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Der Taurus wird von Kampfjets abgefeuert, bevor er eigenständig weiterfliegt.

© dpa/AP/South Korea Defense Ministry

„Antrag könnte Erfolg haben“: FDP erwägt Abstimmung im Bundestag über Taurus für die Ukraine vor Wahl

Kiew pocht seit langem auf Lieferungen des Marschflugkörpers. Kanzler Scholz lehnt dies weiter kategorisch ab. Durch den Bruch der Ampel könnte es zumindest im Parlament einen Kurswechsel geben.

Stand:

Die Ukraine gerät im Abwehrkampf gegen die Invasionstruppen des russischen Machthabers Wladimir Putins immer stärker unter Druck. Die Regierung in Kiew fordert dringend mehr Waffen und Munition von den westlichen Verbündeten. Weit oben auf der Wunschliste von Präsident Wolodymyr Selenskyj steht der deutsche Marschflugkörper vom Typ Taurus, der eine Reichweite von bis zu 500 Kilometern und eine große Zerstörungskraft hat.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat es wiederholt kategorisch ausgeschlossen, Kiews Armee diese Raketen zu liefern, mit denen theoretisch aus der Ukraine auch Ziele in Moskau angegriffen werden könnten. Er befürchtet, dass dies zu einer weiteren Eskalation führen und Deutschland direkt in den Krieg hineingezogen werden könnte.

Er sei unverändert dagegen, „dass mit von den von uns gelieferten Waffen weit in russisches Territorium reingeschossen werden kann“, sagte Scholz zuletzt am Mittwoch in seiner Regierungserklärung im Bundestag. Der ehemalige Koalitionspartner FDP erwägt nun einen Antrag im Parlament – noch vor den geplanten Neuwahlen.

Wenn die Situation in der Ukraine dramatisch ist, dann braucht es ja nicht in erster Linie Geld.

Christian Dürr, FDP-Fraktionschef

Auch in der nun geplatzten Ampelkoalition gab es bisher in dieser Frage unterschiedliche Standpunkte. Die SPD unterstützt überwiegend die Position des Kanzlers, Teile der Grünen und FDP sind aber wie die Union dafür.

CDU/CSU brachten zu Zeiten der Ampel-Regierung bereits mehrfach Anträge in den Bundestag ein – allerdings vergeblich. Bei der bisher letzten Abstimmung dazu im März stimmten die Fraktionen von SPD, Grünen und FDP geschlossen dagegen, die einzigen Abweichler waren Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Wolfgang Kubicki (beide FDP). Vehementer, prominenter Befürworter einer Lieferung ist zudem der Grünen-Europapolitiker Anton Hofreiter.

Nach dem Bruch der Ampel will nun die FDP womöglich noch vor den für den 23. Februar 2025 geplanten vorgezogenen Neuwahlen einen Antrag über die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine im Bundestag zur Abstimmung stellen.

„Das wäre eine Möglichkeit. Und ich kann mir durchaus vorstellen, wenn ich mir die Aussagen von Union und Grünen anschaue, dass so ein Antrag Erfolg haben könnte“, sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Wenn die Situation in der Ukraine dramatisch ist, dann braucht es ja nicht in erster Linie Geld“, fuhr er fort. „Wir haben vorgeschlagen, ihr endlich Taurus-Marschflugkörper zu liefern.“

Über die Lieferung einzelner Waffengattungen entscheidet allerdings nicht der Bundestag, sondern der Bundessicherheitsrat und letztlich der Bundeskanzler, der dem Gremium vorsteht.

Baerbock fordert weitreichende Waffensysteme für die Ukraine

Eine Frage wäre, wie sich die Grünen bei einer möglichen Abstimmung verhielten. Außenministerin Annalena Baerbock forderte am Freitag auf dem Grünen-Parteitag, „erneut ein großes, großes Sicherheitspaket“ auf den Weg zu bringen sowie „für weitreichende Waffensysteme einzutreten“. Die Taurus-Marschflugkörper nannte Baerbock dabei aber nicht explizit. 

Andere europäische Länder wie Großbritannien und Frankreich liefern bereits Marschflugkörper an die Ukraine, die aber eine geringere Reichweite als der Taurus haben. „Es geht jetzt darum, endlich die Kraft zu finden, das zu tun, was unsere Partner schon tun“, sagte die Außenministerin weiter. Die Ukraine müsse geschützt werden, „weil es unser Frieden ist“, begründete Baerbock ihre Forderungen. Es gehe darum, „den Frieden auf unserem Kontinent nicht zu verlieren“.

Als Ex-Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner (FDP) in der Bundestagsdebatte über die Regierungserklärung in dieser Woche forderte, Deutschland müsse die Kraft aufbringen, „die Ukraine auch mit dem Waffensystem Taurus auszurüsten“, gab Baerbock ihrer Fraktion von der Regierungsbank aus ein Signal, zu applaudieren, wie die Agentur Reuters schreibt.

Dabei hatte Scholz in seiner Rede gerade noch einmal unterstrichen, dass er bei aller Solidarität für die Ukraine bei seiner Position bleibe: Er werde weder die weitreichenden Marschflugkörper liefern noch seine Zustimmung dazu geben, von Deutschland gelieferte Waffen gegen Ziele im russischen Hinterland einzusetzen. Sicher scheint nach Angaben aus Regierungskreisen nur, dass Scholz seine Position zu Taurus vor den Neuwahlen nicht mehr ändern wird, so Reuters weiter.

Der Unionsfraktionsvorsitzende und CDU-Chef Friedrich Merz hatte sich in einem Interview mit dem „Stern“, das am vergangenen Sonntag veröffentlicht wurde, offengelassen, wie er sich als möglicher Kanzler in dieser Frage verhalten würde.

Er habe den Vorschlag gemacht, „der Regierung in Kiew das Recht zu geben, zu sagen: Wenn das Bombardement auf die Zivilbevölkerung nicht innerhalb von 24 Stunden aufhört, werden die Reichweitenbegrenzungen der vorhandenen Waffen gemeinschaftlich aufgehoben. Falls das nicht ausreicht, wird eine Woche später der Taurus geliefert. Das würde die Ukraine in die Lage versetzen, ihrerseits wieder die Initiative zu ergreifen.“

Merz hatte bereits in früheren Aussagen deutlich gemacht, dass er die Diskussion über eine Taurus-Lieferung auch auf EU-Ebene führen will. Zudem dürfte er sich auch am designierten US-Präsidenten Donald Trump orientieren. Wie dieser sich in der Ukraine-Frage verhalten wird, ist auch angesichts seiner eher vagen Äußerungen zu Friedensplänen unklar.

Am Dienstag dauert der russische Angriffskrieg genau 1.000 Tage. Es gab auf beiden Seiten bereits zehntausende Tote und noch viel mehr Verletzte. In der Ukraine ist auch die Zivilbevölkerung massiv betroffen. Mehrere Millionen Menschen sind aus dem Land geflohen, unter anderem nach Deutschland.

Die Bundesrepublik ist hinter den USA der zweitwichtigste Waffenlieferant der Ukraine und hat bereits Panzer, Artillerie, Luftabwehrsysteme und andere Waffen und Rüstungsgüter für viele Milliarden Euro ins Kriegsgebiet geschickt.

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