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Zu wenig Chancen fürs Leben? Ein Kind auf einer Schaukel in einer Hochhaussiedlung.

© dpa/Rolf Vennenbernd

Der zähe Streit der Ampel: Darum geht es bei der Kindergrundsicherung

Nein. Doch. Nein. Doch. Dieser Logik folgt das öffentliche Duell zwischen Finanzminister Lindner und Familienministerin Paus um die Kindergrundsicherung. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum Streit.

Stand:

Nein. Doch. Nein. Doch. Nein. Doch.

Wie ein Ping-Pong-Match kommt der öffentlich ausgetragene Streit zwischen Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Familienministerin Lisa Paus (Grüne) über die Kindergrundsicherung daher. Was dahintersteckt und worum es geht.


Was ist die Kindergrundsicherung?

„Wir wollen mit der Kindergrundsicherung bessere Chancen für Kinder und Jugendliche schaffen“, so steht es im Koalitionsvertrag der Ampel. Die Idee ist erklärtermaßen das wichtigste Projekt von Familienministerin Paus. Ihr Ziel ist es, damit einen entscheidenden Schritt im Kampf gegen Kinderarmut zu gehen. Die Idee: Alle Leistungen für Familien werden gebündelt und dann unbürokratisch und mit digitalen Verfahren ausgezahlt.

Je nachdem, wie die Kindergrundsicherung genau ausgestaltet wird, gäbe es unter Umständen für arme Familien eine kleinere oder auch größere Schippe obendrauf – da aber beginnt der Streit.

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Finanzminister Lindner hält nichts davon, zusätzliches Geld auszugeben. Die Uneinigkeit in der Koalition, ob oder in welcher Form die Kindergrundsicherung kommt, ist groß.


Was genau plant Familienministerin Paus?

Kindergeld steht bisher allen Familien zu, für die ärmeren kommt eine Vielfalt weiterer Unterstützungsleistungen infrage: Bürgergeld, Sozialhilfe, Kinderzuschlag, Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.

Das ist unübersichtlich, und die nötigen Anträge sind nicht für alle Familien leicht zu bewältigen.

Die Idee der Kindergrundsicherung ist, all das zu bündeln. Es soll künftig für alle Kinder einen einheitlichen Garantiebetrag geben, der dem heutigen Kindergeld entspricht.

Sie ist dafür: Familienministerin Lisa Paus (Grüne)

© dpa/Kay Nietfeld

Dazu käme für ärmere Familien ein Zusatzbetrag, der nach dem Einkommen der Eltern gestaffelt wäre. Wenn Eltern Bürgergeld beziehen, auch als Aufstocker, sollen ihre Kinder automatisch den maximalen Zusatzbetrag bekommen und so aus dem Bürgergeld-Bezug herausgelöst werden.


Warum gibt es so viel Streit um das Projekt?

Kindergrundsicherung ist nicht gleich Kindergrundsicherung. Was genau eigentlich umgesetzt werden soll, ist Gegenstand des Streits zwischen den Koalitionspartnerinnen.

Bestehende Leistungen zu bündeln, die Auszahlung zu vereinfachen und zu digitalisieren, ist konsensfähig. Schon das würde zusätzliches Geld kosten, vor allem, wenn das erklärte Ziel erreicht würde, dass mehr Familien als bisher die Unterstützung, die ihnen zusteht, auch tatsächlich in Anspruch nehmen. Das nämlich ist derzeit gerade bei Familien, die eher knapp unterhalb der jeweiligen Einkommensgrenzen liegen, nicht immer der Fall.

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Milliarden Euro pro Jahr möchte Familienministerin Paus ausgeben.

Die große Frage ist, ob darüber hinaus die Unterstützungsleistungen ganz grundsätzlich erhöht werden sollen. Im Koalitionsvertrag heißt es, das soziokulturelle Existenzminimum solle neu definiert werden. Mit Verweis darauf kann Ministerin Paus argumentieren, die Zahlungen müssten insgesamt erhöht werden.

Je nachdem, wie und ob das soziokulturelle Existenzminimum neu definiert wird, könnten sich am Ende die Kosten für die Kindergrundsicherung gewaltig unterscheiden. Bisher orientieren sich die Leistungen für Kinder, die zum Beispiel Bürgergeld beziehen, an den Lebensverhältnissen von Familien mit wenig Einkommen. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass nicht am Ende Kinder, deren Eltern den Lebensunterhalt für die Familie selbst erwirtschaften, schlechter dastehen sollen als Kinder, deren Familie von Transferleistungen lebt.

Im Eckpunktepapier von Paus’ Ministerium heißt es aber: „Die Regelbedarfe sollen zukünftig stärker als bisher an den Haushaltsausgaben der gesellschaftlichen Mitte ausgerichtet werden.“ Hier liegt der Kern des Konflikts innerhalb der Koalition.

Paus nennt einen Finanzbedarf von zwölf Milliarden Euro pro Jahr, Lindner winkt bei dieser Summe nur ab.

Die Familienministerin hat auch vorgeschlagen, die Kinderfreibeträge bei der Einkommensteuer zu senken, um die Kindergrundsicherung zu finanzieren. Sie kritisiert, dass Familien mit höherem Einkommen über die Freibeträge de facto stärker gefördert würden als Familien mit geringerem Einkommen, die Kindergeld beziehen.


Was steht im Koalitionsvertrag und was hat die Ampel bereits unternommen?

Wieder und wieder verweisen die Grünen und – weniger vehement – auch die SPD darauf, die Kindergrundsicherung sei per Koalitionsvertrag verabredet. Dem ist so. Garantie- und Zusatzbetrag sind dort als künftige Säulen genannt, und es ist vereinbart: „Diese Leistung soll ohne bürokratische Hürden direkt bei den Kindern ankommen und ihr neu zu definierendes soziokulturelles Existenzminimum sichern.“

Wir wollen mehr Kinder aus der Armut holen.

Koalitionsvertrag der Ampel

Umgekehrt kann sich Finanzminister Lindner etwa auf folgende Passage berufen: „Wir wollen mehr Kinder aus der Armut holen und setzen dabei insbesondere auch auf Digitalisierung und Entbürokratisierung.“

Er ist dagegen: Finanzminister Christian Lindner (FDP).

© AFP/Tobias Schwarz

Lindner führt zudem ins Feld, dass die Ampelkoalition das Kindergeld bereits erhöht hat. Es wurde zum Januar 2023 auf einheitlich 250 Euro pro Kind erhöht. Allerdings profitieren Familien, die Bürgergeld beziehen, von dieser Erhöhung nicht: Ihnen wird das Kindergeld auf das Bürgergeld angerechnet.


Wie groß ist das Problem der Kinderarmut in Deutschland?

Mehr als jedes fünfte Kind, jeder vierte junge Erwachsene sei in Deutschland armutsgefährdet: Mit diesen Zahlen machte erst im Januar 2023 wieder die Bertelsmann-Stiftung Schlagzeilen. Wichtig zu wissen ist aber, dass Armut in dieser Lesart relativ definiert wird. Konkret bedeutet das: Als armutsgefährdet gilt, wessen Haushalt weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung hat.

Wenn eine Gesellschaft gleichmäßig und insgesamt immer wohlhabender würde, bliebe die Quote der Armen also dennoch immer gleich.

In Armut aufzuwachsen, kann für Kinder konkret bedeuten, in beengten Wohnverhältnissen und ohne Rückzugsmöglichkeit aufzuwachsen, kein Taschengeld zu bekommen, nicht ins Kino gehen oder ab und zu neue Kleidung kaufen zu können. So geht es beim Thema Kinderarmut immer auch um die Bildungs-, Entwicklungs- und letztlich um die Lebenschancen von Kindern.

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