
© dpa/Michael Kappeler
„Durchschaubares Bauernopfer“: Miersch wertet Rücktritt von Djir-Sarai als Ablenkmanöver von Lindner
Als Generalsekretär ist Bijan Djir-Sarai zurückgetreten. Doch vielen reicht dies nicht als Reaktion auf die Veröffentlichung des „D-Day“-Papiers.
Stand:
SPD-Generalsekretär Matthias Miersch hat den Rücktritt von FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai als „durchschaubares Bauernopfer“ bezeichnet. Der Schritt sei erfolgt, „um die Verantwortung von FDP-Chef Christian Lindner abzulenken“, sagte Miersch der Deutschen Presse-Agentur. „Zunächst wurde die Schuld auf einfache Mitarbeiter geschoben, dann auf den Bundesgeschäftsführer - und nun der Generalsekretär.“
Scheibchenweise neue Details bekanntzugeben, reiche aber nicht aus, betonte der SPD-Generalsekretär. „Die entscheidende Frage bleibt: Welche Rolle hat Christian Lindner selbst in diesen Plänen gespielt? Eine glaubwürdige Erklärung der FDP-Führung ist überfällig. Die Wahrheit wird so oder so ans Licht kommen.“
Er sagte weiter: „Christian Lindner und seine FDP stehen in der Verantwortung, sich bei den Menschen in diesem Land zu erklären und zu entschuldigen.“
Ähnlich hatte sich SPD-Chef Lars Klingbeil geäußert. „Die FDP organisiert eine ‚Feldschlacht‘ gegen eine Regierung, der man selbst angehört“, schrieb Klingbeil auf X. „Es ist gut, dass langsam alles herauskommt und die Bürger sich ein Bild machen können.“
Kanzler Olaf Scholz (SPD) sieht sich nach Bekanntwerden des FDP-Papiers in seinem Schritt zur Entlassung des damaligen FDP-Finanzministers Christian Lindner bestätigt. „Der Bundeskanzler fühlt sich durch die aktuellen Veröffentlichungen in seiner Entscheidung bestätigt. Und er findet, dass er in diesem Zusammenhang richtig entschieden hat“, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner in Berlin.
Kritik kommt auch von den Grünen
Robert Habeck, Kanzlerkandidat der Grünen, warf der FDP-Spitze indirekt vor, parteitaktische Pläne auf Kosten des Landes entworfen zu haben. „Mein Amtseid lautete, meine Kraft dem Wohle des Volkes zu widmen - und nicht dem Wohle einer Partei“, sagte der Vizekanzler am Rande einer politischen Veranstaltung in Berlin.
Der Vorsitzende der Grünen Jugend, Jakob Blasel, sagte dem Tagesspiegel: „Die FDP bremst seit Jahren massiv Investitionen in Schulen, Klimaschutz und Brücken. Dass sie auch intern so viel Zerstörungswut mitbringt, wundert mich nicht.“
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Die frühere Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang meldete sich ebenfalls auf der Plattform X zu Wort. Sie kritisierte die FDP scharf: „Wer Politik nur noch als Schlachtfeld begreift und als einziges verbleibendes Ziel Destruktion zum eigenen Nutzen hat, sollte keine politische Verantwortung tragen.“
Auch innerparteilich gibt es Kritik
Zuvor hatte es auch innerhalb der Partei Kritik gegeben. Die Vorsitzende der Jungen Liberalen, Franziska Brandmann, hatte den Rücktritt des FDP-Generals gefordert: „Als Generalsekretär trägt Bijan Djir-Sarai die politische Verantwortung für die Inhalte und die Ausrichtung der Partei“, schrieb Brandmann auf dem Kurznachrichtendienst X.
Sie erklärte, das am Vortag öffentlich gewordene Papier sei „einer liberalen Partei unwürdig“. Nicht nur die Öffentlichkeit müsse den Eindruck gewinnen, über Wochen getäuscht worden zu sein - sondern auch die eigene Partei. „Das gilt auch für mich - auch ich wurde getäuscht. Ich weiß, dass das Gefühl, das sich deshalb in mir breit macht, von vielen Mitgliedern der Freien Demokraten geteilt wird“, so Brandmann.
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Weder dieses Papier noch der Umgang damit in den letzten Wochen lasse sich auf Mitarbeiter der Bundesgeschäftsstelle der FDP abwälzen. Der Versuch, das zu tun, sei inakzeptabel. Die Vorgänge kosteten die FDP „viel Glaubwürdigkeit“, fügte sie hinzu.
Auch Marie-Agnes Strack-Zimmermann begrüßte die personellen Konsequenzen. „Der Rücktritt des Generalsekretärs und des Bundesgeschäftsführers ist angesichts der Kommunikation der letzten Tage unausweichlich gewesen. Wer führt, muss auch Verantwortung übernehmen“, sagte Strack-Zimmermann der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Sie zollte Generalsekretär Bijan Djir-Sarai und Bundesgeschäftsführer Carsten Reymann Respekt für ihre Rücktritte.
„Es braucht eine starke FDP, die sich keine Clownerie leistet, sondern sich ihrer Verantwortung bewusst ist“, so Strack-Zimmermann. Sie erklärte, die dramatische wirtschaftliche Situation und die internationale Sicherheitslage „schreien nach einer starken liberalen Partei“. Und: „Wir werden geschlossen und ernsthaft unsere Fehler aufarbeiten, um verlorenes Vertrauen wiederherzustellen.“
Kubicki: „Niemand wird mir den Stolz auf meine Partei nehmen können“
Wolfgang Kubicki, stellvertretender FDP-Bundesvorsitzender, sagte gegenüber dem Tagesspiegel, er sei „entgeistert über den Dilettantismus sowohl bei der Beendigung der Ampel als auch vor allem bei der Kommunikation danach“. Das habe er sich in der Partei, der er 54 Jahre angehöre, „so nicht vorstellen können“. Stolz scheint er auf die FDP aber trotzdem zu sein, wie einem Beitrag auf X zu entnehmen ist. Der Text endet mit den Worten „Niemand wird mir den Stolz auf meine Partei nehmen können“, vorher teilt Kubicki gegen Scholz und Wirtschaftsminister Habeck aus.
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Die Linke spricht von einer „Soap-Opera“ und versteht die Aufregung nicht
Die Linken-Vorsitzende Ines Schwerdtner wiederum versteht nach eigenen Worten die Debatte über die Vorbereitung der FDP für das Ende der Ampel-Koalition nicht. „Warum regen sich jetzt alle so über das D-Day-Papier der FDP auf?“, erklärte Schwerdtner in Berlin. „Es war doch klar, was (FDP-Chef Christian) Lindner da für ein verantwortungsloses Spiel treibt.“
„Wir diskutieren über die politische Verkommenheit einer Opportunisten-Partei, und niemand aus der Reste-Ampel will Verantwortung tragen für die jahrelange Blockade in zentralen Politikbereichen.“ Sie sprach von einer „Soap-Opera der Ampelparteien“.
Die FDP hatte das Papier zu möglichen Ausstiegsszenarien aus der Ampel-Koalition selbst veröffentlicht, nachdem das Nachrichtenportal „Table.Briefings“ darüber berichtet hatte. Zuvor hatte bereits eine Recherche der „Zeit“ große Diskussionen über Ursachen und Urheber des Koalitionsbruchs ausgelöst. In mehreren Treffen der engsten FDP-Führung wurden demnach seit Ende September Szenarien für ein Ende der Koalition durchgespielt. (Trf, dpa)
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