zum Hauptinhalt
Stefan Seidler vertritt die dänische Minderheit im Deutschen Bundestag.

© Benjamin Springstow

Abgeordneter der dänischen Minderheit zu US-Anspruch auf Grönland: „Die Welt ist kein Supermarkt, in dem sich Trump und Musk einfach bedienen können“

Als Abgeordneter vertritt Stefan Seidler die dänische Minderheit im Deutschen Bundestag. Im Interview erklärt er, wie Grönland über Trump denkt und was er sich von Friedrich Merz erhofft.

Stand:

Herr Seidler, US-Präsident Donald Trump fordert, dass die USA sich Grönland einverleiben. Was halten Sie davon?
Die Welt ist kein Supermarkt, in der Elon Musk und Donald Trump sich einfach nehmen können, was sie wollen. Doch so verhält sich der US-Präsident gerade. Sei das in Bezug auf den Panamakanal, den er zum US-Territorium machen will, oder Kanada, das zum 51. Bundesland werden soll.

Oder eben in Bezug auf Grönland, ein Nato-Mitgliedsland. Diesen kalkulierten Bruch diplomatischer Konventionen müssen wir konsequent zurückweisen.

Vom großen Nachbarn gefressen zu werden, das wünscht sich da niemand.

Stefan Seidler, Bundestagsabgeordneter

Wie sollte so eine Reaktion aussehen?
Die neue Bundesregierung unter Friedrich Merz muss gemeinsam mit Grönland und Dänemark die Autonomie der Insel auf diplomatischem Wege verteidigen. Wir müssen ganz klar sagen, dass die USA kein Anrecht auf Grönland haben und Schulter an Schulter mit den Staats- und Regierungschefs der EU- und Nato-Staaten stehen.

Das dänische Königspaar ist gerade in Frankreich. Ich würde mir zum Beispiel wünschen, dass der französische Präsident Emmanuel Macron ein Statement zu Grönland abgibt.

Als Repräsentant der dänischen Minderheit im Bundestag haben Sie mehrmals Grönland besucht. Wie ist die Stimmung dort?
Die Ansprüche, die Trump geltend macht, beunruhigen die Grönlander. Am Wochenende gab es eine große Demonstration, Hunderte Menschen sind in der Hauptstadt Nuuk auf die Straße gegangen. Das ist schon außergewöhnlich.

Ein Anti-Trump-Protest vor dem US-Generalkonsulat in Grönland am 15. März.

© REUTERS/CHRISTIAN KLINDT SOELBECK

Gerade junge Menschen in Grönland möchten eine Perspektive, die auch über die Insel hinausblickt. Das ist für sie aber Handel und Austausch. Vom großen Nachbarn gefressen zu werden, das wünscht sich da niemand. Und auch der neue Premierminister hat ja ganz klar deutlich gemacht, dass er nichts von dem amerikanischen Werben hält.

Haben die Menschen in Flensburg Angst vor Trump?
Mit dem Schmelzen der Polarkappen entstehen in der Arktis neue Seewege. Dadurch steigt die geostrategische Bedeutung von Nordeuropa. Und damit meine ich nicht nur Skandinavien. Sondern auch Schleswig-Holstein.

Um uns Norddeutsche aus der Ruhe zu bringen, muss schon so einiges passieren. Aber dass wir jetzt nicht nur russische Aktivitäten im Baltikum und der Arktis, sondern mit den USA auch eine Bedrohung aus dem Westen auf dem Schirm haben müssen – das ist schon eine große Belastung.

Grönlands Hauptstadt Nuuk liegt näher an New York als an Kopenhagen.

© Tagesspiegel⁄Rita Böttcher

Grönland ist als erstes Land – noch vor Großbritannien – aus der EU ausgetreten. Haben Sie das Gefühl, dass die Insel sich wieder stärker Richtung EU orientieren wird?
Das letzte Mal war ich im vergangenen Oktober in Grönland mit einer Delegation des Bundestags. Wir waren im Grönländischen Parlament und haben uns unter anderem zu Fragen der Selbstständigkeit ausgetauscht.

Die Menschen dort sind in erster Linie Grönländer, manche wollen auch komplett unabhängig sein. Aber die meisten fühlen sich auch Dänemark sehr verbunden. Und das hat auch der neue Premier deutlich gemacht.

Demonstranten auf Grönland protestieren gegen Trump am 15. März.

© Reuters/Ritzau Scanpix/Christian Klindt Soelbeck

Wie geht die dänische Regierung mit der Lage um?
Dänemark war immer ein verlässlicher Partner für Washington. Als die USA nach den Anschlägen des 11. September Afghanistan angriff, waren auch dänische Truppen dabei. Dutzende dänische Soldatinnen und Soldaten sind in dem Krieg gestorben. Wenn man das auf die Bevölkerungsgröße rechnet, hat Dänemark – nach den USA – die meisten Todesopfer zu beklagen.

Deswegen fühlen sich jetzt viele Menschen in Dänemark veräppelt. Die dänische Regierung versucht vor allem auf diplomatischem Wege zu wirken. Und deutlich zu machen, dass man in der Lage ist, die Sicherheit Grönlands zu garantieren.

Die Grenzüberschreitung wird zur Norm, sei es in den USA mit Trump oder der AfD in Deutschland.

Stefan Seidler, Bundestagsabgeordneter

Wie meinen Sie das?
Auch Dänemark hat von der Friedensdividende profitiert. Und sieht jetzt die Notwendigkeit, wieder mehr Geld in Rüstung und Verteidigung zu investieren. Genauso haben sich aber auch die USA über die Jahre immer mehr aus Grönland zurückgezogen. Es gab dort mal 17 amerikanische Militärbasen. Bis auf eine wurden alle geschlossen.

Neben der strategischen Bedeutung in der Arktis werden auch Grönlands Bodenschätze durch den Klimawandel immer zugänglicher. Da kann es wichtig sein, sich zu positionieren. Das macht man aber nicht mit militärischer Macht, wie es die USA jetzt versuchen.

Und sollten die USA ihre Drohungen Ernst machen und mit militärischer Gewalt Grönland einnehmen wollen?
Donald Trump sagt derzeit sehr viele Sachen. Was er davon wie ernst meint, ist noch offen. Was klar ist: Wir leben in einer Zeit, in der immer wieder diplomatische Konventionen gebrochen werden.

Die Grenzüberschreitung wird zur Norm, sei es in den USA mit Trump oder der AfD in Deutschland. Und irgendwie fühlt man sich da auch etwas ohnmächtig.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })