
© Imago/Gladys Chai von der Laage
Kanzlerkandidaten in der Krise: Kein gutes Signal für die Tage nach der Wahl
Die Kanzlerkandidaten von SPD, Union und Grünen haben mit Störfeuern aus den eigenen Reihen zu kämpfen. Nach der Wahl gilt es, Brücken zu bauen – das dürfte schwierig werden.

Stand:
Gut zwei Wochen sind es noch bis zum Tag der Entscheidung. Nach einem kurzen und kalten Wahlkampf beginnt für die Kandidaten und ihre Parteien nun der Endspurt. TV-Duelle, Interviews, Auftritte, Social Media. Die Schlagzahl nimmt noch einmal zu. Die Aufmerksamkeit erreicht ihren Höhenpunkt.
Ausgerechnet jetzt wird ein Phänomen erkennbar. Denn je mehr Friedrich Merz, Olaf Scholz und Robert Habeck ins Rampenlicht rücken, desto deutlicher werden ihre Schwächen.
Die Störmanöver für die Kanzlerkandidaten von Union, SPD und Grünen kommen in diesem Wahlkampf jedoch nicht von außen, sondern aus den eigenen Reihen.
An Olaf Scholz glaubt offenbar nicht einmal mehr die eigene Parteiführung. Zweimal soll SPD-Chef Lars Klingbeil vorstellig geworden sein, um den Kanzler zu überzeugen, dass er kein geeigneter Kanzlerkandidat sei. Verteidigungsminister Boris Pistorius sollte die Sozialdemokraten noch einmal in die Offensive bringen.
Dass der Vorgang nun nach Wochen, in denen sich die SPD in den Umfragen keinen Meter bewegt hat, publik wird, ist für Scholz der GAU. Die Partei dementiert zwar, doch der Schaden ist da. Nach drei Jahren Ampel scheint das Vertrauen in Scholz im Land aufgebraucht, in der Partei auch.
Bei SPD, Union und Grünen rächen sich nun die Fehler, die sie aus ihrer Parteilogik heraus schon vor Monaten begangen haben. Sozialdemokraten und Konservative trauten sich nicht, entgegen der Gepflogenheiten die stärksten und beliebtesten Kandidaten aufzustellen, sondern nominierten die natürlichen Platzhalter.
Felix Hackenbruch
Doch auch an Friedrich Merz mehren sich die Zweifel in den eigenen Reihen. Ein Dutzend seiner Abgeordneten verweigerte ihm in der vergangenen Woche die Gefolgschaft bei der gemeinsamen Abstimmung zur Migrationspolitik mit der AfD. Seitdem protestieren Zehntausende gegen Merz auf Deutschlands Straßen und selbst Angela Merkel geht offen auf Distanz zu ihm.
Selbst wenn die Union in Umfragen ihren Vorsprung bislang halten kann, hat Merz’ Autorität gelitten. Wie will er ein Kanzler für das ganze Land sein? Wie soll er eine Koalition anführen, wenn es ihm nicht einmal gelingt, die Vielfalt einer konservativen Volkspartei zu repräsentieren?
Habeck kriegt die eigenen Leute nicht voll hinter sich
Damit hat auch Habeck, der die Merkel-Lücke schließen und seine Partei in die bürgerliche Mitte schieben will, zu kämpfen. Der selbsternannte Bündniskanzler bekommt kaum die eigenen Leute hinter sich versammelt.
Einen Zehn-Punkte-Plan für eine Sicherheitsoffensive lancierte er über die „Bild“-Zeitung und sprach darin – für Grünen-Verhältnisse schnörkel- und schonungslos – über die Probleme der ungeregelten Migration. Ein klares Signal an die Union, ein Lebenszeichen für Schwarz-Grün. Habeck, der Brückenbauer.
Doch die riss ihm seine Partei direkt wieder ein. Die Parteijugend sprach von „rechten Narrativen“ und veröffentlichte umgehend zehn Gegenpunkte zu Habeck.
Und auch die Parteiführung setzte – auf Druck des linken Flügels – eine lange Einleitung vor Habecks Vorschläge, in der sie Friedrich Merz und die Union scharf kritisierte. Zurück bleibt ein beschädigter Kanzlerkandidat. Habecks Beinfreiheit scheint nicht viel weiter als über die Wahlkampftribünen zu reichen.
Drei Kanzlerkandidaten, dreimal ähnliche Probleme.
Die Bevölkerung wünscht sich frischere Gesichter
Bei SPD, Union und Grünen rächen sich nun die Fehler, die sie aus ihrer Parteilogik heraus schon vor Monaten begangen haben. Sozialdemokraten und Konservative trauten sich nicht, entgegen der Gepflogenheiten die stärksten und beliebtesten Kandidaten aufzustellen, sondern nominierten die natürlichen Platzhalter.
Damit umging man Debatten in den Gremien, aber auch den Wunsch der Bevölkerung nach frischeren Gesichtern. Wo stünden Union und SPD jetzt wohl mit Hendrik Wüst und Boris Pistorius? Ja, sogar mit Markus Söder und Lars Klingbeil?
Auch den Grünen fällt nun auf die Füße, dass sie dem Migrationsstreit seit Jahren ausweichen. Formelkompromisse statt Richtungsentscheidung. Das kann man sich bei so einem wahlentscheidenden Thema nicht leisten.
Der Burgfrieden in den Parteien bröckelt dieses Mal schon vor dem Wahltag. Die Autorität der Kanzlerkandidaten schwindet. Bei FDP und BSW, deren parlamentarische Zukunft unsicher ist, sind ebenfalls Zerfallserscheinungen zu beobachten.
Für den Tag nach der Wahl lässt das nichts Gutes erahnen. Denn dann wird Kraft nötig sein, um breite und stabile Brücken zu bauen. Die Tage der Entscheidung beginnen erst nach dem 23. Februar.
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