
© IMAGO/Jürgen Held
Leserbrief zur A100-Verlängerung in Berlin: Vierrädrige Kampfmaschinen ringen um immer mehr Platz
Neue Straßen erzeugen zusätzlichen Auto-Verkehr, erklärt unser Leser, selbst Städtebau-Experte. Kiezblocks dagegen reduzieren Auto-Verkehr. Und wie sehen Sie’s?
Stand:
Die wissenschaftliche (!) Erkenntnis, dass neue Straßen mehr Verkehr erzeugen, anstatt Verkehr zu reduzieren, ist mittlerweile schon sehr alt. Sie liegt weit vor den aktuellen Diskussionen um die Lebensqualität in der Stadt und einer Verbannung parkender Autos aus den öffentlichen Räumen. Geradezu avantgardistisch ist das Ringen um den Kiezblock oder Superblock. Hier wird der Durchgangsverkehr quartiersweise ausgesperrt.
Die Entwicklung geht allgemein dahin, die Rechte der lokalen städtischen Communities vor den regionalen oder überregionalen Rechten auf individuellen Durchgangsverkehr zu schützen. Bis vor nicht allzu langer Zeit, war das genau umgekehrt, was sich in unserer Stadt – unglaublich aber wahr – wieder ins Negative wendet.
Die Wunden der „alten Verkehrspolitik“ sind noch nicht verheilt, die devastierten Stadträume (Bundesallee, Lützowplatz, Breitenbachplatz, Sachsendamm, Landsberger Allee, Holzmarktstraße, usw. usw….) sind immer noch präsent. Auch dort leben und arbeiten Menschen – nicht nur vierrädrige Kampfmaschinen in ihrem täglichen Ringen um mehr Platz. Diese Räume werden auch nicht lebenswerter, wenn sie beiderseitig mit Lärmschutzwänden versehen sind.
Nun endlich den 17. Abschnitt der A100 nach dem fertiggestellten 16. Abschnitt zu fordern, setzt die Unkenntnis voraus, dass es in dieser Logik auch einen 18. Abschnitt geben wird. Selbst wenn er noch nicht „beantragt“ ist, verlangt das System immer eine Fortsetzung.
Eine Autobahn in der Stadt ist eine Barriere, die Parallelverkehre erzeugt. Eine Autobahn hat Zufahrten mit sehr langen Rampen. Die Zufahrten erzeugen Zielverkehre in den umliegenden Quartieren. Die Distanz zwischen zwei Auffahrten ist die Strecke, wo sich sammelnde Verkehre in die eine oder andere Richtung driften.
Im Umgang mit den noch neuen Superblocks haben erste Auswertungen von Bewegungsströmen ein überraschendes Ergebnis erbracht. Die Annahme, dass der Verkehr in der Nachbarschaft aufgrund seiner Verdrängung proportional zunähme, hat sich nicht bestätigt. Daraus folgt, bei einer Reduzierung von zur Verfügung stehenden Durchgangsstraßen nimmt auch der Verkehr insgesamt ab. Die eingangs erwähnte verkehrswissenschaftliche Regel gilt auch umgekehrt! Klaus Schäfer, Professor für Städtebau, Schöneberg
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