einem Café taumelt, und die Spitzenköchin Almut (Florence Pugh), die ihn mit ihrem Wagen versehentlich über den Haufen fährt. Doch trotz gegenseitiger Anziehung und leidenschaftlichem Sex dauert es, bis sie endgültig zueinander finden.
Bis hierhin wäre „We Live In Time“ eine wohltemperierte Romcom mit eingebautem Happy End, doch Regisseur John Crowley („Brooklyn“) und Autor Nick Payne haben für ihr supersympathisches Hauptdarstellerpaar Tragisches im Sinn.
Von einer erblühenden Liebe und einem von heimtückischer Krankheit dahingerafften Leben erzählt der Film in einer ambitionierten, nicht chronologischen Struktur, offensichtliche Kitschfallen weitgehend umkurvend. Ein Päckchen Taschentücher im Kino dabeizuhaben, kann indes nicht schaden. (Jörg Wunder)
3 Veni Vidi Vici
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Maynard (Laurence Rupp) ist der König Midas unter den Investoren. Alles, was er anpackt, gelingt: ob Firmenübernahme oder Bau einer Batteriefabrik im Naturschutzgebiet. Familienmensch ist er auch noch, mit Gattin Viktoria (Ursina Lardi) hat er drei Adoptivtöchter. Die Älteste, Paula, wird zur Nachfolgerin geformt. Auch am Gewehr. Denn die Jagd ist Maynards Leidenschaft. Die auf Menschen wohlgemerkt, die er in Gestalt von Radlern, Liebespaaren oder Joggern im Wald umnietet.
Zusehends verzweifelt staunt er darüber, dass ihn niemand zur Rechenschaft zieht. Genau das ist der Punkt, den das österreichische Regieduo Daniel Hoesl und Julia Niemann in seiner bitterbösen Satire macht. Die Privilegierten stehen über dem Gesetz. Man muss sich nur Figuren wie Musk oder Trump anschauen, um diese ironische Überzeichnung erschreckend einleuchtend zu finden.
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Die amoralische Wohlstandsverwahrlosung ist verpackt ins Unschuldslämmerweiß: blutiger Zynismus, rein wie Schnee. „Veni Vidi Vici“ versteht es, ein Maximum an Unbehaglichkeit zu erzeugen. (Gunda Bartels)
4 Shikun
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Sie tänzelt durch die Flure, singt, dreht langsam durch und schreit entsetzt auf. Die französische Schauspielerin Irène Jacob ist unser Guide in „Shikun“, dem jüngsten Werk von Amos Gitai, einer filmisch-theatralen Etüde zur Frage, ob Israel noch zu retten ist. Oder ob das Land bald nur noch von Nashörnern bevölkert wird, frei nach Ionescos Theaterstück über Opportunismus und Herdentrieb.
Sein Film entstand als Reflex auf die Protestbewegung gegen den Rechtsruck. Schauplatz ist ein riesiger Sozialbaukomplex (Hebräisch: Shikun) in Be’er Sheva. Die Kamera erkundet die Eingeweide der brutalistischen Betonarchitektur. Man spricht Arabisch, Jiddisch, Ukrainisch. Israel als Juden- und Vielvölkerstaat, als Land der Einwanderer, immens unter Druck: „Shikun“ choreografiert das Chaos. Die Fragen, die der (vorher gedrehte) Film formuliert, stellen sich seit dem 7. Oktober noch dringlicher. (Christiane Peitz)
5 Filmstunde_23
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Der Regisseur Edgar Reitz ging 1968 mit einem kleinen Team an ein Mädchengymnasium in München, um die Schülerinnen einer 8. Klasse im Handwerk des Filmemachens zu unterrichten. In wenigen Wochen lernten die Mädchen mit wachsender Begeisterung die Grundlagen eines Mediums, das zwar via Fernsehen und Kino ihren Alltag prägte, über dessen Wirkmechanismen aber völliges Nichtwissen herrschte.
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55 Jahre nach dem aus dieser Begegnung entstandenen Dokumentarfilm „Filmstunde“ trifft sich Reitz, inzwischen 90, mit den ehemaligen Schülerinnen wieder. In der ebenso erhellenden wie anrührenden Doku „Filmstunde_23“ sichten und diskutieren die damals entstandenen Filmexperimente der Mädchen, deren Bandbreite allein, so Reitz, die Wichtigkeit eines regulären Schulunterrichts in Sachen Film untermauerte. Dazu ist es indes nie gekommen.
„Sie geben den Kindern ein Bonbon zu lutschen und nehmen es ihnen wieder weg“, sagte eine besorgte Mutter 1968 zu Reitz. Trotzdem haben die Mädchen den kurzen Blick hinter die Kulissen als positiv lebensverändernd empfunden. (Jörg Wunder)
6 Putin
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Ein Biopic über Wladimir Putin, das die ganze Wahrheit verspricht, klingt nach einem Marketingcoup. Erst recht, wenn sein Hauptdarsteller ein Produkt Künstlicher Intelligenz ist. Gleich in der ersten Szene sieht man also einen dementen, täuschend echten Putin in einem Pflegeheim mit vollgekackten Windeln vor sich hinvegetieren. Damit ist früh klar, dass der polnische Regisseur Patryk Vega, in seiner Heimat erfolgreich, aber umstritten, nicht an einer Charakterstudie interessiert ist.
Küchentisch-Psychologie und Fieberfantasie
Seine Erklärung für Putins Werdegang, vom demokratischen Hoffnungsträger zum Despoten, ist dann auch eher Küchentisch-Psychologie. Wladimir wurde als Kind von den großen Jungs verprügelt, die Politik ist seine Rache. Seine Nemesis erscheint ihm immer noch als böser Geist, auch darum erinnert „Putin“ an eine Fieberfantasie, die durch die Biografie seines Protagonisten streift.
Der russische Präsident wird als Bösewicht aufgebaut, um ihn lächerlich zu machen. Der KI-Effekt hat sich schnell abgenutzt. Ein krudes Machwerk, das man gesehen haben muss, um es zu glauben.(Andreas Busche)
7 Das Mädchen mit der Nadel
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Die junge Karoline arbeitet in Kopenhagen der 1910er-Jahre in einer Textilfabrik, die ihre Produktion auf Uniformen für die Soldaten im Ersten Weltkrieg umgestellt hat. Karoline, deren Mann seit über einem Jahr im Krieg als verschollen gilt, beginnt eine Affäre mit dem Fabrikbesitzer, der ihr in Anbetracht von Karolines Schwangerschaft die Ehe verspricht. Doch dessen herrische Mutter macht dem Paar ein Strich durch die Rechnung, der Fabrikant beendet die Beziehung und überlässt Karoline sich selbst.
In ihrer Verzweiflung will die mittellose Frau das Kind mit einer Nadel abtreiben, wird aber von der Süßwarenverkäuferin Dagmar gehindert. Dagmar, die hinter ihrem Shop eine illegale Adoptionsstelle betreibt, zeigt ihr einen vermeintlichen Ausweg aus der Misere.
Magnus von Horns „Das Mädchen mit der Nadel“ zeichnet durch Karolines Augen ein knallhartes Sittengemälde, dessen Schwarzweiß-Schichten er nach und nach abträgt, um zu seinem moralischen Dilemma, der Schuldfrage, zu gelangen. Die ist, wunderbar, in Graustufen belassen. (Fabian Kurtz)
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