
© dpa/Robert Michael
Antisemitismus-Verdacht bei „Demokratie leben“: Förderprojekte des Bundes sollen geprüft werden
Union und Zentralrat der Juden fordern eine Reform des Programms „Demokratie leben“. Der Vorwurf: Antisemitische Aussagen durch Vertreter von staatlich unterstützten Organisationen.
Stand:
Recherchen der „Welt am Sonntag“ sollen antisemitische und extremistische Äußerungen bei staatlich finanzierten Nichtregierungsorganisationen belegen. Betroffen ist gemäß dem Artikel das Förderprogramm „Demokratie leben“ des Bundesfamilienministeriums (BMFSFJ). Das Förderprogramm wurde 2014 durch die damalige Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) ins Leben gerufen.
Die Zeitung legt teilweise antisemitische und beleidigende Zitate offen, die von Funktionären stammen sollen, deren Organisationen mit Steuergeldern geförderten werden.
So etwa soll Isa Panz, Initiator des Vereins „Teilseiend e.V.“ in Heidelberg, zionistische Juden auf der Plattform X als „Krankheit“ bezeichnet haben. Der Verein soll zwischen 2020 und 2024 als Träger des Projekts CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit 2,8 Millionen Euro Förderung bekommen haben.
Besonders brisant sind im Netz getätigte Kommentare von Panz. Unter einem Foto des Chanukka-Leuchters am Brandenburger Tor soll er geschrieben haben: „Verkommen wir hier zu einem Judenstaat?“. Zu einem Beitrag des Bundeskanzlers am Holocaust-Gedenktag hat Panz laut WamS kommentiert: „Einfach nur eklig, wie kann man sich nur derart anbiedern?“ Laut der Zeitung soll er sich nach Bekanntwerden der Aussagen aus dem Verein zurückgezogen haben.
Antisemitismus und Israel-Hass muss zum Ausschluss von der Finanzierung führen.
Alexander Throm, innenpolitischer Sprecher der Union
Der Bericht legt weitere Kommentare bei ebenfalls staatlich geförderten Organisationen offen. So sollen Funktionäre und Berater der Organisation BIWOC Rising, die im Rahmen von „Demokratie leben“ 800.000 Euro Projektförderung erhielt, den Hamas-Angriff auf Israel als „Widerstand gegen Kolonialismus“ bezeichnet haben. Israelische Siedler wurden in schwerer antisemitischer Manier als „Schweine ohne jede Würde“ verunglimpft. BIWOC Rising hat sich nicht zu den Vorfällen geäußert.
Zudem sorgt die Förderung von Vereinen aus dem Umfeld der islamistischen Milli-Görüs-Bewegung laut dem Bericht für Kritik. So unterstützt das Bundesfamilienministerium etwa ein Präventionsprojekt des Islamischem Wissenschafts- und Bildungsinstitut (IWB), das der vom Verfassungsschutz beobachteten Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) nahesteht, schreibt die WamS.
Der innenpolitischer Sprecher der Union, Alexander Throm, sagte der WamS: „Ich erwarte, dass die Bundesregierung jetzt jede einzelne NGO genau überprüft, die weiterhin von ‚Demokratie leben‘ gefördert werden will.“ Weitere Finanzierung dürfe es „nur bei absoluter Treue zu unseren Staatszielen“ geben. „Im Zweifel werden viele der NGOs künftig keine Gelder der Steuerzahler bekommen. Antisemitismus und Israel-Hass muss zum Ausschluss von der Finanzierung führen.“
Prien kündigt Überprüfung an
Inzwischen soll sich auch der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, eingeschaltet haben. Laut der WamS stehe Klein mit Familienministerin Karin Prien (CDU) im Austausch.
Prien reagierte am Samstag gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. „Wir werden das Programm evaluieren, umfassend überprüfen und wollen sicherstellen, dass zukünftig Mittel effizienter zur Stärkung der Mitte der Gesellschaft genutzt werden“, sagte sie. Wer über das Bundesprogramm „Demokratie Leben“ öffentliche Gelder beziehe, verpflichte sich damit, „fest auf dem Boden der demokratischen Grundordnung zu stehen.“ Hass und Hetze hätten hier nichts verloren, bekräftigte Prien. „Wir gehen jedem Verdacht nach, wo sich Zuwendungsempfänger nicht an diese Regeln halten.“
Bereits zuvor forderte Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, Konsequenzen aus den Vorfällen. „Ich bin davon überzeugt, dass unter Ministerin Prien auch diese Erkenntnisse zum Anlass genommen werden, umfassend das Programm ,Demokratie leben’ zu überarbeiten“, zitiert ihn die WamS. Schuster appelliert daran, zu differenzieren. Es gelte, genau darauf zu schauen, „wer oder was gefördert“ werde. „Aber es sollten nicht einfach ganze Förderprogramme gestrichen oder blindlings gekürzt werden.“
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Helge Lindh fordert gegenüber der WamS, künftig die „Verfassungstreue der geförderten Organisationen noch zuverlässiger“ festzustellen. Der AfD-Abgeordnete Gottfried Curio, innenpolitischer Sprecher seiner Partei, fordert einen „Ausschluss von jeglicher Förderung“, sollten extremistische oder antisemitische Aussagen oder Verbindungen von geförderten Organisationen feststehen.
Grüne und Linke sehen laut der WamS hingegen keinen Reformbedarf. Lamya Kaddor, Beauftragte für Religionspolitik bei den Grünen, verwies gegenüber der WamS auf die „umfangreiche inhaltliche Prüfungen der Mittelempfänger“. Hier sei es die Verantwortung der Bundesregierung, „auch weiter den nötigen Sachverstand und die entsprechende Sensibilisierung für die Phänomene Antisemitismus und Islamismus in den Prüfmechanismen zu garantieren“. Clara Bünger (Linke) nannte die Kritik an den Projekten eine „Kampagne von rechts“.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: