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Ein Containerschiff der chinesischen Konzerns Cosco am Hamburger Terminal Tollerort

© Foto: Breuel-Bild/CNTV

China kauft ein: Krach um ein Stück vom Hamburger Hafen

Die geplanten 35 Prozent vom Containerterminal wären nur ein kleines Stück des chinesischen EU-Imperiums. In vielen Häfen bestimmt Peking mit. Oder regiert.

Das westliche Ende der Seidenstraße hat China bereits erreicht: Den Hafen von Piräus. Schon seit der Finanzkrise 2009 gehört Athens Tor zum Meer mehrheitlich Chinesen, 2016 übernahmen sie auch noch die Mehrheit am Hafenbetreiber. „Zum Schnäppchenpreis“ habe der chinesische Staatskonzern Cosco damals Piräus bekommen, wetterte vor einem Jahr der frühere EU-Kommissar Günther Oettinger im Tagesspiegel.

Er nannte auch die Verantwortlichen: Die Troika, die Griechenland zur Privatisierung von Staatsbesitz zwang. Gewollt hatten das die EU-Großen, nicht zuletzt Deutschland, dessen Finanzminister damals Oettingers Parteifreund Wolfgang Schäuble war. Seit der Übernahme, so hat Griechenlands Ex-Marine-Minister laut Oettinger gesagt, fahre „kein Schiff raus oder rein, das die Chinesen nicht wollen“.

Auch im Hafen von Saloniki haben Chinas Staatsmanager inzwischen das gewichtigste Wort. Auch hier bekamen sie es nicht sofort: Saloniki gehörte zunächst einem französisch-deutsch-chinesischen Konsortium. Doch der französische Anteil ging später an die China Merchants Holdings International.

Hafenpolitiker: Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (Mitte) und sein Vorgänger im Amt, der heutige Bundeskanzler Olaf Scholz
Hafenpolitiker: Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (Mitte) und sein Vorgänger im Amt, der heutige Bundeskanzler Olaf Scholz

© imago/snapshot/F. Boillot

Frankreich sei ohnehin, so resümierte vor drei Jahren der Mailänder „Corriere della sera“, das EU-Land mit den meisten chinesischen Hafenbeteiligungen. Chinesische Firmen halten Anteile an Dünkirchen und Le Havre im Norden, Saint-Nazaire im Westen und am Mittelmeerhafen Marseille im Süden. Es folgen Spanien mit Bilbao und Valencia, die belgischen Häfen Zeebrügge und Antwerpen und in den Niederlanden Rotterdam.

In Neapel ist das Containergeschäft im Hafen in chinesischer Hand, in Deutschland ist Cosco am Duisburger Hafen beteiligt. Chinesische Staatskonzerne wie Cosco werden in der Regel von hohen Kadern der Kommunistischen Partei geführt. Nun will Cosco sich auch in Hamburg einkaufen.

Es wäre das erste Mal, dass die Hansestadt Teile ihres Hafens abtritt. Entsprechend heftig ist der Widerstand gegen die Pläne des Hamburger Ersten Bürgermeisters Peter Tschentscher (SPD) und seines Amtsvorgängers Olaf Scholz. Der heutige Bundeskanzler und seine Regierung müssen die Sache genehmigen. Und die Koalitionspartnerinnen sehen ihn als Befürworter. Massive Kritik kommt nicht nur von der Opposition, sondern auch gleich von beiden Mitregierenden, FDP und Grünen.

Ein Verkauf von kritischer Infrastruktur an China ist ein krasser Fehler.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP

Grünen-Chef Omid Nouripour betonte, dass die Beteiligung am Terminal Tollerort nicht harmlos sei: Es gehe überhaupt nicht, einem Land wie China die Kontrolle über kritische Infrastruktur in Deutschland zu überlassen“, sagte er am Freitag im Deutschlandfunk. Wer sich in den Terminal einkaufe, habe Einsicht in alle Unterlagen. Das gesamte Asien-Geschäft des Hamburger Hafens sei betroffen. Das bedeute, dass die Firma Einfluss darauf hätte, ob Frachter aus Taiwan dort andocken könnten.

„Was muss in der Welt eigentlich noch passieren, damit Deutschland in der Realität ankommt und nicht Männchen macht vor den Feinden der freien demokratischen Welt?“ fragte die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann im Gespräch mit dpa. „Ein Verkauf von kritischer Infrastruktur an China ist ein krasser Fehler und gehört unterbunden.“ Sie sei froh, dass die beteiligten Bundesministerien gegen Scholz standhaft blieben.

Tatsächlich geht man in der SPD inzwischen auf Distanz zu den Plänen. Das Projekt müsse „sehr genau geprüft“ werden, „um Abhängigkeiten von China auszuschließen“, sagte der Vizevorsitzende der SPD-Fraktion im Bundestag Detlef Müller. Der Kanzler selbst erklärte am Rande des Brüsseler Gipfels, es sei „noch gar nichts entschieden“, viele Fragen müssten noch geklärt werden.

Versuche, die chinesische Einkaufstour zu begrenzen, die neben Häfen auch anderer wichtiger Infrastruktur gilt, gab es schon in der Vergangenheit: Deutschland verschärfte vor zwei Jahren das Außenwirtschaftsgesetz, nachdem der Roboterhersteller Kuka in chinesischen Besitz übergegangen war. Einem Bericht der Wirtschaftswoche zufolge hat das Haus von Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck in diesem Jahr bereits 42 Investitionen mit chinesischer Beteiligung geprüft, im Vorjahr waren es 57. Wieviele abgelehnt wurden, teilte das Ministerium nicht mit.

In Italien schritt die damalige Regierung Conte 2019 ein, als China für den Hafen von Triest mitbot. Auf Druck aus Rom bekam ein deutsches Unternehmen den Zuschlag, die Hamburger Hafen- und Logistik-AG – jene HHLA, die China jetzt 35 Prozent des Hamburger Containerterminals Tollerort verkaufen will.

Beobachter:innen in den Mittelmeerstaaten verweisen auf einen weiteren Effekt des chinesischen Zugriffs auf EU-Häfen, jenseits der Geostrategie: Hinter den Zahlen über den mächtigen Ausbau bis dahin kränkelnder Häfen durch die Chinesen verschwänden andere wirtschaftliche Zahlen, bemerkte seinerzeit der „Corriere della sera“. China selbst habe durch seine Beteiligungen breiten Zugang zum Mittelmeer gewonnen, während „die Unternehmen vor Ort nicht einmal eine Ausschreibung“ an Land ziehen könnten.

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