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Bauministerin Hubertz über Mieten in Städten: „Es ist derzeit relativ einfach, sich nicht an die Regeln zu halten“
Der Befund ist seit Jahren eindeutig: In Deutschland fehlt massenhaft Wohnraum – auch, weil immer noch viel zu wenige Wohnungen entstehen. Wie will Bundesbauministerin Verena Hubertz das ändern?
Stand:
Frau Hubertz, Sie werden Mutter. Brauchen Sie jetzt eine größere Wohnung?
Zum Glück nicht. Wir haben ein Gästezimmer, das erst mal zum Kinderzimmer wird, sobald das Baby ein eigenes Zimmer braucht. Um einen Umzug müssen wir uns deshalb nicht kümmern.
In Berlin sind viele Familien gezwungen, mit deutlich zu wenig Platz auszukommen. Wissen Sie, was es mit einem 15-Jährigen macht, wenn er sich das Zimmer mit zwei kleinen Geschwistern teilen muss?
Ein eigenes Zimmer, ein Wohnraum, in dem man sich als Familie wohlfühlt, das ist eine ganz wichtige Lebensgrundlage. Viele Familien hätten gerne mehr Platz, aber sie finden nichts Bezahlbares.
Auf der anderen Seite gibt es ältere Menschen, deren Partnerin oder Partner verstorben ist, die auf 100 Quadratmetern und mehr alleine wohnen, weil sie keine passende kleinere Wohnung finden. Es fehlt an adäquatem Wohnraum in Ballungsgebieten. Das macht etwas mit den Betroffenen.
Die Angebotsmieten in Berlin liegen inzwischen bei 17 Euro pro Quadratmeter, die Bestandsmieten bei neun Euro oder sogar darunter. Ob es einem gutgeht, hängt also davon ab, wie alt der Mietvertrag ist. Offenkundig versagt die Mietpreisbremse, wenn sie so eine Schere zulässt.
Die Mietpreisbremse ist wichtig, damit die Bestandsmieten nicht auch noch explodieren. Das Grundproblem bleibt, dass zu wenig Angebot auf dem Markt ist. Wir müssen deshalb bauen, bauen, bauen.
Zudem müssen die Baupreise runter. Es muss Angebot entstehen, das bezahlbar ist. Da hat auch das Bauen im Bestand viel Potenzial, also zum Beispiel aus einer großen Wohnung zwei zu machen. Gleichzeitig wollen wir die Mietpreisbremse verschärfen.
Bei einer Berliner Baustelle, die ich besucht habe, hat das Planen mehr als neun Jahre gedauert und das Bauen zwei. Das kann man niemandem mehr erklären.
Bauministerin Verena Hubertz (SPD)
Wie genau?
Wir haben konkrete Maßnahmen im Koalitionsvertrag vereinbart. Zum Beispiel wollen wir uns möbliertes Wohnen und Indexmieten anschauen. Es gibt nun im Justizministerium die unter Stefanie Hubig berufene Expertenkommission, die den Mietmarkt und insbesondere die Fragen des Mietwuchers oder der Nichteinhaltung der Mietpreisbremse in den Blick nimmt.
Ich war kürzlich mit Rolf Buch, dem Vorstandsvorsitzenden des Wohnkonzerns Vonovia, auf einem Panel. Er hat erzählt, er vermietet für neun Euro und sieht die Wohnung danach für 25 Euro im Internet, weil jemand einfach untervermietet. Daran sehen wir die Auswüchse am Mietmarkt.
Untervermietung ohne Genehmigung ist doch verboten?
Ja, aber es ist in der Praxis sehr schwer zu kontrollieren. Unterm Strich ist es derzeit relativ einfach, sich nicht an die Regeln zu halten.
Wann wird die Verschärfung der Mietpreisbremse durchs Kabinett gehen?
Zu manchen Fragen tagt die Kommission, anderes ist schon konkret verabredet und wird gerade im Justizministerium vorbereitet. Zum Beispiel wollen wir, dass beim möblierten Wohnen der Möbelzuschlag im Mietvertrag ausgewiesen werden muss. Außerdem muss es Bußgelder bei Verstößen gegen die Mietpreisbremse geben, die wirklich wehtun.
Auch jemand mit einem mittleren oder kleinen Gehalt soll sich eine Wohnung in einer Großstadt wie Berlin leisten können.
Bauministerin Verena Hubertz (SPD)
Sie haben gesagt, Sie wollen bauen, bauen, bauen. Laut Ihrer Behörde BBSR braucht es in Deutschland 320.000 neue Wohnungen pro Jahr. 2024 wurden aber nur 250.000 Wohnungen gebaut. Damit verschärft sich die Wohnungsnot immer weiter.
In der Tat brauchen wir eine Trendwende. Mit dem Bauturbo will ich die Verfahren beschleunigen. Bei einer Berliner Baustelle, die ich besucht habe, hat das Planen mehr als neun Jahre gedauert und das Bauen zwei. Das kann man niemandem mehr erklären.
Der Bauturbo ist eine Brechstange: Nachverdichten, aufstocken oder bauen, die Gemeinde hat für die Zustimmung zwei Monate Zeit. Das jahrelange Aufstellen eines Bebauungsplans ist nicht mehr nötig. Noch im Oktober soll das Gesetz im Bundestag beschlossen werden.

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Damit wollen Sie die Wohnungskrise lösen?
Das ist nur der erste Schritt. Der zweite Schritt ist deutlich mehr Geld. Wir haben gerade einen Rekordetat für das Bauministerium beschlossen. Mit 7,4 Milliarden Euro im Jahr 2025 können wir jetzt viel Geld investieren. Hinzu kommen elf Milliarden Euro im Sondervermögen. Damit haben wir in den nächsten Jahren Planungssicherheit.
Sind Ihre Förderprogramme nicht ein Tropfen auf den heißen Stein? Beispiel Sozialwohnungen: Sie fördern deren Bau jährlich mit 3,5 Milliarden Euro. Trotzdem geht der Bestand weiter zurück, weil so viele Sozialwohnungen aus der Preisbindung fallen.
Unsere Förderung für den sozialen Wohnungsbau wird in den kommenden Jahren bis auf 5,5 Milliarden Euro pro Jahr ansteigen. In den nächsten vier Jahren sind es 23,5 Milliarden Euro. Diese Summe wird von den Ländern dann noch einmal mehr als verdoppelt. Damit können wir verhindern, dass der Bestand an Sozialwohnungen weiter sinkt.
Wir haben im Grundgesetz verankert, dass das Bauen Ländersache ist. Das heißt, ich darf als Bundesbauministerin nicht einfach durchs ganze Land fahren und die Wohnungen selbst bauen.
Bauministerin Verena Hubertz (SPD)
Das ist nicht sehr ambitioniert. Deutschland hat aktuell rund eine Million Sozialwohnungen, Experten halten aber mindestens zwei Millionen für nötig. Einen solchen Aufwuchs erreichen Sie mit diesen Zahlen nicht.
Aber eine Trendwende. Außerdem: Eine Sozialwohnung, die aus der Preisbindung fällt, wird danach auch nicht automatisch für den doppelten Preis vermietet. Denn oftmals haben öffentliche Wohnungsbauunternehmen diese Wohnungen gebaut. Außerdem verhindert das Mietrecht drastische Preissprünge.

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Warum baut der Bund nicht selbst mehr Sozialwohnungen? Die dafür nötigen Kredite würden bei der Schuldenbremse nicht berücksichtigt, weil sie damit einen neuen Wert schaffen. Warum gehen Sie nicht diesen Weg?
Wir haben im Grundgesetz verankert, dass das Bauen Ländersache ist. Das heißt, ich darf als Bundesbauministerin nicht einfach durchs ganze Land fahren und die Wohnungen selbst bauen. Aber die Frage, die Sie stellen, ist sehr berechtigt. Der Bund hat eine gute Bonität, wir können Bürgschaften, Eigenkapital oder Fremdkapital ausgeben und damit die Finanzierung von Wohnungsbauprojekten vereinfachen. Dazu schauen wir uns die Möglichkeiten unter dem Dach des Deutschlandfonds an. Denn der Wohnungsbau ist Daseinsvorsorge.
Ich habe mich jetzt schon länger nicht mehr privat auf dem Berliner Markt umgeschaut. Aber es wird immer schwieriger, den Kauf einer Neubauwohnung mit Mieteinnahmen zu refinanzieren.
Bauministerin Verena Hubertz (SPD)
Auch der Bau von Sozialwohnungen ist wegen der sehr hohen Baustandards oft ausgesprochen teuer. Schleswig-Holstein fördert beim sozialen Wohnungsbau nur noch weniger aufwändig gebaute Wohnungen. Den sogenannten Gebäudetyp E, der zum Beispiel weniger dicke Wände hat und damit etwas weniger Schallschutz bietet. Wäre das nicht ein Modell für ganz Deutschland?
Auf der Sonderbauministerkonferenz habe ich meinen Länderkollegen vor Kurzem gesagt: Wir müssen mit dem Geld so viele Wohnungen wie möglich bauen. Dafür müssen wir günstiger, einfacher und mehr seriell bauen.
Schleswig-Holstein und Hamburg machen da schon viel richtig, indem sie einfachere Baustandards definieren und in ihren Förderprogrammen verankern. Dinge, die gut funktionieren, sollten idealerweise alle Bundesländer etablieren.
Sie besitzen eine Berliner Neubauwohnung, die Sie vermieten. Würde sich das für Sie bei den heutigen Baupreisen noch lohnen?
Ich habe mich jetzt schon länger nicht mehr privat auf dem Berliner Markt umgeschaut. Aber es wird immer schwieriger, den Kauf einer Neubauwohnung mit Mieteinnahmen zu refinanzieren. Da liegt man schnell bei Mietpreisen über 20 Euro den Quadratmeter. Zu diesem Preis findet man in Berlin vielleicht noch einen Mieter. Aber ich will nicht, dass Wohnen zum Luxusgut wird. Auch jemand mit einem mittleren oder kleinen Gehalt soll sich eine Wohnung in einer Großstadt wie Berlin leisten können.
Sollte man dann das Tempelhofer Feld bebauen?
Wir müssen natürlich mehr bauen. Wo gebaut wird, das entscheidet in Berlin manchmal eben ein Volksentscheid. Die Frage, ob man so eine große Fläche, die für Freizeitzwecke gerne genutzt wird, aufgeben will, ist ein großer Konflikt. Da will ich mich nicht einmischen.
Ist die Sache so ein vermintes Gelände, dass Sie sich lieber gar nicht erst positionieren?
Ich kann die Sache in Berlin nun einmal nicht entscheiden. Zielkonflikte gibt es eigentlich bei jedem Bauland. Wenn ich auf die grüne Wiese gehe, habe ich die Themen Artenschutz und Biodiversität, vielleicht steht noch irgendwo eine alte Windmühle und der Denkmalschutz wird aktiv. Wir müssen diese Zielkonflikte lösen, es braucht Kompromisse.
Dann wäre doch die viel diskutierte Randbebauung ein Kompromiss.
Das könnte man sich vorstellen.

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Selbst die Union ist inzwischen dafür, Erben stärker zu besteuern. Damit würden die Länder mehr Geld erhalten. Sollten sie im Gegenzug die Grunderwerbssteuer abschaffen, damit junge Familien leichter ein Eigenheim erwerben können?
Ob die Union wirklich zu einer Reform der Erbschaftssteuer bereit ist, muss man sehen. Aber auch Jens Spahn hat inzwischen erkannt, dass die vielen Schlupflöcher ungerecht sind. Wir müssen uns viele Fragen stellen: Wie gelingt eigentlich heute das Aufstiegsversprechen? Wie schaffen wir es, dass wir uns alle wieder eine Wohnung kaufen können? Wie schaffen wir es, die Rente auch zukunftsfit zu machen? Darauf müssen wir Antworten finden.
Unser Eindruck ist: Zur Krise der Rentenversicherung fällt der SPD bisher nichts Neues ein. Wie lautet Ihr Vorschlag?
Ich finde es zum Beispiel unfair, dass Menschen, die eine Excel-Tabelle bedienen können und genug Gehalt haben, am Ende des Monats mit ETFs sparen, viele Menschen in anderen Berufen aber nicht privat vorsorgen können oder wegen einer gewissen Aversion nicht vom Aktienmarkt profitieren.
Ich frage mich: Wie gestalten wir die Rente auch mal so, dass das Kapital arbeiten kann? Ich bin großer Fan des Generationenkapitals. Es geht nicht nur um Umverteilung, sondern auch darum, dass wieder mehr Menschen in diesem Land Vermögen aufbauen können. Damit müssen wir uns in der SPD beschäftigen.
Die SPD muss einiges radikal anders machen. Es ist gut, dass wir uns beim Grundsatzprogramm-Prozess nicht im Willy-Brandt-Haus einsperren und im Parteivorstand die Bleistifte miteinander spitzen, sondern raus ins Land gehen.
Bauministerin Verena Hubertz (SPD)
Das Generationenkapital sollte zu Ampel-Zeiten der Einstieg in eine teilweise kapitalgedeckte Finanzierung der gesetzlichen Rente sein. Das halten in Ihrer Partei viele für verantwortungslose Zockerei und verweisen auf die Risiken an den Kapitalmärkten. Sie sehen das anders?
Ich glaube, solche Aussagen sind eine Folge alter Reflexe. Die Riesterrente hat nicht gut funktioniert. Da haben sich Versicherungsmakler die Taschen vollgestopft. Aber in Skandinavien funktioniert die Aktienrente, das ist keine Zockerei. Wir können die Gelder von Rentenfonds auch nutzen für unsere Infrastruktur, für Wärmenetze, für Wohnungen, für sichere Investments. Das kommt uns allen zugute.
Ihrer Partei geht es miserabel. Sie haben erfolgreich ein Unternehmen gegründet. Was würden Sie der SPD raten, wenn die eine Firma wäre und Sie als Beraterin engagiert hätte?
Pivot, also Drehung, um neue Perspektiven zu sehen und in eine andere Richtung marschieren zu können. Drehung heißt nicht, alles Alte liegenzulassen. Aber die SPD muss einiges radikal anders machen. Es ist gut, dass wir uns beim Grundsatzprogramm-Prozess nicht im Willy-Brandt-Haus einsperren und im Parteivorstand die Bleistifte miteinander spitzen, sondern raus ins Land gehen. Auch dahin, wo die Menschen uns nicht mehr wählen. Das wird ein starker Beteiligungsprozess über die nächsten zwei Jahre.
So viel Zeit haben Sie nicht mehr. Bis dahin sind wichtige Landtagswahlen verloren gegangen, zum Beispiel in Ihrer Heimat Rheinland-Pfalz oder auch in Mecklenburg-Vorpommern.
Die Frage ist, glauben die Menschen uns, dass wir Ideen haben, die ihr Leben von morgen und übermorgen besser machen? Dazu können wir hier in Berlin durch eine gute Regierungsarbeit beitragen. Es geht viel um Vertrauen. Das kann man zurückerobern, aber der Weg wird hart.
Ich mache den Mutterschutz voraussichtlich im Dezember, Januar und Februar, danach bin ich wieder da. Ich habe einen tollen, starken Partner an meiner Seite. Männer sind gefragt in diesen Zeiten.
Bauministerin Verena Hubertz (SPD) über ihre Babypause
Die Koalition hat in den paar Monaten schon einiges an Krise durch. Hatten Sie sich das Ganze zwischenmenschlich so anstrengend vorgestellt, wie es jetzt geworden ist?
Es hat an zwei, drei Stellen zu sehr geruckelt. Ich glaube aber auch, dass wir alle daraus gelernt haben. Demokratie braucht Streit, aber auch Verlässlichkeit. Deswegen darf sich so etwas wie mit der Richterwahl nicht wiederholen oder auch die Sache mit der Stromsteuer, bei der Absprachen nicht eingehalten wurden.
Wenn bei der Richterwahl nochmal etwas schiefgeht, ist das das Ende der Koalition?
Es geht nicht schief.
Sie gehen bald in Babypause und haben öffentlich gemacht, wie sehr Sie dafür im Netz angefeindet werden. Trübt das die Vorfreude?
Ich freue mich erst mal über die weit überwiegende Mehrheit der Zuschriften und Frauen, die mir schreiben und sagen: Danke, dass du da vorangehst. Über die anderen Kommentare habe ich mich gewundert, wir sind oft eben doch noch sehr rückwärtsgewandt. Es waren übrigens hauptsächlich Männer, die sich so geäußert haben. Es zeigt mir einfach, dass es noch viel zu tun gibt.
Wie kann man sich die Babypause einer Ministerin vorstellen? Wie sehr können Sie sich überhaupt zurückziehen?
Das wird in der Tat spannend. Ich bin durch drei Staatssekretäre vertreten, bin aber natürlich für wichtige Dinge auch erreichbar. Ich mache den Mutterschutz voraussichtlich im Dezember, Januar und Februar, danach bin ich wieder da. Ich habe einen tollen, starken Partner an meiner Seite. Männer sind gefragt in diesen Zeiten.
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