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Der Tanker "Front Altair" steht in Flammen.

© REUTERS

Update

Feuer am Golf von Oman: Angriffe auf Tanker heizen Konflikt zwischen Erzrivalen an

Die Welt ist alarmiert, denn durch die Straße von Hormus verlaufen die wichtigsten Ölrouten. Soll ein Krieg provoziert werden?

Die mutmaßlichen Anschläge auf zwei Tanker im Golf von Oman lassen die Spannungen in der Region gefährlich eskalieren. Erst vor vier Wochen hatten die Vereinigten Arabischen Emirate Sabotageakte gegen vier Handelsschiffe in derselben Region gemeldet. Und nun wieder ein Vorfall, der die Welt alarmiert und die Gefahr eines Krieges wachsen lässt. „Es ist die Einschätzung der US-Regierung, dass die Islamische Republik Iran verantwortlich für die Angriffe ist, zu denen es heute im Golf von Oman kam“, sagte US-Außenminister Mike Pompeo am Donnerstag in Washington auf einer Pressekonferenz. Diese Einschätzung basiere unter anderem auf Geheimdienstinformationen, auf Kenntnissen über eingesetzte Waffen und ähnliche Angriffe in jüngster Vergangenheit.

Die Vereinigten Staaten haben dem UN-Sicherheitsrat trotz öffentlicher Schuldzuweisungen an Teheran allerdings offensichtlich keine Belege für die Verantwortung des Irans für die Angriffe auf Öltanker am Golf vorgelegt. „Wir haben keinerlei Beweise diskutiert“, sagte der kuwaitische UN-Botschafter Mansur al-Otaibi nach einem Treffen des Gremiums am Donnerstag. Kuwait steht dem Gremium momentan vor. Auch habe der Sicherheitsrat zunächst keine Maßnahmen angesichts der steigenden Spannungen beschlossen. Es müsse seiner Ansicht nach eine unabhängige und gründliche Untersuchung geben. Der stellvertretende amerikanische UN-Botschafter Jonathan Cohen bekräftigte die Haltung der USA, dass Teheran verantwortlich sei. „Keine Gruppe in der Region verfügt über die Ressourcen oder die Fähigkeiten, um mit dieser Genauigkeit zu agieren. Der Iran jedoch hat die Waffen, die Expertise und das Wissen der Geheimdienste, um das zu machen.“

"Wir befinden uns möglicherweise in der Vorbereitung einer bewusst herbeigeführten und in Kauf genommenen militärischen Konfrontation“, sagt Carlo Masala, Professor für Internationale Politik an der Bundeswehr-Universität in München.

Was ist über den Angriff bekannt?
Mit 75.000 Tonnen Schwerbenzin für die petrochemische Industrie an Bord war die norwegische „Front Altair“ am Donnerstagmorgen von den Vereinigten Arabischen Emiraten in Richtung Taiwan unterwegs, als eine schwere Explosion das Schiff erschütterte. Die „Front Altair“ hatte die Straße von Hormus, das enge Nadelöhr am Ausgang des Persischen Golfes, passiert und fuhr südlich der iranischen Küste in Richtung Osten, als offenbar eine Haftmine am Rumpf des Schiffes explodierte. Solche Minen waren bei den Anschlägen auf vier Tanker im Mai verwendet worden.

An Bord der „Front Altair“ brach Feuer aus. Fast zur selben Zeit wurde ganz in der Nähe der Tanker „Kokuka Courageous“ von einem Geschoss getroffen. Die deutsche Reederei Bernhard Schulte Shipmanagement in Singapur teilte lediglich mit, das Schiff sei beschädigt worden. In beiden Fällen konnten sich die Mannschaften in Sicherheit bringen. Ein Sprecher der US-Marineverbände am Golf erklärte, man sei den beiden Schiffen nach ihren Notrufen zu Hilfe geeilt. Die deutsche Reederei teilte ebenfalls mit, die Besatzung der „Kokuka Courageous“sei in Obhut der US-Marine.

Wer kommt als Drahtzieher der mutmaßlichen Anschläge in Betracht?

Kurz nach den Anschlägen im Mai hatten die USA den Iran für die Gewalt verantwortlich gemacht; am Donnerstag lag von amerikanischer Seite zunächst keine Stellungnahme vor. Verbündete der USA am Golf – allen voran Saudi-Arabien – sind aber sicher, dass Teheran in der Region zündelt. Die Führung in Teheran weist alle Vorwürfe zurück.

US-Flotte: Zwei Schiffe im Golf von Oman angegriffen. Die Golfregion mit Lokalisierung der Vorfälle.
US-Flotte: Zwei Schiffe im Golf von Oman angegriffen. Die Golfregion mit Lokalisierung der Vorfälle.

© AFP/Thorsten Eberding

Außenminister Dschawad Sarif schrieb auf Twitter, es sei mehr als merkwürdig, dass die Schiffe am Donnerstag ausgerechnet in jenem Moment angegriffen wurden, in dem Irans Revolutionsführer Ajatollah Ali Chamenei in Teheran mit dem japanischen Regierungschef Shinzo Abe konferierte. Nach Angaben aus Tokio waren beide Schiffe im Rahmen japanischer Aufträge unterwegs. Ohne es auszusprechen, spielte Sarif damit auf die Möglichkeit an, dass Gegner des Iran – zum Beispiel die Saudis – versucht haben könnten, Abes Vermittlungsmission zu unterlaufen und einen Krieg zu provozieren. Beweise dafür legte er nicht vor.

Möglich ist aber auch, dass Teile des iranischen Machtapparates die Anschläge verübten. Wenn das zutreffe, habe man es in diesem Fall mit hybrider Kriegsführung zu tun, sagt Experte Masala. Ähnlich wie bei den russischen Aktionen in der Ukraine bleibe die Gewalt unterhalb der Schwelle, die eine genaue Identifizierung der Täter ermögliche. „Das macht es für die USA extrem schwierig, Militärschläge gegen den Iran zu rechtfertigen und Verbündete zu finden.“ Als iranische Spezialisten für solche Aktionen gelten die Revolutionsgarden und deren Al-Quds-Einheiten. Diese Elitetruppe ist eigens für Operationen im Ausland trainiert.

Wie mächtig sind die Revolutionsgarden?

Keine Frage: Die Pasdaran genannten Paramilitärs sind ein bedeutender Machtfaktor im Iran. Ihr gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Einfluss ist kaum zu überschätzen. Mit Irans religiösem Oberhaupt Ajatollah Ali Chamenei bilden sie seit Jahrzehnten den Stützpfeiler der autoritär geführten Theokratie. Längst agieren sie wie ein Staat im Staate. Sogar Präsident Hassan Ruhani schafft es nur noch sehr selten, die Gardisten in die Schranken zu weisen. Ihre Schlagkraft – nach Schätzungen stehen 125.000 Soldaten unter Waffen, es gibt Truppenteile für Heer, Luftwaffe und Marine – nutzen sie, um in der Region in Irans Sinne zu agieren, also die Macht der Islamischen Republik ausweiten und die schiitische Revolution zu exportieren.

Das von Ruhani ausgehandelt Atomabkommen wird von den Revolutionsgarden strikt abgelehnt. Sie sehen in der internationalen Übereinkunft eine Schmach für ihr Land. Und sie lassen keine Gelegenheit aus, sich gegen den Erzfeind Amerika in Stellung zu bringen. Mehrfach wurde gedroht, US-Soldaten seien im Persischen Golf nicht sicher.

Was bedeuten die jüngsten Vorfälle für Vermittlungsbemühungen?

Nichts Gutes. Das bekam auch Premier Shinzo Abe zu spüren. Bei einem Treffen lobte Irans Staatsoberhaupt Ali Chamenei zwar Japans Engagement. Aber der Revolutionsführer gab dem Gast eine klare Botschaft mit auf den Weg: Gespräche mit Amerika sind aus Sicht Teherans momentan ausgeschlossen. Die Islamische Republik vertraue den USA nicht. Man habe mit Washingtons Ausstieg aus dem Atomabkommen bereits eine bittere Erfahrung gemacht. Trump sei eine Antwort auf seine Verhandlungsangebote „nicht würdig“. Damit ist klar: Auch Abe ist mit seinem Vermittlungsversuch gescheitert. Wie kurz zuvor Außenminister Heiko Maas. Denn solange Amerika gegen den Iran einen „Wirtschaftskrieg“ führe, wollen die Mullahs nicht mit dem Erzfeind reden. Doch dass Trump die Sanktionen zurückfährt, gilt derzeit als ausgeschlossen.

Gerät der Konflikt zwischen dem Iran und den USA nun außer Kontrolle?

Zumindest werden militärische Zusammenstöße wahrscheinlicher. Die USA haben zusätzlich zu ihren in der Golfregion stationierten Truppen, Luftwaffeneinheiten und Marineverbänden weitere Soldaten, Bomber und Kriegsschiffe in die Region geschickt.

Der Iran verfügt über Raketen und kann mit Hilfe von Verbündeten, zum Beispiel schiitischen Milizen – einen möglichen Konflikt rasch ausweiten und damit amerikanische Soldaten in Syrien oder im Irak gefährden. Auch Israel, Saudi-Arabien und die Vereinigten Emirate könnten als erklärte Rivalen des Iran in einen Konflikt hineingezogen werden.

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